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Was bringt Fiels Ballbesitzfußball?

Ahhhh! Ballbesitzfußball, falsche Neun, Schienenspieler, Umkehrfußball… wie unwichtig diese Begriffe und die entsprechende Umsetzung in der Wirklichkeit (aufm Platz) sind, hat Otto „der Große“ Rehhagel kurz und bündig erklärt: „Es gibt nicht modernen oder altmodischen Fußball, sondern nur erfolgreichen oder nicht-erfolgreichen Fußball“. Er spielte damals mit Libero und Manndeckung und wurde mit Griechenland Europameister. Die Laptoptrainer schäumten und Otto feixte sich eins.

Was hat das mit Hertha zu tun?

Pal Dardai wurde nicht mehr gebraucht, weil seine „Spielidee“ angeblich zu altbacken und unattraktiv sei! Was hat die Umstellung auf den modernen Fußball Fielscher Art gebracht, denn wir dürfen nicht vergessen, dass der Herr, der Dardai abschoss und Fiel holte, den Aufstieg ja schließlich als „alternativlos“ bezeichnet hat.

Nach sieben Spieltagen hatte Hertha vor einem Jahr 9 Punkte mit einer zusammengewürfelten Mannschaft, die mitten in der Findungsphase war. Heute sind es mit einem weitgehend eingespielten Team, mit einigen guten Ergänzungen (Demme, Cuisance) 10 Punkte. Allerdings lag man vor einem Jahr nach sieben Spieltagen jeweils 4 Punkte hinter dem 2., bzw. 3. Tabellenplatz zurück. In dieser Saison sind es jeweils 5 Punkte!

Die Punktezahl sagt aber nur bedingt etwas aus. Sehen wir doch mal spaßeshalber auf die Gegner damals und heute im Einzelnen (erste Zahl-aktuelle Saison, zweite Zahl Saison 23/24):

Heimspiele:

Paderborn 1:2 – 3:1

Regensburg 2:0 – 0:0 (Osnabrück)

Düsseldorf 0:2 – 2:2

Elversberg 1:4 – 5:1

Auswärtsspiele:

HSV 1:1 – 0:3

Kaiserslau. 4:3 – 2:1

Nürnberg 2:0 – 1:3

Es stehen also drei Heimpunkte aus vier Spielen (!) acht Heimpunkte unter der ach so langweiligen Spielidee Dardais gegenüber. Auswärts allerdings sieben Punkte gegenüber drei im vorigen Jahr.

Fazit: 10 Punkte in der laufenden „Aufstiegssaison“ gegenüber 11 Punkten in der Findungssaison. Irgendwas läuft da schief, Herr Herrich!

Wochen der Wahrheit

Nach dem grandiosen Auswärtssieg in Kaiserslautern ist alles angerichtet: Bei einem Sieg gegen Fortuna Düsseldorf mit zwei Toren Differenz kann Hertha die Rheinländer überholen und im günstigsten Falle die Tabellenspitze übernehmen. Auch wenn Hertha bisher erst in drei von acht Halbzeiten wie ein Spitzenreiter auftrat, zeigt die Tendenz eindeutig nach oben. Nach beiden Auswärtsspielen der noch jungen Saison (und dem Pokalspiel!) kann man sich eigentlich nicht vorstellen, dass Hertha nicht mindestens um den Aufstieg mitspielt. Die Spiele gegen Düsseldorf und anschließend in Nürnberg werden zeigen, wohin die Reise geht. Bisher war es ja meist so: Schönes Wetter, ein vollbesetztes Stadion und Optimismus bei allen Zuschauern – und Hertha wurde dem gefühlt in 90 Prozent aller Spiele nicht gerecht. Aber vielleicht gehört das Spiel gegen die Fortuna in diesem Jahr ja zu den anderen 10 Prozent.

Wenn anschließend in Nürnberg, wo Trainer Fiél ja noch einen Großteil der Spieler kennt, nicht verloren wird, könnte sich Hertha erstmal oben festsetzen. Und wenn dann noch ein gewisser Fabian Reese und ein Kevin Sessa zur Mannschaft stoßen, hat Fiél ein wirkliches Luxusproblem.

Jetzt müsste nur noch ein Gönner 70 Millionen spendieren, um die Anteile der Hertha KGaA zurückzukaufen, wie es die Hertha-Ultras etwas blauäugig fordern. Bei 50.000 Mitgliedern müsste jeder nur 1400 € spendieren und die Anteile wären in Mitgliederhand. Ich wäre bei dieser Fußball-“Genossenschaft“ dabei, fürchte aber, dass die Mehrheit finanziell überfordert wäre oder doch ein viertel Liter blauweißes Herzblut fehlt. Überhaupt Blut: Mit ein bisschen Blutspenden, wie einstmals bei einem Köpenicker Verein, als dieser kurz vor der Pleite stand, wäre es nicht getan. Dazu haben die früheren Verantwortlichen von Schiller über Klinsmann bis zu Bobic den Karren viel zu tief in den Dreck gefahren…

Neues zum Berliner Weg

Die Herthafans sind sich einig: Der vom verstorbenen Präsidenten ausgerufene Berliner Weg ist alternativlos. Einerseits aus finanziellen Gründen, andererseits ist er identitätsstiftend, was eine ungeahnte Einigkeit aller Herthaner zur Folge hat.

Wie steht es aber mit dem Berliner Weg nach dem Aus für Trainer Dardai, der in der letzten Saison so viele junge Wilde aus der Hertha-Akademie einsetzte? Geht der neue Trainer Fiél diesen Weg weiter?

Ein paar statistische Daten können erste Hinweise zur Beantwortung der Frage geben.

Die Fußball-Woche veröffentlicht am Saisonende immer nicht nur die Anzahl der absolvierten Spiele, sondern auch die Einsatzzeiten nach Minuten aller Herthaspieler. Wir rechnen mal kurz: 11 Spieler x 90 Minuten x 34 Spieltage = 33.660 Minuten. Auswechselspieler sind da inbegriffen, denn es stehen ja stets nur 11 Spieler auf dem Platz (es sei denn, es gibt einen Platzverweis, aber diese wenigen Minuten kann man vernachlässigen). Nachspielzeiten werden nicht mitgerechnet.

In der vorigen Saison 2023/24 standen Bence, Marton und Palko Dardai, Linus Gechter, Marius Gersbeck, Tim Hoffmann, Pascal Klemens, Ibrahim Maza, Tony Rölke, Derry Scherhandt und Marton Winkler 9828 Minuten auf dem Platz. Das ergibt eine Quote von 29,2 %. Das erscheint weniger als man rein gefühlsmäßig gedacht hatte. Aber die Stammspieler Reese, Tabakovic, Ernst, Kempf, Kenny und andere sind nun mal nur gelernte aber nicht gebürtige Berliner.

Überraschung: In den ersten drei Spielen der neuen Saison wurden 39,2 %, 32,2 % und 40,3 % , also im Durchschnitt 37,4 % Berliner Spieler eingesetzt. Wer hätte das gedacht! Wenn jetzt statt Kempf in Zukunft Marton Dardai oder gar John Anthony Brooks spielen sollten, würde die Berlin-Quote weiter steigen.

Fazit: Wir sind auf einem guten Weg, denn der Einsatz der Berliner Spieler wird über kurz oder lang erfolgreich sein.

Was die meisten übrigens gar nicht mehr wissen: Den Berliner Weg gab es schon mal, nur wurde er nicht so genannt: In der Saison 2002/03 hatten Paule Beinlich, Christian Fiedler, Michael Hartmann, Alexander Madlung, Thorben Marx, Zecke Neuendorf, Marco Rehmer, Andi Schmidt und René Tretschok 29,4 % der Hertha-Einsatzminuten. Und dass diese Mannschaft, ergänzt mit Kiraly, Marcelinho und anderen nicht erfolgreich war, kann wirklich niemand behaupten…

Allgemeine Ratlosigkeit

Das Gute zuerst: Nach dem dritten Spieltag der 2. Bundesliga liegt Hertha vor dem HSV und in Schlagdistanz (3 Punkte Rückstand) zu Aufstiegsplatz 2 und Relegationsplatz 3. Das Schlechte ist aber: Von sechs Halbzeiten konnte bisher nur eine, nämlich die zweite Hälfte beim HSV, als Hertha den Dino an die Wand spielte, überzeugen. Selbst gegen die bemühten, aber biederen Aufsteiger aus Regensburg hat Hertha nur in den ersten fünf und den letzten zehn Minuten (da aber nach dem Platzverweis in Überzahl) Dominanz ausüben können. Dass dann doch noch zwei Tore, beide nach Torwartfehlern, fielen, könnte allerdings auch heißen, dass Hertha Aufstiegskandidat bleibt. Denn wer solche extrem schwachen Spiele, die auch für den geneigten Fan eine Zumutung darstellen, noch gewinnt, hat eine große Chance oben mitzuspielen.

Der Ballbesitz von 64 %, die gute Passquote von 85 % und die absurd hohe Anzahl gespielter Pässe (509 : 284) gaukeln Überlegenheit vor, die im Spiel nicht bestand. Die Zahlen sind vor allem darauf zurückzuführen, dass die Innenverteidiger Kempf und Gechter in Zusammenarbeit mit Torwart Ernst sich den Ball aus Gelassenheit, Unfähigkeit bei der Spieleröffnung oder taktischer Anweisung teilweise minutenlang zupassten, obwohl sie vom Gegner teilweise überhaupt nicht unter Druck gesetzt wurden. Wenn nach zehnmaligem Hin und Her der Ball doch zum Torwart gespielt wurde und ein Regensburger sich bequemte auf diesen zuzulaufen, folgte sieben Mal im Spiel ein Notabschlag zum Gegner. D.h., dass der Gegner den Ball hatte und sein Spiel aufziehen konnte, was er bedeutend zielstrebiger als Hertha tat. Der Trainer müsste diese Zumutung verbieten, es sei denn, man führt hoch und will das Ergebnis über die Zeit retten. „Zeit von der Uhr nehmen“, wie es genauso modern wie unsinnig seit einigen Jahren heißt.

Das Fazit bleibt also immer noch bestehen: Der Trainerwechsel hat sich, wie von den meisten Fans und Dardai-Anhängern auch erwartet, bisher nicht ausgezahlt, wenn man spielerischen oder taktischen Fortschritt erwartet hätte. Man hat zwar vier statt null Punkten nach drei Spieltagen auf dem Konto, verfügte aber jetzt über eine eingespielte Truppe, die es vor einem Jahr nicht gab.

P.S.: Kempf soll angeblich nach Italien wechseln. Vierfacher Gewinn für Hertha: Ablösesumme, nicht mehr auf der Gehaltsliste, mit Marton Dardai wäre der Berliner Weg wieder stärker vertreten und das gefährliche, unsägliche Ballgeschiebe vor dem eigenen Strafraum hätte vielleicht ein Ende. Ich würde Kempf keine Träne nachweinen.

Das könnte was werden

Fünf Tore im Pokal ohne Reese und ohne, dass Tabakovic getroffen hat. Was wird eigentlich, wenn beide wieder in alter Frische dabei sind? Bei Reese kann das noch dauern und bei Tabakovic auch, weil er doch von Flanken abhängig ist, und die kann offenbar außer Reese niemand aus dem auch nach Eitschbergers Ausleihe nach Essen immer noch aufgeblähten Hertha-Kader schlagen. Aber so geht`s ja offensichtlich auch: Wenn Zeefuik weiterhin Steckpässe der Extraklasse (vor dem 2:1) spielt, Maza sicher vollstreckt, Winkler seine Schnelligkeit beim Konter ausspielen kann, Niederlechner eiskalt abstaubt und Scherhandt sich nicht verfummelt, sondern geistesgegenwärtig einschießt, dann kann Tabakovic auch weiter an Pfosten (gegen Paderborn) oder Latte (gegen Rostock) schießen. Aber Fluppe wird schon wieder treffen, wenn er denn bei Hertha bleibt, was aber momentan ganz gut aussieht. Überhaupt ruht der Transfersee still. Gut so. Noch drei, vier Ausleihen oder Transfers und ein aufstiegsfähiger Kader steht. Aber den hatte der HSV in den vergangenen sechs Jahren auch. Um den Aufstieg mitzuspielen, heißt nicht am Ende auch wirklich aufzusteigen.

Die zweite Halbzeit im Spiel gegen den HSV offenbarte, dass vieles möglich ist. Man kann sich kaum erinnern, dass Hertha einen starken Gegner auswärts so an die Wand gespielt hat, wie Hertha in der zweiten Halbzeit den HSV. Der Ausgleich kurz vor Schluss war folgerichtig.

Was heißt das für das kommende Heimspiel gegen Jahn Regensburg? Gar nichts! Dass die Regensburger Fußball spielen können, haben sie im Pokalspiel gegen Bochum gezeigt. Als einzige einen Bundesligisten zu eliminieren, kommt nicht aus heiterem Himmel. Ein Sieg ist aber Pflicht, wenn man in der Hochrechnung (30 Punkte bis zur Winterpause) nicht aussichtslos zurückfallen will. Und Druck hat Hertha in der Vergangenheit nicht immer vertragen. Aber seien wir optimistisch. Am Sonnabend kommt der erste Dreier.

Herthas Spar-Kader

Eigentlich ist es mir ganz recht, dass es in dieser Transferperiode statt 40 (wie im Vorjahr) erst ca. 20 Bewegungen gegeben hat. Nun gut, bis zum 31. August ist noch genug Zeit, um die schöne Bilanz zu versauen, aber im Großen und Ganzen scheint Herthas Kader fix zu sein. Der Vertrag mit Aymen Barkok lief aus und wurde glücklicherweise nicht verlängert. Der ewige Peter Pekarik wird offenbar trotz großer Europameisterschaft seine Karriere doch beenden, obwohl es anderslautende Äußerungen gab. Torwart Robert Kwasigroch wurde nach Düsseldorf verliehen, obwohl er dort sicher nicht mehr Spielpraxis als bei Hertha sammeln kann. Bence Dardai versucht sein Glück in Wolfsburg. Wohl bekomm`s. Der schon verliehene Suat Serdar wurde für ein paar Milliönchen sogar nach Verona verkauft, unterm Strich natürlich mit Verlust, aber das mehrere-Millionen-Gehalt wird eingespart. Augustin Rogel kann sein Glück durch eine Leihe nach Porto Alegre in der Nähe seiner Heimat versuchen. Verliehen, weil sie niemand kaufen will, wurden auch Wilfried Kanga nach Cardiff und Kelian Nsona nach Emmen. Tony Rölke ging nach Holland und Nachwuchstalent Tim Hoffmann soll ein Jahr Spielpraxis bei Erzgebirge Aue sammeln. Das könnte klappen.

Als Zugänge sind einige gestandene Spieler zu vermelden, die Hertha im besten Falle sofort helfen können und einige Jungspunde aus der Akademie, die eher bei Dardais nächster Trainermission eine Chance bekommen werden.

Julian Eitschberger kommt von seiner Ausleihe zurück und verstärkt die Außenverteidiger-Position. Luca Schuler aus Magdeburg wird Ergänzungsspieler im Angriff bleiben, es sei denn Tabakovic geht.

Kevin Sessa aus Heidenheim soll auf der 8 oder 10 das Mittelfeld kreativ bereichern. Für Michael Cuisance, der aus Osnabrück kam, gilt das gleiche. Königstransfer Diego Demme zeigte in den ersten beiden Spielen bereits, dass er der von den Mitspielern stets gesuchte Sechser ist, der Toni Kroos für Arme. Ansonsten bekam Oliver Rölke einen Vertrag bis 2027 und die Nachwuchsspieler Julius Gottschalk, Selim Telib und Lius Trus sind auf der Hertha-Website ebenfalls als Kadermitglieder genannt.

Ebenfalls dort noch gelistet ist Mysiane Maolida, der doch eigentlich schon im Nahen Osten sein Glück versuchen soll.

Insgesamt umfasst das gesamte Team also 35 Akteure, die alle Geld verdienen, ob wenig (wobei die Frage ist, ob ein sechsstelliges Jahresgehalt als wenig bezeichnet werden kann) oder viel, d.h., mehr als eine Million im Jahr wie bei Kempf, Kenny, Reese, Tabakovic, Demme und vielleicht noch einigen anderen. Ein Sparkader, der unter Berücksichtigung der immer noch katastrophalen Finanzlage Herthas eigentlich ganz anders, nämlich bedeutend kleiner aussehen müsste, ist das sicher nicht. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Hertha Ende 2025 die 40-Millionen-Anleihe zurückzahlen muss. Insofern wird die Aussage von Tom Herrich verständlich, der den Aufstieg als alternativlos bezeichnete. Ohne die Fernsehmillionen aus der ersten Liga droht weiterhin die Insolvenz. Aber eventuell verlassen ja in den kommenden 14 Tagen noch einige Großverdiener das noch nicht gesunkene Hertha-Schiff. Die zweite Halbzeit gegen den HSV machte wieder Mut, dass Hertha zumindest um den Aufstieg mitspielen kann. Das machte der HSV übrigens auch in den vergangenen sechs Spielzeiten…

Jeder hat zwei Chancen

In der vorigen Saison hat Hertha beide Spiele gegen den SC Paderborn gewonnen. Mit dem neuen Aufstiegstrainer, der den „erfolglosen“ Pal Dardai ablöste, gab es gegen denselben Gegner einen klassischen Fehlstart. Voriges Jahr hat man, mitten im Transferchaos mit 40 Transferbewegungen, nach ordentlichem Spiel knapp mit 0:1 in Düsseldorf verloren. Jetzt hat Hertha mit einer, erstmals seit Jahren, eingespielten Mannschaft, in der sich nur zwei neue Spieler in der Anfangsaufstellung befanden, völlig orientierungslos gespielt und nicht unverdient verloren. Ja, könnte man sagen, wenn Tabakovic Mitte der ersten Halbzeit die Einladung angenommen und statt des Pfostens zum 1:0 getroffen hätte…Hat er aber nicht. Chancen Mangelware, keine Flanke fand den Knipser Tabakovic, Kenny offensiv nicht vorhanden, Kempf mit Glück, dass er nicht nach 30 Minuten mit Gelb-rot vom Platz flog, Winkler ein Schatten seiner selbst. Einzig Gechter stand fehlerlos in der Innenverteidigung und Neuling Demme verteilte als Taktgeber in der ersten Halbzeit klug die Bälle, wirkte aber nicht ganz austrainiert, während Cuisance noch ein Fremdkörper war. Alles in allem eine große Enttäuschung, wenn man die selbsternannten Ziele bedenkt und Herrn Herrichs Worte von der Alternativlosigkeit des Aufstiegs im Hinterkopf hat. Herrich war ja wohl der größte Kritiker von Dardai. Schlechter wäre Hertha mit einem Trainer Dardai, der ja die Mannschaft in der letzten Saison geformt hatte, bestimmt nicht in die neue Saison gestartet. Aber seien wir gerecht: Nach einem Spiel den Stab über dem neuen Trainer Fiél zu brechen, wäre unsportlich. Schon in Hamburg am kommenden Freitag kann er mit seiner Mannschaft zeigen, dass man zu den Aufstiegskandidaten zählt, indem man die fest eingeplanten drei Paderborn-Punkte beim HSV zurückholt, um die 30-Punkte-Hürde in der Hinrunde doch noch zu überspringen. Und selbst wenn nicht: Die Saison ist ja, wie wir alle wissen, ein Marathon. Irgendwann allerdings, spätestens um den zehnten Spieltag herum, wird man sich auf den Weg in Richtung Aufstieg machen müssen. Wenn nicht, wird Dardai seine vierte Amtszeit antreten wollen?

Nach der EM

Nach der Europameisterschaft, sorry: „UEFA Euro 2024“, ist vor der 2. Bundesliga. Eigentlich ist die EM ja noch gar nicht richtig vorbei, schließlich müssen die Spanier ja noch den Pflichtsieg gegen die Engländer eintüten, aber gefühlt ist der Hype nach dem unglücklichen Ausscheiden Deutschlands ein paar Grade runtergefahren.

Kümmern wir uns also um wichtigere Sachen. In genau drei Wochen startet Hertha um mittägliche 13 Uhr in die zweite Zweitligasaison am Stück. Das gab es seit den Neunzigerjahren des vorigen Jahrtausends nicht mehr, ist also mehr als 25 Jahre her. Was soll`s: Die letzte Saison in der zweiten Liga war unterhaltsam wie lange nicht und der Lieblingsgegner aus Gelsenkirchen wurde mit 5:2 abgefrühstückt. Da kann man also von einer gelungenen Saison sprechen, verpasster Aufstieg hin oder her.

Für den außenstehenden Anhänger ist es natürlich von Interesse, ob der Kader samt Trainerteam aufstiegsbereit sein wird. Es gab zwar schon zehn Kaderbewegungen, aber man hat das Gefühl, dass das noch lange nicht das Ende der Fahnenstange ist, ja, dass die Transferbewegungen noch nicht richtig begonnen haben.

Es gingen Aymen Barkok (Vertrag nicht verlängert), Bence Dardai, Peter Pekarik (neuerdings wieder unklar, vielleicht hängt der beste EM-Spieler der 2. Liga noch ein Jährchen dran), Suat Serdar (war ausgeliehen) und Tony Rölke (SC Cambuur in den NL) sowie Tim Hoffmann (Leihe nach Aue) und es kamen bisher Luca Schuler (aus Magdeburg, Angriff), Kevin Sessa (aus Heidenheim, Mittelfeld), Michael Cuisance (aus Osnabrück, Mittelfeld) sowie Diego Demme (aus Mailand, Mittelfeld) und Eitschberger (Abwehr, aus der Leihe zurück).

Die Stärkung des Mittelfeldes scheint richtig und wichtig, denn die chaotischen Abwehrleistungen waren ja zu einem nicht geringen Teil auf die Fehler im Mittelfeld zurückzuführen.

Im Abgangsgespräch sind nach wie vor Rogel, Kempf, Marton Dardai, Kenny, Hussein, Bouchalakis, Scherhandt, Tabakovic, Maza, Reese sowie Kanga, Nsoma und Maolida. Wenn von diesen 13 nur die Hälfte das Weite sucht, müssen mindestens vier bis fünf Neue kommen.

Dann sind wir schon wieder bei zwanzig Transferbewegungen. Ist das die neue Kontinuität? Aber vielleicht muss es ja sein, die sportliche Leitung ist näher dran als wir und wird sich schon etwas dabei denken. Hofft man! Genau wie beim Trainerwechsel.

Wenn Hertha zumindest um den Aufstieg mitspielt, wurde alles richtig gemacht. Momentan fehlt ein bisschen der Glaube. Also einfach abwarten, was der August und der September bringen. Danach können wir weiter meckern…

Der ewige Pekarik

Am vorletzten Spieltag der vergangenen Zweitligasaison wechselte Pal Dardai, der alte Menschenfänger und Psychologe, Peter Pekarik in der 84. Minute ein. Es war sein fünfter Kurzeinsatz in der Saison, der zu den 211 Spielen, die er für Hertha zwischen 2012 und 2024 in zwölf Jahren bestritt, hinzukam. Die Ostkurve ehrte ihn mit dem Banner „Die Nr. 2 auf dem Rücken – die Nr. 1 in unseren Herzen“. Hört sich sentimental-kitschig an, ist aber genau angemessen, bei einem Spieler, der sich nie in den Vordergrund spielte, den man noch nie in einem Interview gehört hat, der immer zuverlässig war und einfach dazugehörte.

Dieser Peter Pekarik, der in der zweiten Liga nicht mal mehr erste Wahl war, spielt bei der sogenannten UEFA Euro 2024 ein großartiges Turnier. Man fragt sich als Herthaner unwillkürlich, warum jemand, der Zweikämpfe gegen De Bruyne und Bellingham gewinnt, nicht gut genug für die 2. Liga sein soll? Die Krönung seines Schaffens war der Fast-Ausgleich in der 105. Minute des Achtelfinalspiels gegen England. Der Reporter konnte es nicht fassen. 37 Jahre alt und spult sein Pensum mit Verlängerung wie ein alter VW-Käfer ab. Mit dem Unterschied, dass er nicht rostet.

Im Internet steht viel Mist, aber es ist annähernd glaubhaft, dass Peter Pekarik, wie dort vermeldet wird, einen kleinen Rückzieher vom Rücktritt machen könnte und noch ein Jahr bei Hertha dranhängt, zumal das Bleiben von Jonjoe Kenny noch längst nicht sicher ist. Der Rücktritt vom Rücktritt wäre die erste Extravaganz, die sich Pekarik in seinem Leben erlauben würde. Dem normalsten Spieler aller Profiligen in Deutschland würde das niemand übelnehmen. Los, Peter, mach et…

Hohes EM-Niveau – mit Ausnahmen

Das Niveau bei der Euro 24 ist erfreulich hoch, sowohl was die Spiele der deutschen Mannschaft (mit Einschränkungen), aller übrigen Spiele (mit Ausnahmen: England, Italien, Belgien…) und der Schiedsrichterleistungen angeht. Bei letzteren sei aber auf zwei genauso bemerkenswerte wie entscheidende Fehlleistungen hingewiesen:

Beim Spiel Kroatien gegen Italien führte Kroatien lange mit 1:0, was deren Qualifikation für die K.o.-Runde bedeutet hätte. Nach 7 Minuten und 18 Sekunden der Nachspielzeit erzielten die Italiener gegen irrsinniger Weise aufgerückte Kroaten den Ausgleich und kegelten diese damit aus dem Turnier. Die Frage bleibt: Warum gab es acht Minuten Nachspielzeit? Handelte es sich um ein Missverständnis in der Kommunikation von Schiedsrichter und 4. Offiziellem? Es gab keine Verletzungsbehandlungen, kein auffälliges Zeitspiel und die Dauer der Unterbrechung beim Videobeweis beim Elfmeter für Kroatien betrug genau 2 Minuten und 15 Sekunden. Wenn man vier Minuten für die diversen Wechsel dazugibt, ist man bei sechs Minuten Nachspielzeit, und der Ausgleich wäre nie gefallen. Was das Verrückte auf die Spitze treibt, ist die Tatsache, dass nach dem Tor und der italienischen Jubelarie die fehlenden 42 Sekunden nicht mehr gespielt wurden und der fällige Anstoß den Kroaten gestohlen wurde. Streng genommen ein Regelverstoß wie einstmals in der Relegation zwischen Düsseldorf und Hertha.

Eine zweite, noch eindeutigere Fehlleistung gab es im Spiel der Türkei gegen die Tschechen. Nachdem ein Spieler der Tschechen frühzeitig (berechtigt) mit Gelb-Rot zum Duschen geschickt wurde, wurde gleiches bei einem türkischen Spieler, der sich eine Minute nach Erhalt einer gelben Karte einen Ellbogenschlag gegen einen tschechischen Spieler leistete, nicht bestraft. Folgenschwer: Mit zehn gegen elf kämpften die Tschechen zwar wie um ihr Leben und erzielten noch das 1:1, der Siegtreffer, der das Weiterkommen und gleichzeitig das Aus der Türkei bedeutet hätte, wollte aber nicht fallen. Bei 10 gegen 10 wäre es ein ganz anderes Spiel mit großer Gewinnchance für Tschechien geworden. Absurd die Tatsache, dass der Schiedsrichter insgesamt fast 20 gelbe, gelbrote und rote Karten verteilte, an Spieler, Ersatzspieler, Trainer und am liebsten auch an zu vorlaute Kinder. Die einzige Gelbe Karte, die das Spiel entscheidend beeinflusst hätte, gab er nicht, übersah das Foul vollständig und gab Einwurf (von den fast alle falsch ausgeführten Einwürfen in allen Spielen wollen wir hier nicht reden).

Dass der VAR beim Ellbogenschlag (angeblich) nicht eingreifen DURFTE, macht den Wahnsinn nur noch kompletter, wenn man bedenkt, dass er sich meldet, wenn ein Spieler drei Zentimeter beim Elfmeter zu weit vorne steht.

Wie gesagt: Die Leistungen sind bei dieser EM erfreulich hoch, leider nicht immer…