Deutschlands „leichte Gruppe“

Wenige Monate nach dem doch etwas überraschenden Ausscheiden in der WM-Vorrunde in der „Todesgruppe“ gegen die Fußballgiganten Mexiko, Schweden und Südkorea jubeln alle selbsternannten Experten über die leichte Gruppe in der Qualifikation für die Europameisterschaft 2020. Die Mannschaft hat es ja nur mit den Niederlanden, Nordirland, Estland und Weißrussland zu tun!

Nur?

Über die Stärke der Niederländer braucht man sich keine Illusionen zu machen. Die Länderspielbilanz gegen unsere Nachbarn ist immer noch positiv (15 Siege, 16 Unentschieden, 11 Niederlagen bei 79:69 Toren) und gerade gegen Holland haben die deutschen Spieler noch eine Rechnung offen, nachdem ihnen, trotz zweier guter Spiele, die Boulevardpresse vor allem das 0:3 um die Ohren schlug. Dabei war man, bis auf die letzten zehn Minuten, durchaus auf Augenhöhe, wenn nicht sogar überlegen und im Rückspiel wurde der höchst verdiente Sieg erst in den letzten Minuten verschenkt. Egal, ob die Revanche gelingt oder nicht, es nehmen ja zwei Mannschaften aus jeder Qualigruppe an der aufgeblähten Meisterschaft teil. Aber sind Nordirland, Weißrussland und Estland wirklich so ungefährlich, wie ihr Fifa-Ranglistenplatz uns glauben machen will?

Nordirland, als 35. der aktuellen Fifa-Rangliste war immer ein unbequemer Gegner für Deutschland. Das 2:2 bei der WM 1958 hat zwar schon ein paar Jährchen auf dem Buckel, aber es gab z.B. auch noch 1996 bei der WM-Qualifikation nur ein 1:1. Und zuletzt bei der EM 2016 quälte sich das deutsche Team zu einem mühsamen 1:0-Sieg. Trotz der Gesamtbilanz von 11 Siegen, 4 Unentschieden und nur 2 Niederlagen bei 38:14 Toren gewinnt man gegen die Nordiren nicht im Vorbeigehen.

Gegen Weißrussland, auf Rang 76 gelistet, hat Deutschland die schlechteste Bilanz aller Gruppengegner: Noch nie wurde gegen diese Mannschaft gewonnen. Allerdings gab es gegen Belarus auch nur ein Spiel, welches Unentschieden endete. Aber wir sehen schon, dass auch die Weißrussen offensichtlich nicht nur Eishockey spielen können.

Die große Unbekannte scheint Estland zu sein, schnöder 96. in der Fifa-Computerliste. Für die makellose Bilanz der deutschen Nationalmannschaft von drei Siegen in drei Spielen bei 11:1 Toren kann sich Jogi Löw aber auch nichts kaufen, handelt es sich doch um drei Spiele aus den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts.

Fazit?

Alles machbar, aber wenn die Abwehr nicht stabilisiert wird, kann man auch gegen angeblich schwächere Mannschaften (wie gegen Österreich, Saudi-Arabien oder Südkorea) Tore kassieren. Der Absturz des deutschen Teams in der Weltrangliste von Platz 1 auf Rang 16 im Jahr 2018 ist ja kein Zufall. Ähnliches gab es zwar schon mal, als man von Platz 4 (2002) auf Platz 19 (2004) abstürzte, sollte aber nicht zur Regel werden.

Wenn man also nicht fahrlässig von einer „leichten Gruppe“ faselt und konzentriert zu Werke geht, müsste die verjüngte deutsche Mannschaft auch den ersten Platz erreichen können. Und bei der EM selber wären wir ja zum Glück seit langer Zeit erstmals nicht in der Favoritenschar dabei…

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