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Hertha und die Mathematik

Dass Hertha sich um die Bildung der jungen Generation kümmert, wussten die meisten von uns noch nicht. Zur Bildung gehört zwar nicht nur, aber auch die Mathematik, und wer es mit Hertha hält, muss seit Jahren rechnen, rechnen, rechnen.

Dabei ist ausnahmsweise nicht von der materiellen Misere die Rede, die sowieso nicht überblickt werden kann. Es geht um die Punkte, die die Mannschaft erspielt hat oder die eben meistens fehlen.

2020 musste man unter Labbadia bis zum Schluss rechnen, bis ein scheinbar solider 10. Platz erreicht wurde (wir reden von Liga 1, wohlgemerkt!). Unter Dardai wurde 2021 erst am vorletzten Spieltag die Rettung gesichert (14. Platz). Nach Dardais Ablösung durch Bobic, der seinem Kumpel Korkut eine Million zuschanzen wollte, konnte Magath 2022 mit Hilfe von Kevin Prince das Rechnen auch erst in der Relegation gegen den HSV beenden. Als der nette aber glücklose Sandro Schwarz übernahm, half alles Schönrechnen von wieder geholten Dardai („4 Spiele-4 Siege“) nichts mehr und die Mannschaft stieg 2023 als 18. ab.

Als man 2023 mit null Punkten aus drei Spielen in die zweite Liga startete, begann die Rechnerei erst richtig und hörte bis vor dem Spiel gegen Regensburg nicht mehr auf: Wie viele Punkte Rückstand haben wir auf Platz 2, wie viele auf den Relegationsplatz…? Und wenn Hertha fast oder wirklich in Schlagdistanz war (nur noch drei Punkte Rückstand), verloren sie mit Sicherheit gegen einen Gegner, der aus den letzten sieben Spielen nur einen mickrigen Punkt geholt hatte.

Das ist alles Schnee von gestern. Seit der Niederlage in Regensburg hat sich das mit dem Rechnen erübrigt. 10 Punkte Rückstand auf Platz 2 oder 3 sind nicht mehr aufzuholen! In 14 Spielen werden zwar noch 42 Punkte verteilt, aber Hertha müsste schon 30 (also 10 Siege!) Punkte holen, um noch eine Chance zu haben. Und das hieße, dass die zehn anderen Vereine, die vor Hertha stehen, nur noch 20-24 Punkte holen dürften, damit Hertha näherkommen könnte. Gegen einen oder zwei oder drei Vereine könnte man theoretisch einen solchen Rückstand aufholen, wenn man selber konstant spielte, was bei Hertha nicht der Fall ist. Gegen 10 Vereine diesen Rückstand aufzuholen, ist praktisch unmöglich. Deshalb können wir das Mathebuch beruhigt zuklappen, es ist sinnlos.

…es sei denn, Hertha startet heute gegen Kaiserslautern eine kleine Serie mit drei, vier Siegen. Wer weiß: Hat nicht mal jemand gesagt, alles ist möglich… ?

Offenbarungseid

Zwei Niederlagen in Folge können auch der Beginn einer Serie sein. Diese endet dann allerdings mit dem Abstieg in die dritte Liga. Auch dort sind mit 1860 München, Dynamo Dresden, 1.FC Saarbrücken, Arminia Bielefeld, Hansa Rostock, Alemannia Aachen und Rot Weiß Essen genug Traditionsmannschaften vertreten, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Und das Durchreichen in untere Gefilde haben schon so einige Mannschaften am eigenen Leibe erfahren müssen.

Gegen den HSV, einen Aufstiegsaspiranten, hatte man immerhin 40 Minuten (die ersten 15 und die späten 25) ansehnlichen Fußball gespielt. Gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten Regensburg wurden daraus streng genommen null Minuten. Statt um den Aufstieg spielt Hertha plötzlich um den Klassenerhalt.

Auch wenn Kontinuität das eigentliche Zauberwort für den Erfolg ist (Heidenheim, Freiburg, Bremen…), wenn man nicht gerade 100 Millionen auf dem Festgeldkonto hat (Hertha hatte mal 345 Millionen auf dem Konto!) scheint ein Nachdenken über den Verbleib des Trainers doch angebracht. Wer auch immer auf die schwachsinnige Idee kam, einen Trainer, der bis dato noch keinerlei Meriten errungen hatte, zu verpflichten, und dessen einzige Idee die des Ballbesitzes war, wird jetzt zugeben müssen, dass es so nicht mehr weitergeht. Eine Mannschaft, die beharrlich den Berliner Weg fortsetzt (Gersbeck, Maza, Gechter, Klemens, Scherhandt und Winkler in der Startelf!) und durch gute Spieler ergänzt wird (Cuisance, Leistner, Kenny, Zeefuik und Prevljak) muss erfolgreicher sein, als nach 20 Saisonspielen mittlerweile 12 Punkte hinter dem Aufstiegssoll hinterherzuhecheln.

Herr Fiél ist ein netter Mensch, ohne Frage, aber wenn ein spielerisch so starkes Mittelfeld mit Cuisance und Maza das Spiel nicht dominieren kann, wenn kein einziger der über 10 Eckbälle so etwas wie Gefahr für das Gegnertor schafft und wenn kaum ein Angriff den Weg zum Tor sucht, dann muss im Training etwas falsch laufen, ja, man fragt sich, was eigentlich im Training gemacht wird?

Mit Armin Reutershahn wurde vor einigen Tagen ein erfahrener Assistenztrainer vorgestellt. Was spricht eigentlich dagegen, dass ein Mann mit seiner Erfahrung das Training hauptamtlich übernimmt? Weniger Erfolg als jetzt mit Fiel würde er auch nicht haben.

Geht fuckin Kenny?

Herthas Rechtsverteidiger Jonjoe Kenny ist wahrscheinlich der einzige Mensch, der innerhalb eines kurzen Satzes dreizehn Mal das Wort „fuck“ unterbringen kann. Wer´s nicht glaubt, sehe sich die entsprechende Folge aus der 1. Staffel der Hertha-Doku an. „Fuck“ übrigens wie „Puck“ mit deutschem „u“ und nicht mit „a“ gesprochen, also eher schottisch, obwohl Kenny in Liverpool geboren wurde. Als waschechter Engländer spielte er in allen englischen U-Nationalmannschaften, wurde sogar U-Europa- und Weltmeister. Trotzdem konnte er sich bei einigen Leihen nicht für die Premier League qualifizieren.

Nach Anlaufschwierigkeiten bei Hertha in der ersten Liga entwickelte sich Kenny zu einem Stabilitätsfaktor in der oft so wackeligen Hertha-Abwehr, ohne allerdings fehlerfrei zu agieren. Oftmals zu weit von seinem Gegenspieler entfernt oder mit falschem Stellungsspiel beim Kopfball, ist er alles andere als ein perfekter Verteidiger. Seine Dynamik im Vorwärtsspiel und sein stets vertikal denkendes Aufbauspiel machen ihn allerdings zu einem wertvollen Spieler auf Herthas rechter Seite. Kenny hat in den 76 Spielen, die er für Hertha in der ersten und zweiten Liga eingesetzt war, 4 Tore geschossen und viele vorbereitet. Absoluter Höhepunkt war sicher sein mit unbändigem Willen erzielter Ausgleich zum 3:3 im Pokalspiel gegen den HSV in der 120. Minute.

Ein Ersatz für ihn ist nicht in Sicht, da das Talent Eitschberger ja an Rot-Weiß Essen verliehen wurde. Jetzt will Kenny in die zweite englische Liga zu Sheffield United wechseln. Sheffield steht auf dem zweiten Tabellenplatz und hat gute Chancen, in die Premier League, dem Traumziel aller Fußballspieler, aufzusteigen. Würde ihm Hertha den Wechsel verwehren, könnte es sein, dass sein Spiel in der Rückrunde etwas lustlos wäre? Aber Kenny und lustlos? Schwer vorstellbar. Andererseits läuft der Vertrag aus und Hertha bekäme im Sommer null Euro bei einem Wechsel, während jetzt ca. 1,5 Millionen (Ablöse und Gehaltseinsparung) in die klamme Kasse fließen würden. Eine schwere Entscheidung, die Herthas Verantwortliche zu fällen haben. Einerseits würden die minimalen Aufstiegschancen noch weiter verringert, andererseits sind diese Chancen so gering, dass es eigentlich kaum eine Rolle spielt, ob Hertha mit Kenny Sechster oder ohne ihn Zehnter werden würde.

Schwierig, schwierig.

Eins ist aber klar: Wenn Kenny gehen sollte, werden wir diesen ehrlichen Fußballarbeiter vermissen. Fuck.

Wie geht´s dem Berliner Weg?

Wie wir alle wissen ist der Berliner Weg kein Selbstzweck, sondern eine aus der Not geborene Strategie, um den Verein finanziell zu retten. Fredi Bobic verhöhnte den Fragesteller noch als vorgestrigen Romantiker, als dieser nach der Integration Berliner Talente in den Kader fragte.

Vor Gründung der Bundesliga spielten nur Berliner bei Hertha, genauso wie nur Hamburger beim HSV und Rheinländer beim 1.FC Köln spielten. Das änderte sich schnell, Hertha holte zum Bundesligastart 1963 erstmals drei „Westdeutsche“, um überhaupt ansatzweise konkurrenzfähig zu sein: Rehhagel, Klimaschewski und Rühl verstärkten das Team um die Berliner Tillich, Altendorff, Gross, Faeder etc. Der Klassenerhalt wurde so gerade als 14. von 16 Mannschaften erreicht, auch wenn für den vorentscheidenden Sieg gegen 1860 München am vorletzten Spieltag wohl 50.000 Mark an den Münchener Mittelläufer Alfons Stemmer gezahlt werden mussten.

Die Entwicklung ist bekannt: Wechsel innerhalb der Bundesliga von Stadt zu Stadt, bis zu zwei Ausländer pro Verein, später nach dem Bosman-Urteil beliebig viele Spieler aus der EU und schließlich die völlige Liberalisierung des Spielermarktes, der zwar eine Leistungssteigerung zur Folge hatte, oftmals aber auch nach 15 Spielertransfers pro Saison mit mangelnder Identifizierung der Fans mit ihrem Team einher ging.

Jetzt versucht Hertha zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Berliner Talente aus der eigenen Akademie verstärkt ins Team einzubauen spart viel Geld (Ablöse, Grundgehalt) und schafft Identität, was Kay Bernstein als einer der Ersten intensiv propagierte und konsequent durchzusetzen versuchte.

In der Abstiegssaison 22/23 wurden in der ersten Saisonhälfte mit Kevin Prince Boateng, Marton Dardai, Maximilian Mittelstädt, Derry Scherhant und Jessic Ngankam fünf Berliner eingesetzt. Allerdings kamen sie nur in 907 von 16.808 Spielminuten zum Einsatz, was bescheidene 5,4 % ausmacht.

In der zweiten Liga, nach Ausrufung des Berliner Wegs, erhöhte sich der Berliner Anteil in der Hinrunde 2023/24 auf 25 % (4.210 von 16.797 Minuten). Bence, Marton und Palko Dardai, Linus Gechter, Pascal Klemens, Robert Kwasigroch, Derry Scherhant und Marton Winkler waren die beteiligten Spieler.

Mit Trainer Christian Fiél kam nach Pal Dardai ein Trainer, der außer einer kurzen Episode in Köpenick mit Berlin nicht viel verbindet. Wie wirkt sich das auf den Berliner Weg aus? Viele Anhänger erwarteten ein Aufweichen des eingeschlagenen Kurses, aber weit gefehlt:

In der Vorrunde der laufenden Saison 2024/25 erhöhte sich der Einsatz Berliner Spieler sogar noch auf 34,6 %. Marton Dardai, Palko Dardai, Linus Gechter, Pascal Klemens, Boris Lum, Ibrahim Maza, Derry Scherhant und Marton Winkler spielten 5.830 von 16.828 Spielminuten. Zu berücksichtigen ist natürlich, dass ein gesunder Reese gesetzt wäre und Derry Scherhant sicher weniger Einsatzzeit bekommen hätte. Trotzdem scheint der Weg ganz im Sinne von Kay Bernstein und der Vernunft weiter verfolgt zu werden und nicht nur Feiertagsgequatsche zu sein.

Man wird auch in Zukunft nicht, wie in Bilbao oder San Sebastian, ausschließlich Spieler aus der Stadt oder der Region spielen lassen können. Ein Ziel von 50 % Einheimischen, die nicht eine Woche nach dem Wappenkuss den Verein verlassen, könnte Hertha aber durchaus anstreben. Als Alleinstellungsmerkmal im deutschen und internationalen Fußball wäre dies nicht nur für die Anhänger sondern auch für potentielle Werbepartner von Interesse.

Die entsprechenden Talente sind vorhanden. Berlin hat mehr Einwohner als Uruguay. Und Hertha muss ja nicht gleich an Weltmeisterschaften teilnehmen. Die Champions-League täte es ja mittel- bis langfristig auch…

Die Transferperiode und der Berliner Weg

Außer Gerüchten, die der leidende Smartphonebenutzer täglich in Massen auf seinem Gerät wegdrücken muss, gibt es bisher noch keine Erkenntnisse über etwaige Veränderungen im Herthakader.

Nun ja, zu einem guten Mittelstürmer der Sorte Tabakovic würde man nicht nein sagen. Ob Hertha mit einem solchen aber auch nur ein einziges Tor mehr geschossen hätte, bleibt fraglich. Denn die Grundlage für`s Toreschießen ist in den meisten Fällen die entsprechende Flanke bzw. der entsprechende Pass, der vom Goalgetter im Idealfall eiskalt versenkt wird. Wenn ein Scherhant, der in der Hinrunde eine ihm nicht zugetraute, fast schon sensationelle Entwicklung genommen hat, nicht flankt, wie einst Reese, sondern selber in den Strafraum eindringen will, könnte auch ein Tabakovic nur zusehen. Kurz und gut: Für mehr Tore wäre eine andere Spielidee und deren Umsetzung durch die Herren Berufsfußballer die Voraussetzung. Spiel über außen, wie es schon Otto Rehhagel (mit Erfolg) einstmals predigte und wie man z.B. gegen Kaiserslautern zu durchschlagendem Erfolg kam. Schuler erzielte als Mittelstürmer zwei Tore. Warum nicht öfter? Weiß es der Trainer? Wenn ja, warum ändert es sich nicht zum Positiven?

Im Prinzip ist die Mannschaft stark genug besetzt, um um den Aufstieg mitzuspielen. Dass das in dieser Saison sehr schwer werden dürfte, haben wir schon letztens mathematisch dargelegt, egal welche Spieler auf dem Platz stehen. Warum dann also Geld ausgeben und die Struktur des Kaders durcheinander bringen? Außer möglicherweise denkbaren Verkäufen oder Ausleihen von Spielern wie Bouchalakis, Christensen, Thorsteinsson, Dudziak oder Hussein müssen Veränderungen nicht unbedingt sein. Das Team ist auf allen Positionen mindestens doppelt besetzt und wenn die acht verletzten Spieler irgendwann vielleicht mal gesunden sollten, hat der Trainer sowieso die Qual der Wahl.

Aber wie man seine Pappenheimer so kennt, wird es in der letzten Januarwoche nochmal hoch hergehen. Hoffentlich besinnt man sich auf Kay Bernsteins Vermächtnis und denkt ab und an zum 1. Todestag noch an den Berliner Weg. Nachwuchsspieler stehen in Massen bereit…

Verheerende Zwischenbilanz

In der Rückrunde sind in 17 Spielen noch 51 Punkte zu holen. Will Hertha nach der – gemessen an den Ansprüchen – verheerenden Vorrunde noch tatsächlich aufsteigen, müssen davon etwa 38 bis 42 geholt werden. Das ergäbe zu den 22 Pünktchen der Hinrunde ca. 60 bis 64 Punkte. In den letzten Jahren hätten zum Aufstieg, d.h. zum 2. Tabellenplatz, gereicht: 61 (17/18), 58 (18/19), 59 (19/20), 65 (20/21), 64 (21/22), 68 (22/23), 64 (23/24).

42 Punkte entsprächen 14 Siegen aus 17 Spielen, was schon alleine die Schwere bis Unmöglichkeit der Aufgabe verdeutlicht.

Mit 6 bzw. 7 Punkten Rückstand auf Platz 3 bzw. 2 gegenüber 6 bzw. 8 Punkten Rückstand in der Vorsaison, als man immerhin mit „langweiligem“ Dardai-Fußball 25 statt 22 Punkten auf dem Konto hattte, tritt Hertha auf der Stelle der Mittelmäßigkeit. Wenn Hertha also den Hauch einer Chance auf einen möglichen Aufstieg hat, liegt dies einzig und allein an der fehlenden Konstanz der Gegnerschaft. 8 Punkte kann man gegen einen Verein aufholen, wenn man einen Lauf hat, gegen zehn vor einem stehende Vereine aber kaum.

Wenn sich alle Herthaner in der Silvesternacht viele, viele Punkte in der Rückrunde wünschen, wird die Rückkehr in die erste Liga vielleicht Wirklichkeit. Aber hat das Wünschen, auch das massenhafte, jemals etwas genützt?

Stilles Leiden

Neeeeiiiiiiinnnnnnnn!!!!!!!!!!!!!!! – möchte man schreien, aber selbst dazu fehlt einem die mentale Kraft, nachdem Hertha das fünfte von acht Heimspielen verloren hat. Es fällt einem nichts mehr ein und eigentlich müsste der Text hier enden.

Schauen wir trotzdem, auch wenn`s weh tut, nochmal genauer hin: Die erste Halbzeit gegen Preußen Münster, den Aufsteiger, der als Vorletzter nach Berlin zum Punkte-Abliefern kam, gehörte zu den besseren der Heimspiele in dieser Saison. Flottes Spiel, ein paar Chancen (allerdings hatte auch Münster zwei Großchancen), alles im Lot. Und dann kommt etwas, wie Ex-Erfolgstrainer Pal Dardai sagte, was man nicht trainieren kann, was insofern auch den aktuellen Trainer Fiél entlastet, nämlich ein individueller Fehler des jungen Pascal Klemens, der den Ball an der Strafraumgrenze kampflos dem Gegner überlässt. In bestimmten Ländern würde man von einem Geniestreich der Wettmafia reden, im Aufstiegsrennen der 2. Bundesliga allerdings nur von einem Anfängerfehler. Gerade Klemens, der bis dahin recht ordentlich auf der Sechs gespielt hatte, macht einen Fehler, der nur noch die FuWo-Gesamtnote 5 zulässt. Dass die Mannschaft allerdings nach dem Ausgleich zusammenbricht und nichts mehr auf die Reihe bekommt, ist unverständlich und vielleicht doch dem Trainer anzulasten. Dass kurz vor Schluss sogar der eine, mickrige Punkt verschenkt wird, nachdem nacheinander Zeefuik und Kenny Kopfballduelle verlieren, war eigentlich auch schon egal.

Wie ist die Lage? Mit 21 Punkten hinkt Hertha 8 Punkte hinter dem Aufstiegssoll hinterher. Vor einem Jahr, unter dem angeblich unmodern spielenden Dardai, waren es drei Punkte mehr, und, immer daran denken, mit einer zusammengestoppelten Truppe, während dieses Jahr eine eingespielte Mannschaft, verstärkt um Demme, Cuisance und Sessa an den Start ging (allerdings ohne Reese, Tabakovic und, mit Einschränkungen, Kempf) Der Rückstand auf die Plätze zwei und drei betrug vor einem Jahr 6 und 4 Punkte, jetzt jeweils 7 Punkte.

Trotzdem ist in dieser Chaossaison der Aufstieg nicht unmöglich. Allerdings müsste die Mannschaft endlich einmal konstant spielen und drei Spiele hintereinander gewinnen. Am besten sollte diese Serie schon am kommenden Sonntag in Hannover beginnen, um im Januar fortgesetzt zu werden, wenn vielleicht auch wieder einige Verletzte genesen sind. Dass dann, wenn man sich auf Schlagdistanz an die Aufstiegsplätze herangerobbt hätte, wieder ein Heimspiel gegen ein Team aus dem Tabellenkeller verloren wird, ist leider mehr als wahrscheinlich. Arme Hertha, noch ärmere Fans.

Alles wie immer

Natürlich hätte man es besser wissen können: Natürlich würde Hertha die Chance, ganz nahe an die Aufstiegsplätze heranrücken zu können, nicht nutzen. Obwohl es kein Heimspiel war! Auswärts gegen die schlechteste Heimmannschaft anzutreten und nach fünf Minuten in Führung zu gehen war offensichtlich mental für die Herthaner nicht zu verkraften. Sie stellten das Fußballspielen ein (wie vor allem in Heimspielen eigentlich immer nach zwanzig Minuten), was die Fürther offensichtlich verwirrte. Sie brauchten fünf bis zehn Minuten, ehe sie sich merkten, was läuft. Dann spielten sie sich auch eine Torchance nach der anderen heraus, bis dann der Ausgleich, natürlich aus einer Standardsituation heraus, fiel. Nach der Pause ging es genauso weiter und die 120 Minuten von Köln können eigentlich keine Rechtfertigung für den blutleeren Auftritt sein. Denn nachdem die Fürther in Führung gegangen waren (Niederlechner traute sich nicht, den Ball wegzuschlagen, weil er an die Elfmetersituation von Köln dachte), schafft es Hertha ja doch noch, den Gegner unter Druck zu setzen und sich drei, vier gute Chancen zu erspielen. Aber selbst Reeses Einwechslung nach einer guten Stunde reichte nicht mehr. Bei Reese konnte man bei jedem Ballbesitz die Angst, mindestens aber die Vorsicht spüren, nicht zu forsch in die Zweikämpfe zu gehen. Da gilt es noch eine alledings verständliche, mentale Sperre zu lösen, was mit jedem Einsatz besser gelingen sollte. Nur nichts überstürzen. Einen sehr guten Freistoß von Reese konnte man immerhin schon bewundern.

Jetzt kommt wieder ein Vorletzter ins Olympiastadion und man würde sich nicht wundern, wenn es ein zähes Spiel werden würde. Das muss Hertha allerdings gewinnen, ist doch die Bilanz in der „Aufstiegssaison“ kein Deut besser als unter Dardai, der mit einer nicht eingespielten, zusammengestoppelten Truppe nach 15 Spielen auch 21 Punkte auf dem Konto hatte. Damals hatte man allerdings 8 Punkte Rückstand auf den zweiten Tabellenplatz, in diesem Jahr nur fünf, was jedoch nicht an Herthas „Stärke“, sondern nur an der Schwäche der anderen Mannschaften liegt. Hoffen wir, dass es nach dem nächsten Heimspiel nicht wieder acht Punkte Rückstand sein werden…

Zum Glück auswärts

Zum Glück ist das nächste Spiel wieder auswärts! In Fürth kann Hertha am kommenden Sonnabend endlich (ENDLICH) im günstigsten Falle auf einen Aufstiegsplatz vorrücken. Gäbe es ein Heimspiel, wissen wir alle, was passieren würde: Hertha würde die Chance nicht nutzen, aus Gründen, die niemand versteht, und die man auch nicht verstehen kann. Aber in dieser verrückten Saison, wo nach dem 14. Spieltag genau drei Punkte zwischen einem Aufstiegsplatz und dem Tabellen-Elften liegen, wo also alles möglich ist, spielt Hertha auswärts die Gegner meist an die Wand. Und wenn das mal nicht klappen sollte, werden die Punkte mit Kampf und Wille geholt. Vier Siege bei zwei Unentschieden und nur einer Niederlage würden normalerweise die souveräne Tabellenführung bedeuten, wenn der Auswärtsbilanz nicht vier Heimniederlagen, bei einem Unentschieden und zwei äußerst wackligen Siegen (Regensburg und Braunschweig) gegenüberstehen würden.

Man kann mal wieder optimistisch in die Zukunft sehen und es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, dass am letzten Spieltag noch mehrere Mannschaften die Möglichkeit haben werden aufzusteigen. Aber erstmal würde es ja schon reichen, wenn man vor der kurzen Weihnachtspause in Schlagdistanz zum Aufstieg bliebe. Mit zwei Punkten Rückstand zum zweiten und dritten Tabellenplatz ist Hertha jetzt deutlich besser als in der Vorsaison, als es nach dem 14. Spieltag jeweils 8 Punkte Rückstand gab. Und dies, obwohl nur drei Punkte mehr auf dem Konto stehen. Anscheinend will niemand so recht aufsteigen. Wir wollen es aber und Fabian Reese will es mit Sicherheit auch. Ein Viertelstündchen auf dem Platz in Magdeburg und schon steht (fast) ein Assist zu Buche, köpfte er doch vor dem 3:1 den Ball in den Strafraum. Noch ein Novum: Zum ersten Mal klappte die Eckballvariante, nach der Leistner den Ball am kurzen Pfosten stehend mit dem Kopf verlängert, um ihn dann praktisch nicht verteidigen zu können. So ist einstmals Köln unter Hennes Weisweiler Meister geworden. Damals klappte die Variante allerdings zehn Mal in der Saison.

Kurzer Rückblick auf Herthas Nebel-Spiel-Helden gegen Barcelona von 1999. Zum 25-jährigen Jubiläum waren sie vor dem Heimspiel gegen Ulm im Stadion. Unklar allerdings, warum Ketil Rekdal nicht der Behauptung der Stadionsprecher widersprach, als Kapitän auf dem Platz gewesen zu sein. Rekdal spielte überhaupt nicht, ebenso wie der vorgestellte Ilja Aracic. Kapitän war Michael Preetz, wie man in einem Video vor dem Spiel auch sehen konnte. Will man etwa die Erinnerung an Preetz` Verdienste um den Verein eliminieren? Solche stalinistische Geschichtsfälschung stünde dem Verein nicht gut zu Gesicht. Hoffentlich war alles nur eine etwas schlampige Recherche…

Liefert Hertha gegen Ulm?

Hertha kann mit einem, eigentlich fälligen, Heimsieg gegen Aufsteiger SSV Ulm (Schwimm- und Sport Verein!!) die Schlagdistanz auf Aufstiegsplatz 2 verkürzen oder zumindest bei vier Punkten halten. Das ist bei 22 noch zu absolvierenden Spielen, also 66 zu vergebenden Punkten, definitiv nicht viel. Und da die Hoffnung immer zuletzt stirbt, also wenn man drei Spieltage vor Saisonende 10 Punkte Rückstand hätte, bleibt die Aufstiegshoffnung noch für einige Monate nicht völlig unrealistisch.

Außerdem wird jetzt sowieso alles ganz anders, weil Heilsbringer Reese zumindest wieder auf der Bank sitzen könnte. Und wenn Hertha nach 70 Minuten wider Erwarten doch zurückliegen sollte, wird Reese mit Sicherheit eingewechselt werden, auch wenn es aus gesundheitlicher Sicht kaum zu verantworten ist, einen Spieler, der vier Monate verletzt war und gerade einmal drei Trainingseinheiten mit der Mannschaft absolviert hat, in die Schlacht zu werfen.

Es kommt ja darauf an, wie Trainer Fiél in der Pressekonferenz betonte, Ideen zu entwickeln, um die Ulmer Fünferkette, die sich wahrscheinlich als eine 2xFünferkette erweisen wird, auszuspielen. Die Ideen kann man aber im ersten Kapitel des Fußballbuchs „Wie gewinne ich Spiele?“ schnell mal nachlesen: Tempo machen, über die Flügel spielen, wenige Fehlpässe machen und hinten bei Kontern aufpassen. Leider halten bei Hertha einige Spieler und einige Mitarbeitende aus dem Betreuerstab (Torwarttrainer) nur wenig von einschlägiger Literatur, weil das Zocken mit der Konsole mit Sicherheit mehr Spaß macht. Aber da könnte man ja schon mal üben, wie es, zumindest theoretisch, gehen könnte. Oder man fragt mal bei den Spielern nach, die vor genau 25 Jahren dem CF Barcelona im nebligen Olympiastadion ein achtbares 1:1 abrangen: Kiraly, Rehmer – van Burik – Sverrisson – Konstantinidis, Thom – A.Schmidt – Wosz – Michalke, Daei – Preetz. (eingewechselt: Veit und Herzog).

Den Namen nach eine gute, aber keine Übermannschaft. Und trotzdem erreichte man die zweite Runde der Champions-League. Fehler wurden minimiert und es hieß kämpfen, kämpfen, kämpfen. Wie viele Lichtjahre ist Hertha davon momentan entfernt?