Archiv der Kategorie: Nationalmannschaft

Hertha, die Nationalmannschaft und Corona

Gibt es geheimnisvolle Verbindungen zwischen Hertha und der Nationalmannschaft? Tatsache ist, dass beide Mannschaften, wenn auch auf unterschiedlichem Niveau und gegen verschiedene Gegner, sehr ähnlich spielen. Der Sturm macht seine Sache meist recht gut, die Abwehr ist, freundlich gesagt, ein Hühnerhaufen. Etwas klarer formuliert müsste man sagen, dass die Abwehr eigentlich nicht vorhanden ist, und wenn der Gegner nicht viel mehr Tore schießt, als es so schon der Fall ist, ist dies eher auf die Unfähigkeit oder das Pech gegnerischer Stürmer zurückzuführen, als auf aktives Einschreiten der National- oder Herthaspieler. Fünf Tore gegen Braunschweig, fünf Tore gegen Dortmund, vier gegen Bayern München, drei gegen Frankfurt und je (nur) zwei gegen Leipzig und Stuttgart. Das ist schon ganz schön starker Tobak. Und die Nationalelf? Sechs Tore gegen Spanien, drei gegen die Türkei: Das gab es früher nicht. Beim 0:6 gegen Spanien kramte der Reporter vorschnell bis ins Jahr 1954 zurück, als man gegen Ungarn in der Vorrunde mit einer Ersatzelf 3:8 verlor. Das waren aber nur fünf Tore Unterschied. Zu früh gefreut.1931 gab es ein 0:6 gegen Österreich und nur ein einziges Mal, am 13.3.1909 gab es in Oxford gegen England mit 0:9 eine höhere Niederlage. Da kam aber auch der Schiedsrichter aus England…Man müsste eigentlich T-Shirts mit der Aufschrift:  „17.11.2020: Spanien – Deutschland 6:0 – Ich war dabei“ auf den Markt werfen. Ein Jahrhundertspiel.

Kommen wir zu obiger Frage zurück: Sind denn die Abwehrspieler Deutschlands oder Herthas alles unfähige Deppen, die keinen Ball stoppen können? Keineswegs. Sowohl Herthas Boyata, Alderete und Torunarigha als auch die Nationalspieler Koch, Süle, Rüdiger, Ginter und selbst Tah sind doch gute bis überdurchschnittliche Spieler. Wenn diese also die gegnerischen Stürmer regelmäßig zum Toreschießen einladen, muss dies an der mangelhaften Einstellung liegen. Und zwar sowohl der inneren der Spieler selbst, als auch der äußeren durch den Trainer. Natürlich werden Löw genauso wie Labbadia klagen, dass sich das Zusammenwirken der Spieler erst finden müsse, es gebe zu wenig Trainingsmöglichkeiten und so weiter. Alles richtig, aber: Für andere gilt das doch auch und die machen es besser. Oder ist doch (wir ahnten es schon) Corona an allem Schuld? Irgendwas haben die Spieler beim Thema „Kontaktbeschränkung“ und „Abstand halten“ wohl falsch verstanden…

Es lebe die Nations-League

Alle schimpfen auf die Nations-League. Reflexartig. Weil alles, was von FIFA oder UEFA oder dem DFB als Neuerung auf den Markt geworfen wird, grundsätzlich schlecht sein muss. Natürlich ist ein Hintergedanke bei diesem neuen Wettbewerb auch, Mehreinnahmen durch Fernsehgelder zu akquirieren. Aber im Prinzip ist nichts dagegen zu sagen, dass ein Wettbewerb, bei dem es sogar etwas zu gewinnen gibt (EM- oder WM-Qualifikation, bzw. ein wunderschöner Pokal für die Vitrine des Verbandes für den Gesamtsieger) die unsäglichen Freundschaftsspiele früherer Jahrzehnte ablöst. Es war noch ein Ereignis, als Brasilien mit Pelé 1963 in Hamburg 2:1 gegen die deutsche Nationalmannschaft gewann. Da gab es aber im gesamten Jahr nur 4 Länderspiele, obwohl es keinen Corona-Lockdown gab. 2009 gab es dagegen beispielsweise elf Länderspiele und ein 0:1 im Heimspiel gegen Norwegen war genauso trostlos wie ein 4:0-Heimsieg gegen den Giganten Liechtenstein. Aber richtig interessiert hat es eigentlich niemanden, auch wenn man sich die Spiele im Fernsehen aus Gewohnheit meist ansah, wenn man nicht den Fehler machte und sich ab der 60. Minute auf dem Sofa ausstreckte, um in der 61. Minute sanft eingeschlafen zu sein. Diese Freundschaftsspiele gehören durch den neuen Wettbewerb jetzt größtenteils der Vergangenheit an, was nicht automatisch für beste Fußballqualität sorgt, insgesamt aber, besonders durch die Einstufung in die Gruppen A bis D, das Niveau deutlich anhebt. Und ein bisschen Spannung, wie das bei einem Wettbewerb nun mal der Fall ist, hat auch noch nie geschadet, zumal die Gefahr einem Herzinfarkt infolge der Aufregung zu erliegen, gegen Null strebt.

Fazit: Nicht alles, was Bürokratenhirnen entspringt, muss zwingend schwachsinnig sein. Die Nations-League ist es auf jeden Fall nicht, es sei denn, die Verbände setzen den Wettbewerb zusätzlich auf den Terminkalender. Der DFB hat mit den „Freundschaftsspielen“ gegen die Türkei und Tschechien schon mal einen gewichtigen Schritt in die falsche Richtung getan…  

Was hat Schalke mit Tasmania und Fritz Walter zu tun?

Mit dem 1:1 gegen den VfB Stuttgart hat sich Schalke 04 souverän auf den zweiten Tabellenplatz der Mannschaften mit Nicht-Sieges-Serien gesetzt. Nach jetzt saisonübergreifend 22 Spielen ohne gewonnen zu haben, liegt nur noch Tasmania 1900 vor den Gelsenkirchenern, die damals, 1965/66 nach dem 2:0 Heimsieg gegen den Karlsruher SC erst im 32. Spiel Borussia Neunkirchen 2:1 bezwangen.  Da fehlen den Schalker Knappen, die so gar nichts knappenhaftes (Stolz, Ehre, Treue) an sich haben nur noch läppische neun Spiele um gleichzuziehen. Das müsste doch mit einem ambitionierten Trainer wie Manuel Baum zu machen sein. Der Bayer passt schon rein ausstrahlungsmäßig so gut ins Ruhrgebiet, dass man sich nicht zu wundern bräuchte, wenn der Rekord erst von seinem demnächst auftauchenden Nachfolger eingefahren wird. Ganz Fußballdeutschland drückt die Daumen, ganz besonders fest wird in Dortmund gedrückt, und die noch lebenden alten Rekordhalter der Tasmanen, die sich alljährlich zwecks erinnern an alte Zeiten treffen, drücken einerseits mit, würden andererseits ihren „Rekord für die Ewigkeit“ ganz gerne als Alleinstellungsmerkmal behalten.

Apropos Ewigkeit: Heute vor 100 Jahren wurde Fritz Walter geboren, der auch den einen oder anderen Rekord, allerdings stets positiver Art, sein Eigen nennen kann: Die gesamte Karriere bei einem Verein zu spielen (1.FC Kaiserslautern) erscheint heute als ein Relikt aus der Steinzeit. Das Angebot von Real Madrid auszuschlagen, die ihn für ein damals unmoralisches Millionengehalt verpflichten wollten, erscheint heute unvorstellbar. Kapitän der ersten deutschen Weltmeistermannschaft und erster deutscher Ehrenspielführer der Nationalmannschaft sind auch nicht die schlechtesten Referenzen. Und die Dauer seiner internationalen Karriere? Von 1940 bis zum Halbfinalspiel gegen Schweden bei der WM 1958 lagen 18 Jahre, ein Weltkrieg und 61 Länderspiele. Wenn man davon ausgeht, dass es damals nur 5 bis 7 Länderspiele pro Jahr  gab, heute aber z.T. mehr als doppelt soviel, wäre er heute sicher auf 120 Spiele gekommen, die acht Jahre Kriegspause von 1942 bis 1950 berücksichtigt, hätte er schon an der 200-er-Marke gekratzt. Fritz Walter: Ein Mann für die Ewigkeit. Von seinen menschlichen Qualitäten wie Kameradschaft, Bescheidenheit, Treue und absolute Loyalität gar nicht zu reden.

GIbt es heute noch Typen wie den großen Fritz Walter? 

Jogi Löws schwere Entscheidung

Auf der Pressekonferenz zum Serbien-Spiel sagte Bundestrainer Löw, dass ihm die Entscheidung, Hummels, Boateng und Müller aus der Nationalmannschaft zu eliminieren, persönlich sehr schwer gefallen sei. Ja, um Himmels Willen, warum macht er es dann? Niemand hat ihn gezwungen! Oder etwa doch? Gibt es hinter den Kulissen die Ansage, dass er Tabula Rasa machen muss, wenn sein Stuhl nicht wackeln soll? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass der Job des Bundestrainers nach dem Papst und dem/der SPD-Vorsitzenden der schönste der Welt ist. Und einer der sichersten noch dazu. Denn wurde ein Bundestrainer überhaupt schon mal entlassen?  Ja, Jupp Derwall, Berti Vogts und vor allem Erich Ribbeck unselig gingen nur auf größeren Druck der Öffentlichkeit und selbst Sepp Herberger war nach dem frühen Aus in Chile 1962 nach 28 Jahren als Reichs- und Bundestrainer nicht mehr ganz unumstritten. Aber entlassen? Der DFB ist doch nicht der HSV!

Also: Warum rief der gute Jogi seine Bayern-Weltmeister nicht einfach an und teilte ihnen mit, dass er mal die EM-Quali mit jüngeren Kräften beginnen wolle, dem Nachwuchs eine Chance u.s.w., dass würden sie doch sicher verstehen und sie sollten bitte, bitte nicht eingeschnappt sein. Wenn es mit dem Nachwuchs nicht klappe, würde er sich beizeiten wieder melden. Aber nun: Die Tür ist zugeschlagen und es gibt kein Zurück. Zumindest nicht ohne Gesichtsverlust. Und wenn sich nun Süle, Stark und Co. verletzen? Spielt Neuer dann nicht nur Libero, sondern auch Innenverteidiger?

Eine fahrlässige, unnötige Entscheidung war es vom Jogi und vielleicht wird es ihm noch mal leid tun, wenn es gegen Weißrussland und die Nordiren nicht so läuft, in der EM-Qualifikation…Eins ist aber klar: Entlassen wird auch Jogi Löw nicht werden…

Deutschlands „leichte Gruppe“

Wenige Monate nach dem doch etwas überraschenden Ausscheiden in der WM-Vorrunde in der „Todesgruppe“ gegen die Fußballgiganten Mexiko, Schweden und Südkorea jubeln alle selbsternannten Experten über die leichte Gruppe in der Qualifikation für die Europameisterschaft 2020. Die Mannschaft hat es ja nur mit den Niederlanden, Nordirland, Estland und Weißrussland zu tun!

Nur?

Über die Stärke der Niederländer braucht man sich keine Illusionen zu machen. Die Länderspielbilanz gegen unsere Nachbarn ist immer noch positiv (15 Siege, 16 Unentschieden, 11 Niederlagen bei 79:69 Toren) und gerade gegen Holland haben die deutschen Spieler noch eine Rechnung offen, nachdem ihnen, trotz zweier guter Spiele, die Boulevardpresse vor allem das 0:3 um die Ohren schlug. Dabei war man, bis auf die letzten zehn Minuten, durchaus auf Augenhöhe, wenn nicht sogar überlegen und im Rückspiel wurde der höchst verdiente Sieg erst in den letzten Minuten verschenkt. Egal, ob die Revanche gelingt oder nicht, es nehmen ja zwei Mannschaften aus jeder Qualigruppe an der aufgeblähten Meisterschaft teil. Aber sind Nordirland, Weißrussland und Estland wirklich so ungefährlich, wie ihr Fifa-Ranglistenplatz uns glauben machen will?

Nordirland, als 35. der aktuellen Fifa-Rangliste war immer ein unbequemer Gegner für Deutschland. Das 2:2 bei der WM 1958 hat zwar schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, aber es gab z.B. auch noch 1996 bei der WM-Qualifikation nur ein 1:1. Und zuletzt bei der EM 2016 quälte sich das deutsche Team zu einem mühsamen 1:0-Sieg. Trotz der Gesamtbilanz von 11 Siegen, 4 Unentschieden und nur 2 Niederlagen bei 38:14 Toren gewinnt man gegen die Nordiren nicht im Vorbeigehen.

Gegen Weißrussland, auf Rang 76 gelistet, hat Deutschland die schlechteste Bilanz aller Gruppengegner: Noch nie wurde gegen diese Mannschaft gewonnen. Allerdings gab es gegen Belarus auch nur ein Spiel, welches Unentschieden endete. Aber wir sehen schon, dass auch die Weißrussen offensichtlich nicht nur Eishockey spielen können.

Die große Unbekannte scheint Estland zu sein, schnöder 96. in der Fifa-Computerliste. Für die makellose Bilanz der deutschen Nationalmannschaft von drei Siegen in drei Spielen bei 11:1 Toren kann sich Jogi Löw aber auch nichts kaufen, handelt es sich doch um drei Spiele aus den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts.

Fazit?

Alles machbar, aber wenn die Abwehr nicht stabilisiert wird, kann man auch gegen angeblich schwächere Mannschaften (wie gegen Österreich, Saudi-Arabien oder Südkorea) Tore kassieren. Der Absturz des deutschen Teams in der Weltrangliste von Platz 1 auf Rang 16 im Jahr 2018 ist ja kein Zufall. Ähnliches gab es zwar schon mal, als man von Platz 4 (2002) auf Platz 19 (2004) abstürzte, sollte aber nicht zur Regel werden.

Wenn man also nicht fahrlässig von einer „leichten Gruppe“ faselt und konzentriert zu Werke geht, müsste die verjüngte deutsche Mannschaft auch den ersten Platz erreichen können. Und bei der EM selber wären wir ja zum Glück seit langer Zeit erstmals nicht in der Favoritenschar dabei…

Lügen mit Zahlen

Von wegen! Die vereinte Meute der Fernsehjournalisten, Zeitungsschreiber, Radiomoderatoren, selbsternannten Experten und sogar die seriöse „Fußball-Woche“ behaupten es: Das Jahr 2018 sei das schlechteste in der Länderspielgeschichte. Das stimmt jedoch höchstens nach dem Motto, dass man nur an Statistiken nicht glaubt, die man selber nicht gefälscht hat. Oder so.

Fakt ist, dass die deutsche Nationalmannschaft sechs Spiele verloren hat, was es in der 99 Jahre währenden Länderspielgeschichte ( 111 Jahre seit 1908 abzüglich 12 Jahren Pause wegen der Weltkriege 1 und 2) wirklich noch nie gab. Aber wenn man nur ein Spiel macht, wie 1950, kann man auch nicht sechs verlieren. Selbst wenn man vier Spiele bestreitet, wie noch im Jahr 1963, ist es schwierig, sich sechs Niederlagen zu erarbeiten. Grundsätzlich gibt es heutzutage viel mehr Länderspiele pro Jahr als früher. In den ersten Jahrzehnten gab es durchschnittlich unter 5 Spiele im Jahr, in den Sechziger- und Siebzigerjahren nicht mal 10 und in den letzten dreißig Jahren ist der Schnitt auf 13 bis 14 Länderspiele pro Jahr gestiegen, was auch an der Aufblähung der internationalen Meisterschaften und deren Qualifikation liegt. Beispiel: Bei der Quali zur WM 66 benötigte die deutsche Mannschaft 4 Spiele gegen Schweden und Zypern, um sich für das Turnier in England zu qualifizieren. Heute wären dafür mindestens 10 Spiele nötig.

Aber zurück zu Jogi Löws verkorkstem Jahr 2018 (denn es ist nur Löws Seuchenjahr, nicht etwa das der Spieler, die das Tor nicht mehr treffen): Um gewissenhaft sagen zu können, ob es sich um ein schlechtes oder gutes Jahr handelt, muss man also die Zahl der Spiele im Verhältnis zur Zahl der Niederlagen betrachten. Denn wenn man 100 Spiele macht und davon nur sechs verliert, handelte es sich zweifellos um eine gute Bilanz. Und siehe da: Die Journaille hat dies auf ihrer Jagd nach Superlativen „vergessen“, weil man ja ein Ziel verfolgt, nämlich dem Bundestrainer ein möglichst schlechtes Zeugnis auszustellen. Ansonsten wüssten die Fußballexperten, dass es 11 Jahre in der Länderspielgeschichte gab, die schlechter waren als das Jahr 2018, mit sechs Niederlagen in 13 Spielen, was 46 % ausmacht. Die schlechtesten Jahre reichen von 100 % Niederlagen (1908: drei von drei Spielen) bis zu 50 % (1963: zwei von vier Spielen). 1985 war das letzte Jahr mit negativer Bilanz: 45 % Niederlagen waren nur geringfügig besser als 2018.

Das beste Jahr ihrer Länderspielgeschichte war übrigens 1950 mit 100 % Siegen. Allerdings gab es als einziges Länderspiel nur den 1:0-Sieg gegen die Schweiz…

Jammern überflüssig…

Die nächste Bundesligasaison steht mit der spannenden Frage vor der Tür, wer hinter den Bayern Zweiter werden wird. Auch die Abstiegsfrage verspricht gewisses Herzklopfen, da der erste Kandidat für die unteren Tabellenplätze, der HSV, sich vorerst aus der Liga verabschiedet hat.

Das WM-Finale liegt schon über zwei Wochen (gefühlt zwei Jahre) zurück und das allgemeine Jammern über das schlechte Abschneiden der deutschen Mannschaft wird von Herrn Özils grandiosem Sommer-Rücktritts-Theater überlagert. Dabei gibt es auch überhaupt nicht den geringsten Grund zum Hadern und Klagen. Was ist denn passiert? Die deutsche Nationalmannschaft ist erstmals in der Vorrunde ausgeschieden!

Na und?

Was sollen denn da die anderen großen Fußballnationen sagen?  Sollen sie kollektiven Selbstmord begehen? Engländer und Argentinier sind schon jeweils dreimal in der Vorrunde gescheitert (obwohl sie nur 15- bzw- 17-Mal an einer WM teilgenommen haben, gegenüber 19 Teilnahmen des deutschen Teams). Die Spanier haben viermal eine Vorrunde nicht überstanden (15 Teilnahmen), die Franzosen fünfmal (15 Teilnahmen) und für die armen Italiener war sage und schreibe siebenmal in der Vorrunde Schluss (16 Teilnahmen). Deshalb kamen die italienischen Spieler, nachdem sie 1966 gegen Nordkorea ausgeschieden waren, auch immer auf kleinen, geheim gehaltenen Ausweichflughäfen in der Heimat an, weil sich die Airports der großen Städte außerstande sahen, die tonnenschweren Berge verfaulter Tomaten, die dort als traditionelle Begrüßungsgeschenke für ungebetene Gäste verteilt werden, ökologisch korrekt zu entsorgen. Unsere Spieler dagegen werden von kleinen Mädchen mit Stofftieren begrüßt. Und zwar zu Recht. Schließlich kann jedem mal ein Ausrutscher passieren. Und wir stehen mit unserem einen lächerlichen Vorrunden-Aus immer noch weltmeisterlich da. Stets das Positive sehen. Nur Brasilien ist einen Tick besser, auch sie schieden erst einmal in der Vorrunde aus, bei 21 Teilnahmen. Und auch die Brasilianer waren damals, 1966, amtierender Weltmeister. Die Franzosen brauchen also im Winter 2022 nur eine kurze Meisterschaftspause einzukalkulieren, wenn die deutsche Mannschaft wieder mindestens bis ins Halbfinale vorstoßen wird. Wie es sich auch gehört…

Komische Statistik

Russland gewinnt vor Japan, Saudi-Arabien und Südkorea! Was soll das denn?

Nun, aus der beliebten Serie „Statistiken, die ich selber nicht gefälscht habe, die aber trotzdem niemand braucht, weil sie die Welt nicht besser machen“ wird die Differenz zwischen FIFA-Rangliste und tatsächlich erreichtem Ergebnis bei der WM in Russland bewertet.

Beispiel gefällig?

Russland war vor der WM 66. der FIFA-Rangliste, erreichte aber bei der WM den fünften Platz. Da dieser Platz nicht offiziell vergeben wird, vergleicht man die Ergebnisse der ausgeschiedenen Mannschaften. Da Russland das knappste Ergebnis im Viertelfinale hatte, ist es logischerweise Fünfter, ein Unterschied von 61 Plätzen zur FIFA-Rangliste. Japan hat 47 Plätze besser abgeschnitten, Saudi-Arabien 44 und Südkorea 42. Man könnte die Liste jetzt durchgehen, wir picken uns aber nur einige Rosinen heraus: Kroatien schneidet 16 Plätze besser ab als eingestuft,  Belgien ist die einzige Mannschaft, die genau ihren Ranglistenplatz einnimmt, nämlich den Dritten. Die Mannschaften, die am weitesten negativ abweichen, sind Portugal (-10) und Polen (-15) und, man ahnt es schon, Deutschland belegt einen unehrenhaften letzten und 32. Platz dieser Statistik mit -21, da Die Mannschaft als Ranglistenerster ins Turnier ging (niemand weiß natürlich, warum, wenn man die Ergebnisse des letzten halben Jahres betrachtet) und 22. wurde. Man kann es also drehen und wenden, wie man will, die deutsche Mannschaft hat Historisches erreicht, leider etwas anders, als von vielen Berufsoptimisten erwartet. Ein Gutes hat die Geschichte: Bei der nächsten WM (und schon bei der nächsten EM 2020) wird Deutschland erstmals nicht als Favorit gehandelt werden. Entspannung pur also. Vorausgesetzt, Deutschland schafft die Qualifikation…

Das Favoritensterben kann weitergehen

Fast hätte sich die alte Weisheit bewahrheitet: Wer in der Vorrunde einer WM überzeugend spielt, scheidet in der k-o.-Runde alsbald aus. Nur 15 Sekunden fehlten den Japanern, um gegen Belgien in die Verlängerung zu gehen und die Sensation zu schaffen, aber beim letzten Konter sah man die Extraklasse der Roten Teufel. Ob jetzt gegen Brasilien Schluss ist? Nicht gesagt, vielleicht muss auch Neymar Jr. den bitteren Weg von Ronaldo und Messi in die fehlende Karrierekrönung nachfolgen. Geld allein macht eben nicht glücklich. Und sehr, sehr viel Geld auch nicht unbedingt.

Wenn es nicht politisch unkorrekt wäre, könnte man diese FIFA-WM ganz gut mit dem Lied von den zehn kleinen N… darstellen. In der ersten Strophe würde es dann heißen:

„Die Mannschaft wollte eigentlich die vielen Fans erfreu’n,                                                             doch Hummels traf den Ball nicht gut – da waren’s nur noch neun.“

Nach Polen noch acht, nach Argentinien noch sieben, nach Portugal noch sechs, nachSpanien noch fünf…und vielleicht heute Abend nach Englands Ausscheiden im Elfmeterschießen gegen Kolumbien nur noch vier. Mal sehen, wie es weitergeht und wer am Ende übrigbleibt. Kroatien, Frankreich, Brasilien oder Belgien? Eine der vier Mannschaften müsste es eigentlich diesmal machen. Aber vielleicht steigert sich Russland ja mit dem Heimvorteil in ungeahnte Höhen. Übrigens ist natürlich Unsinn, wenn behauptet wird, dass die Russen noch nie so weit in einem Turnier kamen. 1966 war erst im Halbfinale für die Sowjetunion mit dem genialen Lew Jaschin Schluss. Gegner war die deutsche Mannschaft um Beckenbauer, Haller, Seeler und Co, die dann im legendären Endspiel durch das Wembley-Tor Vizeweltmeister wurde. Das waren noch Zeiten…

Deutschland macht die Welt glücklich

Viel Schlechtes hat Deutschland über die Welt gebracht: Zwei Weltkriege, Dieter Bohlen und die Schande von Gijon. Da verblasst das wenige Gute: Ein paar Beethoven-Symphonien und die Erfindung des Fahrrades. Das ist aber auch schon wieder eine ganze Weile her. Nette Geste also unserer Nationalspieler, die Welt durch ihr frühes Ausscheiden ein bisschen glücklicher zu machen und mal nicht ins Endspiel vorzustoßen, wie einst Rommel in der Wüste. Schluss in der Vorrunde und wir durften es miterleben! Die Holländer tanzen in den Grachten, die Italiener essen eine Portion Pasta mehr (vom Rotwein wollen wir nicht reden), die Engländer glauben an den Titel, weil sie nicht im Elfmeterschießen verlieren und die Franzosen haben ihren Nationalfeiertag um drei Wochen vorverlegt. Nur die Russen sind traurig, weil die gut zahlenden Deutschen jetzt keine Privatzimmer mehr brauchen. Und Putin tröstete den eigentlich untröstlichen Schröder, der jetzt wieder parshipt, nachdem seine Neue nach dem Sieg ihrer Landsleute hektoliterweise Häme über ihm ausschüttete. Das kann sich kein Ex-Kanzler gefallen lassen.

Geht doch, denkt die Welt, so schlimm sind die Deutschen gar nicht…

P.S.: Ich würde zu gerne wissen, wem das kleine Mädchen, das am Frankfurter Flughafen auf Die Mannschaft wartete, ihr Stofftier geschenkt hat. So viel Liebe hat eigentlich niemand verdient. Aber vielleicht liegt ja in dieser rührenden Geste schon der Keim für den Deutschen Weltmeistertriumph im heißen Sand von Katar 2022!