Archiv der Kategorie: Hertha und die Nationalmannschaft

Bonus für Stars

Seit wann wird ein Ellbogenschlag ins Gesicht mit einer gelben Karte geahndet? Seit gestern. Und wenn der Schläger Christiano Ronaldo heißt. Natürlich kann man frustriert sein, wenn man gerade seine Unfehlbarkeit eingebüßt hat, weil man einen Elfmeter im Stile eines Engländers verschossen hat. Trotzdem gibt es ja den Videobeweis und das Vergehen wird aus zehn Perspektiven gezeigt und mit jeder Ansicht wird es klarer. Die rote Karte wäre zwingend gewesen. Es wäre interessant, wenn man den Spielbericht des Schiedsrichters lesen könnte und in Erfahrung brächte, wie er den Schlag Ronaldos interpretiert. Eine Steigerung der Fehlentscheidung war jedoch die Reaktion des Göttlichen: Er lachte und schimpfte noch über die gelbe Karte, nicht weil er selber mit rot gerechnet hätte, sondern weil er die lächerliche Bestrafung auch noch als Majestätsbeleidigung empfand. Da Ronaldo ja weiß, dass er groß im Bild ist, wenn er ungläubig den Kopf schüttelt und abfällige Gesten nur mit Mühe unterdrücken kann, will er seine Mimik der Welt zeigen. Unklar ist nur, wie er verdrängen kann, dass sein Vergehen ja auch klar zu sehen war und er demnach als dummer Junge dasteht, der nicht einsieht, dass ihm jemand das Spielzeugauto wegnimmt, das leider dem Nachbarsjungen gehört. Ein Platzverweis hätte mindestens zwei Spiele Sperre zur Folge gehabt. Er hätte also frühestens im Halbfinale wieder ins Geschäft eingreifen können. Soweit werden die Portugiesen voraussichtlich auch mit ihm nicht kommen.

Das Prinzip des Bonus` kennen wir im Übrigen auch aus der Bundesliga. Damit ein deutscher Nationalspieler mal eine Karte bekommt, muss beim Gegner schon mindestens Blut fließen, wenn nicht gar Bänder reißen oder Knochen splittern müssen. Der Nationalspielerbonus, besonders wenn die Spieler beim deutschen Serienmeister unter Vertrag stehen, ist also offensichtlich keine deutsche Erfindung. Trotzdem ein Ärgernis, genauso, wie die lächerliche Strafe für die Kosovo-Provokationen der Schweizer Xhaka und Shaqiri. 15.000 Euro hört sich viel an, ist aber nicht mehr als ein halber Tagessatz. Ein Spiel Sperre wäre angemessen gewesen. Aber die FIFA hat ihren Sitz schließlich in der Schweiz. Da muss ein kleiner Bonus schon mal drin sein…

Erwartet eigentlich jemand spannende Länderspiele?

Früher waren Länderspiele ein Fest. Es gab davon vier oder fünf im Jahr und wenn eine Weltmeisterschaft anstand vielleicht auch mal zehn bis zwölf, je nach Erfolg der deutschen Mannschaft. Heutzutage, wo ja nicht alles schlechter, sondern im Gegenteil manches besser ist als früher, spielt die Nationalmannschaft dreizehn- bis achtzehn mal pro Saison, was heißt, dass die Übersättigung auch hier fröhlich Einstand gehalten hat, wie ja fast jeder Lebensbereich von Viel-zu-viel-von-allem geprägt ist. Dies soll keine philosophische Abhandlung über die Krise der globalisierten Gesellschaften werden, sondern erklären, warum wohl die meisten Fußballfans zwar verstehen, dass man vor einer Weltmeisterschaft Spiele gegen starke Gegner, wie jetzt Spanien und Brasilien, durchführen muss, die richtige Vorfreude aber nicht so recht aufkommen will. Eventuell liegt dies neben dem Vollstopfen mit der täglichen Portion Fußball auch an der Erfahrung, die man mit solchen Spielen, die nicht selten zu langweiligsten Grottenkicks ausarteten, gemacht hat. Dagegen spricht zwar, dass sich jeder Profi eigentlich zerreißen müsste, wenn er sich um die Fahrkarte nach Russland bewerben will. Aber ein Sandro Wagner oder ein Marvin Plattenhardt können, und wenn sie sich noch so anstrengen, einem gelangweilten Toni Kroos oder einem gewohnt arrogant rüber kommenden Mesut Özil, nicht das Spiel aus der Hand nehmen und an sich reißen. Weil sie es einfach nicht können (und auch nicht ihre Aufgabe ist). Und dass die Torhüter, bei denen es ja um die Nummer 1 geht, da Manuel Neuer nicht mehr rechtzeitig fit werden wird, das Spiel vorantreiben können, ist auch mit der modernsten Auffassung vom Torhüterspiel nicht zu befürchten.

Also wird man sich die Spiele mit mittelmäßiger Begeisterung ansehen und wenn es wider Erwarten doch ein oder zwei ansehnliche Spiele gibt, dann liegt das sicher daran, dass die Bayern, die ja quasi schon Meister sind, frei aufspielen können – es sei denn, sie scheuen das Verletzungsrisiko, weil sie in der Champions League noch was vorhaben. Womit wir wieder beim Thema Übersättigung wären…

Das bayerische Murmeltier grüßt mal wieder…

Wann wird es Frühling? Nein, nicht wenn irgendeine Bisamratte ihren Bau verlässt oder ein Murmeltier zur ach so beliebten Fettpaste verarbeitet wird. Frühling wird’s, wenn die Bayern die Meisterschaft feiern! Im Mai wird zwar erst der Salatteller überreicht, im April aber bereits uneinholbar davon gezogen. Und diesmal ist doch auch der März noch in Reichweite: Wenn Schalke und Dortmund verlieren und Bayern am Wochenende gewinnt, heißt der alte und neue Deutsche Fußballmeister am 18. März: „Bayern München“! Und wenn beide gewinnen, verzögert sich die Chose auf das Osterwochenende und reicht nur deshalb in den April hinein, weil der internationale Spielkalender eine Länderspielpause angesetzt hat.

Die Frage bleibt trotzdem unausgesprochen im Raum: Welches wäre eigentlich der theoretisch frühestmögliche Termin, um die wohlverdiente Meisterschaft zu feiern? Wenn nicht Ostern, wie dieses Jahr, vielleicht zu Purim, dem jüdischen Laubfest am 8. März (bzw. dem Internationalen Frauentag zum selben Termin), Rosenmontag oder Aschermittwoch („Alles vorbei“ – für die anderen Vereine) im Februar scheinen auch gute Tage zu sein. Die Heiligen Drei Könige ( Beckenbauer, Hoeneß, Rummenigge) am 6. Jänner böten sich an, aber ginge es nicht auch schon zu Weihnachten, um den Silvesterabend krachend feiern zu können? Wenn Bayern in der Hinrunde alle Spiele gewönne und alle anderen Vereine alle Spiele verlören, wären die Bayern schon im Dezember verdientermaßen Meister. Leider spielt die kleine Schar der restlichen 17 nicht nur gegen Bayern sondern auch gegeneinander, sodass der Zweite zumindest den einen oder anderen Punkt holen muss. Bei völliger Ausgeglichenheit hätte der Zweite nur 16 Punkte auf seinem Konto (nämlich 16 Unentschieden und eine Niederlage gegen Bayern) und also 35 Punkte Rückstand auf die Roten. Also wird’s nichts mit der Silvesterparty, ein Weißbier und ab ins Bett, am 1. Januar geht’s um 9 Uhr zum Trainingsplatz. Um dann am 21. Spieltag (also doch zum Fasching) mit 63 Punkten gegenüber 20 der Konkurrenz bei noch 13 Spielen (also 39 möglichen Punkten) endlich die Meisterschaft zu feiern. Es gibt also noch einiges zu tun an der Säbener Straße. Ein Rekord ist schließlich dazu da, gebrochen zu werden.

Und dann wird die Champions League ins Auge gefasst: Es müsste doch möglich sein, dass auch der Silberpott schon nach dem Viertelfinale nach München geht…

Die Regelauslegung des passiven Abseits‘

Pech für Hertha: Der Videoassistent entschied im Spiel gegen Hoffenheim, dass Nico Schulz im passiven Abseits stand, als ein Flankenschuss in seine Richtung abgegeben wurde, weil er das Spielfeld verlassen hatte. So weit, so eindeutig. Als Niclas Stark den Ball stoppte (hätte er ihn ins Aus durchrutschen lassen, hätte es Einwurf für Hertha gegeben) ergab sich eine neue Spielsituation, sodass Schulz wieder ins Spiel eingreifen konnte. Entscheidend ist, ob er das Spielfeld wieder betrat, bevor Stark den Ball berührte (dann wäre aus seinem passiven nämlich ein aktives Abseits geworden) oder erst danach. Wenn man das Fernsehbild im Einzelbildmodus laufen lässt, erkennt man, dass beide Vorgänge (also Starks Ballberührung und Schulz’ Platzbetreten) gleichzeitig ablaufen, also eine Hundertstelsekundenentscheidung. Insofern lagen Schiedsrichter und Videoassistent nicht falsch. Fraglich ist nur, ob der Sinn der Regel richtig angewandt wurde. Nico Schulz hat sich, als er sich von hinten aus dem Aus in Starks Rücken an ihn heranschlich, einen großen Vorteil verschafft. Stark konnte ihn ja erst im letzten Moment sehen und das Bein, das Schulz’ Schienbein traf, wollte eigentlich den Ball schlagen, den dieser aber Sekundenbruchteile vorher weggespitzelt hatte. Schulz hat also einen doppelten Vorteil gegenüber dem Herthaspieler gehabt: Zuerst wurde nicht Abseits gepfiffen und dann durfte er „hinterlistig“ denn Ball erobern. Das kann nicht der Sinn der Regel sein!

Nur zur Erinnerung: Als Hertha im Frühjahr 2010 die Aufholjagd gegen den Abstieg startete (und am vorletzten Spieltag verlor) wurde im Heimspiel gegen Borussia Dortmund ein Tor von Theofanis Gekas nicht anerkannt, weil er bei einer Flanke, die in den Strafraum kam, im Abseits stand, passiv wohlgemerkt, weil er an den Ball nicht herankam. Nachdem ein Dortmunder Spieler den Ball berührt hatte, schoss Gekas den Ball ins Tor, das nicht gegeben wurde, weil angeblich aus dem passiven ein aktives Abseits wurde. Entsprechend dem “Fall“ Schulz hätte man sagen müssen: „Neue Spielsituation!“  Hertha spielte 0:0 gegen Dortmund und verlor zwei wichtige Punkte im Abstiegskampf. So ändern sich die Zeiten! Oder soll man sagen: So ändern sich die Regeln? Oder soll man sagen: Es kommt drauf an, gegen wen eine bestimmte Regel ausgelegt wird…?

Das viele Geld im Markt und Herthas Transferpolitik

Die Winterpause ist vorbei und Hertha verliert. Eigentlich ist alles  wie immer! Oder sagen wir nicht immer, sondern wie so häufig in den letzten Jahren. Trotzdem hat Hertha in Stuttgart zufriedenstellend gespielt und hätte niemals als Verlierer vom Platz gehen dürfen. Sollte vielleicht doch noch auf dem Spielermarkt nach Verstärkungen geforscht und gegebenenfalls zugeschlagen werden? Bloß nicht! Herthas Kader ist mit 28 Spielern (nach Stockers Abgang) zwar nicht aufgebläht, wohl aber groß genug um die Europa- und DFB-pokalfreie Rückrunde absolvieren zu können. Und wenn mich nicht alles täuscht, wird diesmal alles ganz anders kommen…

Hertha hat in den vergangenen Jahren im großen und ganzen eine vernünftige und meist erfolgreiche Transferpolitik betrieben. Nicht zehn bis vierzehn Zu- und Abgänge vor Saisonbeginn sondern drei, vier Spieler, die das gewachsene Gefüge ergänzen sollten, was sehr oft gelungen ist. Ob Jarstein, Weiser, Rekik, Stark, Plattenhardt und viele andere: alles Volltreffer. Das gelingt nicht jedem Manager.

Ein Grund für die hohe Transferzahl bei vielen Vereinen, die ja auch von den Spielern, die sich finanziell verbessern wollen, bestimmt wird, ist natürlich das viele Geld im Markt, wie Fredi Bobic in einem Interview erklärte. Interessant seine Äußerung, dass Spieler heute nur durchschnittlich ein bis zwei Jahre bei einem Verein bleiben. Gefühlt ist das bei Hertha anders. Untersuchen wir mal die Fakten:

Wenn man die vereinseigenen Daten aus der Hertha Homepage zugrunde legt, erhält man eine durchschnittliche Vereinszugehörigkeitsdauer von 2,5 Jahren. Die Zahlen bewegen sich zwischen einem halben Jahr (Leckie, Selke, Lazaro, Rekik, Klinsmann) und den zehneinhalb Jahren von Fabian Lustenberger. Bei den jungen Spielern (Mittelstädt, Baak, Meier, Kade und Torunarigha) wird der Erhalt eines Profivertrages gewertet. Rechnet man jedoch mit der wahren Zugehörigkeitsdauer dieser Spieler (Meier: 10 Jahre, Torunarigha 11,5 Jahre u.s.w.), kommt man auf 4,1 Jahre durchschnittlicher Zugehörigkeit zum Verein. Das kann man doch gewiss, wenn man es mit Bobics Aussage vergleicht, als Zeichen von Kontinuität werten.

Und da sich diese gute, den Wünschen der meisten Anhänger entsprechende, Politik irgendwann auszahlen müsste, wird diese Rückrunde auch ganz anders als die letzten werden. Aber so gut und erfolgreich sie vielleicht auch sein mag, eins ist leider totsicher: Deutscher Meister wird nur der ÄffZehBee…

Der Videobeweis und die Gerechtigkeit

Die SPD wollte die Wahl mit dem Hauptthema „Mehr Gerechtigkeit“ gewinnen und ist kläglich gescheitert. Der DFB hat den Videobeweis unter dem Motto „Mehr Gerechtigkeit im Fußball“ eingeführt und ist schon fast gescheitert. Ist man dem Ziel wenigstens etwas nähergekommen?

Im Spiel Mainz gegen Hertha kam es zum Ende der ersten Halbzeit zu einem Zusammenstoß zweier Spieler im Hertha-Strafraum. Der Schiedsrichter, der fünf Meter daneben stand, ließ weiterspielen. In der nächsten Spielunterbrechung wurde der Referee von acht Mainzern bestürmt, woraufhin dieser sich die Szene im Fernseher ansah. Folge: Elfmeter für Mainz. Tor. 1:0-Sieg für Mainz. Als kurz vor Schluss der Nachspielzeit Langkamp im Mainzer Strafraum zu Fall kam, ließ der Schiri weiterspielen. Drei Herthaner liefen halbherzig zum Schiedsrichter und forderten den Videobeweis, was dieser jedoch ignorierte. Gerechtigkeit? Zumindest hätte der Schiedsrichter sich die Szene ansehen müssen; wie er dann entschieden hätte, steht auf einem anderen Blatt. Durch Ungleichbehandlung durch den Schiedsrichter wurde hier das Mehr an Gerechtigkeit, das der Videobeweis anstrebt, wieder zunichtegemacht.

Zweites Beispiel: Im Spiel Hertha gegen Bayern wurde Darida von Martinez im Strafraum umgesenst. Der Schiedsrichter pfiff folgerichtig Elfmeter. Nach mehrminütigem Studium aller möglichen Zeitlupen nahm der Schiri den Elfer zurück und setzte das Spiel mit Schiedsrichterball fort. Wie man später feststellen konnte, war die Situation nicht hundertprozentig eindeutig. Fazit: Auch durch noch so viele Einstellungen kann nicht immer geklärt werden, ob es sich um ein Foul oder eine korrekte Aktion handelt. Wenn alle Schiedsrichter immer im Zweifel für den Abwehrspieler pfeifen würden, wäre das  nachvollziehbar. Genau das wird aber mit dem Videobeweis nicht erreicht. Es ist immer noch die völlig subjektive Entscheidung des Schiedsrichters a) ob er sich eine Szene nochmals ansieht (bzw. die völlig subjektive Entscheidung des Videoschiedsrichters in seinem Studio)  und b) wie er dann das Gesehene interpretiert. Merke: Manchmal gibt es vielleicht eindeutige Spielszenen, die ohne Videobeweis unentdeckt geblieben wären. Gerechter ist die Fußball-Welt jedoch keineswegs geworden.

Ein bisserl gerechter würde es vielleicht noch werden, wenn jeder Trainer einmal pro Halbzeit den Videobeweis anfordern dürfte. Dann würden zumindest solche Ungerechtigkeiten wie in Mainz ausgeschlossen sein, es sei denn, ein Trainer hat seinen Videobeweis verschwendet, um einem Gegner einen falschen Einwurf nachzuweisen. Aber dass die menschliche Dummheit gegen unendlich strebt, wusste schon Albert Einstein…

Bundesligatabelle vs. Ewige Tabelle

Die Bundesligasaison hat noch nicht begonnen und schon geht es wieder los: Das Geschwafel von der Tabelle! Nach dem ersten Spieltag der Premier League sagte Trainer David Wagner im Aktuellen Sportstudio, dass die Tabelle noch gar nichts aussagt, nachdem sein Club Huddersfield Town als Aufsteiger mal eben an der Spitze steht. Weitere Sprechblasen behaupten, dass die Tabelle nicht lüge (was meistens stimmt), dass man gar nicht auf die Tabelle sehe (was seinerseits eine dicke Lüge ist) oder dass jeder die Tabelle lesen könne (was wohl der Wahrheit entspricht, vorausgesetzt, man kann überhaupt lesen, für diejenige Minderheit, die des Lesens unkundig ist, gibt es immerhin die kicker-Stecktabelle). Es wird viel Gewese gemacht um die Tabelle als solche, je länger die Saison dauert, umso hektischer. Überraschungsplatzierte werden gefragt, ob sie sich die Tabelle ausgeschnitten hätten, manchmal mit der Ergänzung, ob sie über dem Bett, wahlweise auf dem Klo oder in der Kabine hänge.

Wenn die aktuelle Tabelle kurzlebig, nervös und oberflächlich ist, dann ist die „Ewige Tabelle“ der Bundesliga das genaue Gegenteil. Statisch, geradezu kontemplativ und den Gesetzen der schnelllebigen Zeit scheinbar mühelos trotzend, zeigt sie seit 52 Jahren mit Tasmania 1900 den selben Tabellenletzten an und es ist unwahrscheinlich, dass sich zu unser aller Lebzeiten (und sei es, dass man gerade mit sieben Jahren zum ersten Mal in ein Stadion mitgenommen wurde) daran etwas ändern wird. Ob Günter Netzer für eine Million Mark nach Madrid wechselt oder Neymar für 222 Millionen Euro nach Paris: Nichts ändert sich daran, dass Bayern München die ewige Tabelle anführt und dies auf Jahrzehnte hinaus noch tun wird. Bei 796 Punkten Vorsprung auf den zweiten Werder Bremen würde es, vorausgesetzt die Bayern stiegen ab und Bremen nie, noch 16 Jahre dauern (bei durchschnittlich 50 Punkten pro Jahr von Werder), bis die Münchener die Tabellenführung verlören. Seit Einführung der Bundesliga vor 54 Jahren hat es mit Bayern München und vorher einige Jahre dem 1.FC Köln sogar nur zwei Tabellenführer gegeben. Welch wunderbar gleichförmige, den ständigen Veränderungen des Lebens sich widersetzende Beständigkeit!

Und wenn sich Darmstadt 98 nach zwei Jahren Bundesliga von Platz 44 auf Platz 39 katapultiert hat, hat dies zwar extremen Seltenheitswert, fällt aber nur dem eingefleischten Fan auf, der hochrechnet, ob er es noch erleben kann, einen Platz unter den Zwanzigern zu erreichen (was bei 165 Punkten, also fünf bis sechs Jahren Bundesligazugehörigkeit, nicht unmöglich ist).

Unsere gute alte Tante Hertha, die von 54 Jahren immerhin 34 Jahre im Oberhaus anwesend war (und 20 Jahre in der Regionalliga Berlin, der 2. Liga Nord, der Amateuroberliga Berlin und der 2. Liga herumkrebste) ist immerhin 12. der Ewigen Tabelle. Ohne jede Chance nach oben (der 11. Leverkusen hat 462 Punkte Vorsprung) oder nach unten (der 13. VfL Bochum müsste auf Hertha 173 Punkte aufholen. Auch nicht ganz einfach).

Wie beruhigend: Die Saisons kommen und gehn – Herthas solider 12. Platz, der bleibt besteh`n…

 

 

Wieder mal ein neuer WM-Modus

Signore Infantino bereichert den Diskurs über die unendliche Geschichte der Veränderung der WM-Endrunden mit einem witzigen Einfall: Eine WM mit 48 Teilnehmern und vor der Gruppenphase eine k.o.-Runde. Das macht erstmal 24 Spiele, die das Fernsehen schön vermarkten kann. Leider haben wir danach die unselige Zahl von 24 Teilnehmern, die es auch früher schon mal gab, was bedeutet, dass sich auch Gruppendritte qualifizieren, mit all den Ungerechtigkeiten dieses Systems. Dann doch gleich eine Aufstockung auf 64 Teams und vor der 32-er Gruppenphase eine k.o.-Runde, womit 64 Mannschaften als WM-Teilnehmer gelten würden und das Fernsehen weitere 32 Spiele übertragen könnte. Bisher ist die Geschichte der WM-Endrunden eine Geschichte der Expansion. Waren 1930 gerade einmal 13 Mannschaften in Uruguay dabei, so sollte sich die Zahl 16 bald etablieren. Aber auch hier gab es viele Varianten der Organisation. Nach vier Vierergruppen das k.o.-System, teilweise zwei Gruppen der letzten acht, deren Sieger das Finale bestritten, 1950 eine Vierer-Finalrunde ohne Endspiel(!), 1954 zwar auch Vierergruppen in denen aber nicht jeder gegen jeden spielte, sondern dubiose Setzlisten zur Geltung kamen (Deutschland gegen die gesetzte Türkei und Ungarn, Südkorea ebenfalls gegen beide Gegner; wirres System mit dem Entscheidungsspiel gegen die Türken). Dann 24 Mannschaften (siehe oben) und zuletzt 32 Mannschaften in Vierergruppen und anschließend k.o.-Spiele. Dieses System hat sich als das beste, interessanteste und gerechteste erwiesen. Die jetzige Herumdoktorei ist entweder im Geltungsdrang der neuen FIFA-Führung zu sehen oder sie entspringt der Erkenntnis, dass immer mehr Spiele immer höheren Gewinn, teilweise vielleicht auch auf dem einen oder anderen Privatkonto eines Funktionärs, versprechen. Soll ja vorkommen so was…

Klar ist, dass Infantinos Vorschlag nicht das Ende der Fahnenstange ist. So wie bei Computerchips das Ende der Entwicklung (wahrscheinlich) erst dann erreicht ist, wenn Leiterbahnen Molekülgröße erreicht haben, ist das Ende der WM-Endrunden-Teilnehmerzahl erst dann erreicht, wenn alle Länder der Erde daran teilnehmen (durch Stückelung, wie es ja historischer Weise mit Großbritannien in England, Nordirland, Wales und Schottland schon der Fall ist, könnte man die Zahl natürlich locker von 200 Staaten in 400 oder 800 Teilstaaten erhöhen). Bei 200 Staaten (einige der 211-FIFA-Mitglieder müssten allerdings eine Qualifikationsrunde durchstehen) hätte man dann 50 Vierergruppen, das ergibt schon mal 300 Spiele, bis die letzten 100 ermittelt sind. 25 weitere Vierergruppen bedeuten weitere 150 spannende Begegnungen. Wenn nur der Sieger weiterkommt, haben wir 25 Qualifikanten, die wir mit den sieben besten Dritten auffüllen, um wieder zur jetzigen 32-er Anzahl zu kommen. Eine WM-Endrunde würde ungefähr zwei Jahre dauern, was kein Problem darstellt, da der Großteil der Qualifikationsspiele ja wegfallen würde. Es gibt dann eben kein Sommermärchen mehr, sondern die „Märchenjahre“… Unrealistisch erscheint mir das nicht. Und auch Gibraltar oder die Malediven können sich im Briefkopf „WM-Teilnehmer“ bzw. natürlich „FIFA-WM-Teilnehmer“ nennen.

Ob ich allerdings bei meiner Tradition bleibe, mir jedes Endrundenspiel anzusehen, weiß ich noch nicht. Vielleicht schwänze ich die zweite Halbzeit von Nepal gegen Guayana…

Innenverteidiger verzweifelt gesucht!

Eigentlich sollte im Jahre 2016 die Sportwissenschaft so weit sein, dass es über Trainingsmethoden und -intensität keine zwei Meinungen mehr gibt. Dass das offensichtlich nicht so ist, hat uns am Sonnabend Pal Dardai im Aktuellen Sportstudio erklärt, als er sagte, dass ihn sein Athletiktrainer Kuchno entgeistert ansah, als er ihm in der Sommerpause seine Pläne für die Saisonvorbereitung zeigte. In der Hinrunde hat die hervorragende Fitness den Herthanern geholfen, ob sie in der Rückrunde unter fehlender Substanz leiden werden, wird man sehen.

Außerdem scheint die Trainingslehre keine Gewähr für richtig dosierte körperliche Belastung zu geben. Trainieren die Bayern zu viel oder zu wenig oder falsch, was die Abstimmung von Krafttraining (Muskulatur), Dehnungsübungen (Bänder, Sehnen) und Schnellkraft (Gelenke) betrifft. Es wäre zu untersuchen, welche Übungen Pep Guardiola bevorzugt bzw. vernachlässigt, um diese überdurchschnittliche Anzahl von Verletzungen zu produzieren. Hat Müller-Wohlfahrt doch recht? An der Europapokalbelastung liegt es in jedem Fall nicht, die kennen die Bayern seit Maier, Müller, Beckenbauer… Jüngstes Opfer der bayerischen Muskelschwäche wurde Jerome Boateng. Der Bundestrainer hisste die Flagge der Nationalmannschaft auf Halbmast, denn bei mindestens dreimonatiger Verletzungspause Boatengs ist der Frühling schon fast vorbei (Mitte April!!), wenn Boateng mit dem Training beginnen kann. Da dürfte er bis Anfang Juni kaum auch nur annähernd Normalform erreichen.

Und in ganz Fußballdeutschland gibt es keine Alternativen? Welch Armutszeugnis, so zu denken!

Was ist denn mit Robert Huth, der in der Premier League mit Leicester City an der Tabellenspitze herumkickt. Vielleicht könnte ein Bastian Scheinsteiger zum Ende seiner Karriere seinen Weg aus dem Angriff über das defensive Mittelfeld weiter nach hinten in die Innenverteidigung fortsetzen. Oder der Bundestrainer sieht mal weiter als 200 km von Freiburg aus nach Berlin, wo ein Sebastian Langkamp seit zweieinhalb Jahren mit hervorragendem Stellungs- und Kopfballspiel wesentlich mit dazu beigetragen hat, dass Herthas Deckung eine der besten der Bundesliga geworden ist. Das Manko fehlender internationaler Erfahrung muss nicht zwangsläufig entscheidend sein. Ein Norbert Eder hat genau neun Länderspiele absolviert. Die letzten sieben übrigens bei der Fußballweltmeisterschaft 1986. Mit seinem neunten Länderspiel stand er im Finale gegen Maradonas Argentinien…

Messi oder Ronaldo – wie langweilig…

Gibt es eigentlich eine langweiligere Frage, als diejenige nach dem Gewinner der lächerlicherweise „Ballon d’Or“ (Verzeihung: „FIFA Ballon d’Or“ muss es natürlich heißen) genannten Auszeichnung als bester Fußballer des Planeten? Wen interessiert es denn wirklich, ob Messi oder Cristiano „Unterhose“ Ronaldo sogenannter Weltfußballer wird? Und das, obwohl der Fußball Winterpause macht und die Vierschanzentournee zum Glück auch schon wieder beendet ist. Lieber Winterloch als diese Wahl.

Früher, als ja bekanntermaßen alles besser war, gab es diese Dominanz zweier Spieler, die sich streiten und kein Dritter freut sich, nicht. Die Auszeichnung, die es seit 1982 gibt und seit 1991 offizielle FIFA-Auszeichnung ist, wurde z.B. zweimal von einem Herrn Platini gewonnen. Auch ein gewisser Lothar Matthäus gewann zweimal, ebenso wie Ruud Gullit, Marco van Basten und Ronaldinho. Dreimal gewannen diese Trophäe der Brasilianer Ronaldo (von Klose abgelöster WM-Rekordtorschütze), Zinedine Zidane und eben jener Cristiano Ronaldo, während hoch über allen Messi mit sechs Siegen thront.

Und in früheren Jahrzehnten? Gewiss hätten auch Pelé, Diego Maradona (der nur 1986, wohl wegen seines genialen Handspiels, gewann, obwohl der Preis damals noch nicht von der FIFA vergeben wurde, die schon immer ein Faible für’s Illegale hatte), Ferenc Puskas, Franz Beckenbauer, Alfredo di Stefano, Gerd Müller, Johan Cruyff oder Fritz Walter den Preis mehrmals gewinnen können, niemand hätte aber wahrscheinlich so dominiert, wie die beiden Zeitgenossen, die sich den Preis seit neun Jahren unbrüderlich teilen. Zweifellos sind sowohl Messi als auch Ronaldo überragende Fußballer. Aber erst wenn man die Namen der früheren Stars liest, wird einem bewusst, dass zur Persönlichkeit doch etwas mehr gehört, als nur mit dem Ball umgehen zu können…