Archiv der Kategorie: Nationalmannschaft

Finale dahoam…

Das ist doch mal was Positives: Die deutschen Nationalspieler müssen das Endspiel der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft nicht im fremden Russland ansehen oder gar bestreiten, sondern können es sich vorm heimischen Großbildfernseher oder am Pool im Ferienhaus in Florida gemütlich machen. Wenn sie denn noch Bock auf Fußballgucken haben. Wo wir gerade bei den positiven Aspekten der frühen deutschen Heimreise sind: Immerhin haben wir drei WM-Punkte mehr als Holland und Italien zusammen geholt! Man muss auch die stillen Siege genießen können.

Aber wer wird denn nun Weltmeister, wenn nicht Die Mannschaft? Alle großen und ehemaligen Weltmeister sowie die üblichen Geheimfavoriten sind noch dabei, von Polen vielleicht abgesehen, aber wer hätte schon ernsthaft mit Polen gerechnet, wo sich ein Lewandowski doch mehr mit seinem bevorstehenden Vereinswechsel als mit Toreschießen beschäftigte. Brasilien in der Form des Serbienspiels ist sicher erster Kandidat. Spanien und Portugal in der Form des Spanien-Portugal-Spiels sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. Frankreich und Argentinien spielen gegeneinander, einer kommt also durch aber mehr ist nach den bisherigen Leistungen nicht zu erwarten. Und dass man sich während eines Turniers steigert, trifft ja nur auf die deutsche Mannschaft zu und die darf sich gemeiner Weise nicht mehr steigern. Kroatien ist von allen Nicht-Weltmeistern wohl der ernsthafteste Kandidat auf den Titel, denn an Schweden und Südkorea glauben nur die eingefleischtesten Anhänger der Mannschaften. Zu England ist alles schon mal gesagt worden und zu Belgien in seiner Rolle als Geheimfavorit ebenfalls. Möglich ist leider alles. Bleiben noch Japan, Kolumbien und der Senegal, für die aber spätestens im Halbfinale, wenn überhaupt erst dort, Schluss ist.  Ergo: Kroatien mit Superspieler Luca Modric könnte es schaffen. Denn der sechste Stern für Brasilien wäre doch genauso langweilig, wie die 29. Meisterschaft für den FC Bayern…

 

P.S.: Apropos FC Bayern: Einen negativen Beigeschmack hat das Ausscheiden der deutschen Mannschaft übrigens auch noch:  Nach dem Weltmeistertitel 1974 wurde Bayern München 74/75 nur Zehnter. Nach dem 1990-er Erfolg wurden sie hinter dem jetzigen Drittligisten 1.FC Kaiserslautern auch nur Zweiter. Nur 2015 wurde man trotz des vorher errungenen Weltmeistertitels auch Meister. Wenn es die Mannschaft bis ins Endspiel geschafft hätte, gäbe es zumindest die Chance, die siebente Meisterschaft der Bayern in Folge zu verhindern. Nun aber…

Bonus für Stars

Seit wann wird ein Ellbogenschlag ins Gesicht mit einer gelben Karte geahndet? Seit gestern. Und wenn der Schläger Christiano Ronaldo heißt. Natürlich kann man frustriert sein, wenn man gerade seine Unfehlbarkeit eingebüßt hat, weil man einen Elfmeter im Stile eines Engländers verschossen hat. Trotzdem gibt es ja den Videobeweis und das Vergehen wird aus zehn Perspektiven gezeigt und mit jeder Ansicht wird es klarer. Die rote Karte wäre zwingend gewesen. Es wäre interessant, wenn man den Spielbericht des Schiedsrichters lesen könnte und in Erfahrung brächte, wie er den Schlag Ronaldos interpretiert. Eine Steigerung der Fehlentscheidung war jedoch die Reaktion des Göttlichen: Er lachte und schimpfte noch über die gelbe Karte, nicht weil er selber mit rot gerechnet hätte, sondern weil er die lächerliche Bestrafung auch noch als Majestätsbeleidigung empfand. Da Ronaldo ja weiß, dass er groß im Bild ist, wenn er ungläubig den Kopf schüttelt und abfällige Gesten nur mit Mühe unterdrücken kann, will er seine Mimik der Welt zeigen. Unklar ist nur, wie er verdrängen kann, dass sein Vergehen ja auch klar zu sehen war und er demnach als dummer Junge dasteht, der nicht einsieht, dass ihm jemand das Spielzeugauto wegnimmt, das leider dem Nachbarsjungen gehört. Ein Platzverweis hätte mindestens zwei Spiele Sperre zur Folge gehabt. Er hätte also frühestens im Halbfinale wieder ins Geschäft eingreifen können. Soweit werden die Portugiesen voraussichtlich auch mit ihm nicht kommen.

Das Prinzip des Bonus` kennen wir im Übrigen auch aus der Bundesliga. Damit ein deutscher Nationalspieler mal eine Karte bekommt, muss beim Gegner schon mindestens Blut fließen, wenn nicht gar Bänder reißen oder Knochen splittern müssen. Der Nationalspielerbonus, besonders wenn die Spieler beim deutschen Serienmeister unter Vertrag stehen, ist also offensichtlich keine deutsche Erfindung. Trotzdem ein Ärgernis, genauso, wie die lächerliche Strafe für die Kosovo-Provokationen der Schweizer Xhaka und Shaqiri. 15.000 Euro hört sich viel an, ist aber nicht mehr als ein halber Tagessatz. Ein Spiel Sperre wäre angemessen gewesen. Aber die FIFA hat ihren Sitz schließlich in der Schweiz. Da muss ein kleiner Bonus schon mal drin sein…

Deutschland gegen Schweden

Die bisherige WM-Geschichte der Spiele zwischen Deutschland und Schweden liest sich äußerst übersichtlich: In grauer Fußball-Vorzeit gewann Deutschland 1934 in Mailand 2:1. Dann kam das skandalöse Spiel 1958 im Halbfinale von Göteborg, das Deutschland mit neuneinhalb Spielern beendete (Posipals Platzverweis und Fritz Walters Verletzung) und 1:3 verlor.  An das Düsseldorfer 4:2 im Weltmeisterjahr 1974 erinnern sich sicher noch viele und besonders das 2:0 im Sommermärchen-Achtelfinale 2006 ist noch in bester Erinnerung. Das war’s schon. Die Gesamtbilanz liest sich mit 15 Siegen, 9 Unentschieden und 12 Niederlagen bei einem Torverhältnis von 70:50 nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Aber was heißt schon Statistik, wenn man nach Jahrzehnten selbst gegen Österreich verliert.

Alles ist also möglich!

Und wenn es schiefgeht? Dann wissen 80 Millionen Bundestrainer natürlich, dass man Petersen und besonders Sané hätte mitnehmen müssen, andererseits Gündogan und Özil hätte rausschmeißen sollen, weil diese ja so viel Unruhe in den Kader gebracht haben. Dabei wird gerne vergessen, dass es vor allem die ach-so-seriösen ARD- und ZDF-Reporter sind, die das Thema seit Wochen bis zum Erbrechen hochköcheln, weil Videobeweis, Menschenrechte und Hotel der Mannschaft auf die Dauer nicht sooo viel hergeben. Schuld hätte im Falle des Ausscheidens nur der Trainer, der die falschen Spieler mit der falschen Taktik auf’s Feld schickt.  Allerdings würde die Aura des Supertrainers wirklich schnell verblassen, wie das bei Kreuzigungen so üblich ist. Glücklicherweise wurde Löws Vertrag gerade bis 2022 verlängert, so dass der DFB im Entlassungsfalle die stolze Summe von 12,8 Millionen Euro ohne Gegenleistung zu überweisen hätte. Deshalb ist es vielleicht eine glückliche Fügung, dass die DFB-Mühlen extrem langsam mahlen. Eventuell darf Jogi auch bei einem Aus in der Vorrunde das sinkende Nationalmannschaftsschiff weiter steuern. Aber das ist alles nur Spekulation. Vielleicht redet man ja nach dem Spiel gegen Schweden wieder von der typischen Turniermannschaft, die sich schon immer gesteigert hat und auch dieses Mal…

Aber Vorsicht: Gegen Südkorea ist noch lange nicht gewonnen!

Die k.o.-Runde beginnt Sonnabend!

Da hatte man eigentlich einen anderen Zeitplan im Focus: Dienstag, 3.7. oder im ungünstigsten Fall Montag, 2.7. waren die Termine, mit denen „Die Mannschaft“ geplant hatte. Nach der desaströsen Niederlage gegen Mexiko (nicht dass verloren wurde, sondern WIE verloren wurde) ist die k.o.-Runde für Deutschland auf Sonnabend 20 Uhr vorgezogen. Hoffentlich verstehen die Spieler diese komplizierte Änderung des Ablaufplans und können mit dem Druck umgehen, den sie ja in der Bundesliga oder in ihren ausländischen Ligen nie haben, weil es da ja nur um die Meisterschaft oder den nationalen Pokal geht und Bayern München sowieso immer gewinnt…

Wird gegen Schweden also verloren, ist man ausgeschieden und hat noch ein Freundschaftsspiel gegen Südkorea. Beim Sieg dürfte man sich für’s Achtelfinale qualifizieren, vorausgesetzt man verliert nicht gegen die Asiaten, was aber nach derzeitigem Leistungsvermögen nicht unmöglich wäre. Bei einem Unentschieden gegen Schweden wäre man, einen Sieg im abschließenden Spiel vorausgesetzt, weiter, wenn Mexiko Schweden schlagen würde und Deutschland das bessere Torverhältnis hätte. Auf diese Schützenhilfe würde man gerne verzichten, die Chancen, dass die Qualifikation über diese Schiene erreicht wird, liegen bei höchstens 30 %. Gut für die deutsche Mannschaft ist aber immerhin die Tatsache, dass Mexiko gegen Südkorea vorher spielen und sich gegebenenfalls bei einer Überraschung neue Konstellationen ergeben könnten. Siegt Südkorea nämlich und siegt auch Deutschland, dann hätten alle vier Mannschaften vor dem abschließenden Spiel drei Punkte. Interessanter geht es kaum. Da kann man schon mal das Regelwerk studieren, was geschieht, wenn alle punkt-und torgleich sind und jeder jeden mal geschlagen hat.

Trösten wir uns damit: Die spannende k.o.-Phase beginnt früher als gedacht und wenn Deutschland nicht gewinnt, haben wir wenigstens Historisches miterleben dürfen: Dass Deutschland bei einer WM in der Vorrunde ausscheidet.

Wer wird eigentlich Weltmeister?

Bisher gab es 20 Weltmeisterschaften, von denen der Blogger 13 so intensiv wie möglich verfolgt hat. Gefühlsmäßig muss man leider sagen, dass Deutschland den Titel nicht verteidigen wird. Wer sind aber die üblichen Verdächtigen? Normalerweise würde man Italien und Holland ganz weit vorne sehen. Aus bekannten Gründen fallen beide Teams aus. Der Blogger legt eine Schweigeminute ein um seine Schadenfreude nicht durchscheinen zu lassen.

Nun aber im Ernst: Zuallererst werden natürlich die bisherigen Weltmeister genannt. Brasilien (5x), Deutschland (4x), Argentinien (2x), Uruguay (2x) sowie Frankreich, Spanien und England (je 1x). Mit den vier italienischen Titeln ergibt sich korrekterweise 20. Spanien hat sich gerade den Luxus eines Trainerwechsels geleistet, ist also raus. England wird sowieso nicht Weltmeister. Wenn es früher eine Torlinientechnik gegeben hätte, wären sie es auch nie geworden. Außerdem gibt es die Hürde Elfmeterschießen. Uruguay ist nicht konstant genug. Brasilien hat sein 1:7-Trauma noch nicht überwunden, wenn sie es denn jemals überwinden werden. Argentinien ist immer stark, könnte aber auch schon in der Gruppe gegen Island, Kroatien und Nigeria scheitern. Bleibt von den bisherigen Titelträgern nur Frankreich übrig, die wirklich eine bärenstarke Truppe haben. Aber will man das? Oder aber doch Portugal, immerhin amtierender Europameister. Und Christiano Ronaldo ist wahrlich nicht in schlechter Form. Dann kommen natürlich die ewigen Geheimtipps wie Belgien, Dänemark, Schweiz oder Polen. Wer will sich da festlegen? Am Besten einigen wir uns auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Und der heißt natürlich Island…

Gibt es Chancen auf eine Titelverteidigung?

Zwei Testspiele kurz vor der WM, eins davon gegen Österreich verloren, im anderen nach grenzwertigem Einsatz von Hummels in der Nachspielzeit knapp am Unentschieden gegen Saudi Arabien vorbeigeschrammt: Weltmeisterliche Form sieht anders aus. Aber man kennt das ja. Oft hat eine deutsche Nationalmannschaft schwache Vorbereitungen gehabt (2014 unentschieden gegen Polen und Kamerun, 2006 gegen Italien 1:4 und gegen Japan 2:2…) und sich später im Turnier erheblich gesteigert. So wird es auch diesmal sein. Aber ob es zur Titelverteidigung reicht? Was dafür spricht: Das Turnier findet in Europa statt, was bedeutet, dass voraussichtlich eine europäische Mannschaft gewinnen wird (es gab erst zwei Ausnahmen: 1958 in Schweden: Brasilien und 2014 in Brasilien: Deutschland). Weiterhin spielen noch viele Weltmeister in der Mannschaft, was ein eingespieltes, erfahrenes Team bedeutet. Dazu kommt, dass die Italiener nicht dabei sind, um Deutschland rauszukicken, wohl aber die Engländer, die wir im Elfmeterschießen besiegen könnten. Außerdem hat sich Reus bisher nicht verletzt (wobei unklar ist, ob man das positiv oder negativ zu bewerten hat).

Dagegen spricht allerdings, dass eine deutsche Mannschaft noch nie den Titel verteidigte. 1958 nach dem Berner Triumph wurde man Vierter, 1978 schied man in der zweiten Finalrunde aus und 1994 war gar im Viertelfinale gegen Bulgarien Endstation. Wenn man so will eine Abwärtsspirale, die eigentlich ein Aus im Achtelfinale (gegen die Schweiz??? oder gleich gegen Brasilien???) oder gar in der Gruppenphase bedeuten würde. Dafür gäbe es allerdings keine Parallele. Bisher hat sich noch jede deutsche Mannschaft für die k.o-Spiele oder eine zweite Gruppenrunde qualifiziert. Und obwohl die Schnelligkeitsdefizite der deutschen Abwehr auch gegen Saudi-Arabien erschreckend oft deutlich wurden, wird die Erfahrung die Schwächen eine zeit lang kompensieren. Nur für das Finale dürfte es diesmal nicht reichen. Aber wäre das wirklich so schlimm? Man sollte die Kölner fragen: Man muss auch jönnen können…

Einmal Herthaner – immer Herthaner

Obwohl sich die Überschrift wie der traditionsselige Slogan von Ostkurvenultras anhört, haben wir am vergangenen Sonnabend den Wahrheitsgehalt dieses Spruches hautnah erleben dürfen:

Christoph Janker, der es in sechs Spielzeiten zwischen 2010 und 2015 auf 38 Erstliga- und 9 Zweitligaeinsätze für Hertha brachte, schaffte es, seiner großen blauweißen Ex-Liebe innerhalb von 10 Einsatzminuten (einschließlich 2 Minuten Nachspielzeit) zwei Tore auf dem Silbertablett zu servieren. Schade, denkt da der Mathematiker, dass Augsburg Trainer nicht früher auf die Idee kam, die Defensive mit Janker zu stärken, es hätte einen hohen Sieg für Hertha geben können. Aber man soll nicht undankbar sein.

Janker war stets ein zuverlässiger, solider Erstligaspieler, der sicher auf mehr Einsätze gekommen wäre, wenn er sich nicht häufig so schwer verletzt hätte. Dass sich soziales Verhalten auch auszahlen kann, zeigt jetzt Jankers Dankbarkeit, denn Herthas Geschäftsführung hatte lange an Janker festgehalten, als andere Vereine den Dauerverletzten längst nach Österreich oder Thailand abgeschoben hätten. Ein Festhalten im Strafraum gegen Selke, der wie immer mit seinem Arm nach hinten stieß und ein Angebot zum Tunneln, als Selke einen Übersteiger verstolperte und plötzlich frei vorm Tor stand. Das muss man in so kurzer Zeit auch wollen, damit es klappt. Und wenn nicht Spielverderber Heller in der 90. Minute den Hertha-Konter auf Kosten einer roten Karte unterbunden hätte, wäre Janker sicher etwas eingefallen, um den 3:2-Sieg in trockene Tücher zu wickeln.

Wenn der unerwartete (und letztlich auch unverdiente) Punkt wider Erwarten doch noch zum Erreichen des 7. Tabellenplatzes und damit zur Europa-League-Qualifikation reichen sollte, müsste man schon eine angemessene Punktprämie nach Augsburg schicken. Im Gegenzug müsste Janker aber auch verraten, an welcher Körperstelle er sein blau-weißes Fahnen-Tattoo versteckt hat…

P.S.: In der Rückrunde hat Hertha jetzt schon 19 Punkte geholt, so viel wie bisher in Dardais bester Amtszeit, im Vorjahr. Und noch ist die Saison nicht beendet. Frage: Spielen bei Hannover und Leipzig eigentlich auch irgendwelche Exherthaner?

P.P.S.: Für alle Freunde der Nationalelf: Schade, dass Gnabry und Stindl für die WM in Russland definitiv ausfallen. Die Frage aber ist: Wann verletzt sich eigentlich Marco Reus? Viel Zeit hat er nicht mehr…

 

Die Brasilianer und der stolze Blick in den Spiegel!

So schlimm, wie ich’s vor den beiden Testländerspielen erwartet hatte, ist es nicht geworden. Im Gegenteil: Ein rasantes Spiel gegen Spanien, die als absolutes Weltklasseteam auftraten und eine mittelschlechte Partie gegen Brasilien war immerhin mehr, als man nach jahrzehntelanger Quälerei mit solchen Ansetzungen erwarten durfte. Allerdings: Was sich im Brasilienspiel vor allem die sich doch zeigen müssenden Supertechniker Gündogan und Sané an technischen Fehlern und Fehlpässen leisteten ging nicht mehr auf die berühmte Kuhhaut. Da muss schon, wenn wir schon bei Brasilien sind, eine ganze Elefantenhaut her, auch wenn es in Brasilien gar keine Elefanten gibt. Unerklärlich! Die Südamerikaner spielten hingegen äußerst konzentriert, mit einem überragenden Marcelo, der zwar wieder vor dem Spiel die Finger in die Steckdose gesteckt hat, um brilliant frisiert zu sein (zählt das eigentlich als Doping?), nichtsdestotrotz aber bester Mann auf dem Platz war. Gönnen wir es den brasilianischen Fußballfreunden, dass sie dieses Freundschaftstestspiel gewonnen haben, nach dem sie, nach Aussagen ihrer Anhängerschar, endlich wieder erhobenen Hauptes in den Spiegel sehen können. Hoffentlich bekommen sie keinen Schock, nachdem sie dreidreiviertel Jahre gealtert sind. Und außerdem: Wenn wir die gute alte Europapokalregel anwenden, nach der laut Eberhard Stanjek, Werner Schneider und Ernst Huberty „die Auswärtstore doppelt zählen“, steht es, das WM Halbfinale von Belo Horizonte eingerechnet, immerhin noch 14:3 für die deutsche Mannschaft. Ob das ein Grund zur Freude und des Stolzes ist, sei mal dahingestellt…

Erwartet eigentlich jemand spannende Länderspiele?

Früher waren Länderspiele ein Fest. Es gab davon vier oder fünf im Jahr und wenn eine Weltmeisterschaft anstand vielleicht auch mal zehn bis zwölf, je nach Erfolg der deutschen Mannschaft. Heutzutage, wo ja nicht alles schlechter, sondern im Gegenteil manches besser ist als früher, spielt die Nationalmannschaft dreizehn- bis achtzehn mal pro Saison, was heißt, dass die Übersättigung auch hier fröhlich Einstand gehalten hat, wie ja fast jeder Lebensbereich von Viel-zu-viel-von-allem geprägt ist. Dies soll keine philosophische Abhandlung über die Krise der globalisierten Gesellschaften werden, sondern erklären, warum wohl die meisten Fußballfans zwar verstehen, dass man vor einer Weltmeisterschaft Spiele gegen starke Gegner, wie jetzt Spanien und Brasilien, durchführen muss, die richtige Vorfreude aber nicht so recht aufkommen will. Eventuell liegt dies neben dem Vollstopfen mit der täglichen Portion Fußball auch an der Erfahrung, die man mit solchen Spielen, die nicht selten zu langweiligsten Grottenkicks ausarteten, gemacht hat. Dagegen spricht zwar, dass sich jeder Profi eigentlich zerreißen müsste, wenn er sich um die Fahrkarte nach Russland bewerben will. Aber ein Sandro Wagner oder ein Marvin Plattenhardt können, und wenn sie sich noch so anstrengen, einem gelangweilten Toni Kroos oder einem gewohnt arrogant rüber kommenden Mesut Özil, nicht das Spiel aus der Hand nehmen und an sich reißen. Weil sie es einfach nicht können (und auch nicht ihre Aufgabe ist). Und dass die Torhüter, bei denen es ja um die Nummer 1 geht, da Manuel Neuer nicht mehr rechtzeitig fit werden wird, das Spiel vorantreiben können, ist auch mit der modernsten Auffassung vom Torhüterspiel nicht zu befürchten.

Also wird man sich die Spiele mit mittelmäßiger Begeisterung ansehen und wenn es wider Erwarten doch ein oder zwei ansehnliche Spiele gibt, dann liegt das sicher daran, dass die Bayern, die ja quasi schon Meister sind, frei aufspielen können – es sei denn, sie scheuen das Verletzungsrisiko, weil sie in der Champions League noch was vorhaben. Womit wir wieder beim Thema Übersättigung wären…

Nun also doch…

Was vor einigen Wochen nach den ersten Verlautbarungen wie ein vorweihnachtlicher Scherz klang, ist jetzt zur bitteren Realität geworden: Nein, es ist hier nicht von Donald Trumps Wahl zum US-Präsidenten die Rede, sondern von der mindestens genauso irrwitzigen Aufstockung des FIFA-WM-Teilnehmerfeldes auf 48 Mannschaften.

Alleine die Vorrunde mit 16 Dreiergruppen könnten mich in den Wahnsinn treiben, wenn nicht Methode dahinterstecken würde. Alle, die die Gnade der frühen Geburt erfahren haben, erinnern sich noch mit Schrecken an die Dreier-Zwischenrunden bei der WM 1982 in Spanien. Dreiergruppe hieß ja auch drei Spiele, für jedes Team also zwei. Wenn man eines vergeigte, hatte man keine Chance mehr. Nun aber scheidet ja nur der Dritte und Gruppenletzte aus. Fein, denkt da der Funktionär aus dem Niger und hofft auf eine Gruppe mit Deutschland und Rumänien, bei der er, egal wie die ersten beiden Spiele auch enden mögen, im zweiten Spiel seiner Mannschaft eine schnelle Million verdienen kann. Wenn Rumänien einen hohen Sieg gegen den Niger benötigt: Bitteschön, könnse haben. Wenn Deutschland aber will (weil das erste Spiel gegen Niger in die Hose ging), dass gegen Rumänien höchstens Unentschieden gespielt wird: Gegen ein kleines Aufgeld, das Franz Beckenbauer als anwesender Privatmann, falls er nicht vorübergehend im Gefängnis sitzen sollte, diskret in der Hotelbar in einer Kiste bester kubanischer Zigarren überreichen kann, ist ein Unentschieden kein Problem. Dreiergruppe – geht gar nicht. Und genau diese Konstellation werden wir 2026 sechzehn Mal erleben. Dass es eine k.o.-Runde mehr als bisher gibt, erhöht zwar die Spannung, falls nach den lähmenden Vorrundenspielen noch jemand Interesse haben sollte, ist aber kein Ausgleich für den Unsinn davor. Dann doch gleich auf die Qualifikation verzichten und mit allen FIFA-Mitgliedsverbänden in guter alter Europapokal-Tradition nur k.o-Runden (anfangs in Hin- und Rückspielen) stattfinden lassen. Das sind 8 Runden mit 256-128-64-32-16-8-4-2 Teilnehmern, wobei es in der ersten Runde für die Weltranglistenführenden Freilose gibt und die eigentliche WM mit der 64-er Runde begänne. Sport-Spiel-Spannung. Der Phantasie der Funktionäre sind kaum Grenzen gesetzt. Schließlich gibt es ständig neue Staaten (Südsudan…), die auch eine zukünftige Ausweitung des Teilnehmerfeldes garantieren. Und jeder neue Staat hat das gleiche Stimmrecht wie Deutschland, Frankreich oder Italien. Streng nach demokratischen Regeln…