Wieder mal ein neuer WM-Modus

Signore Infantino bereichert den Diskurs über die unendliche Geschichte der Veränderung der WM-Endrunden mit einem witzigen Einfall: Eine WM mit 48 Teilnehmern und vor der Gruppenphase eine k.o.-Runde. Das macht erstmal 24 Spiele, die das Fernsehen schön vermarkten kann. Leider haben wir danach die unselige Zahl von 24 Teilnehmern, die es auch früher schon mal gab, was bedeutet, dass sich auch Gruppendritte qualifizieren, mit all den Ungerechtigkeiten dieses Systems. Dann doch gleich eine Aufstockung auf 64 Teams und vor der 32-er Gruppenphase eine k.o.-Runde, womit 64 Mannschaften als WM-Teilnehmer gelten würden und das Fernsehen weitere 32 Spiele übertragen könnte. Bisher ist die Geschichte der WM-Endrunden eine Geschichte der Expansion. Waren 1930 gerade einmal 13 Mannschaften in Uruguay dabei, so sollte sich die Zahl 16 bald etablieren. Aber auch hier gab es viele Varianten der Organisation. Nach vier Vierergruppen das k.o.-System, teilweise zwei Gruppen der letzten acht, deren Sieger das Finale bestritten, 1950 eine Vierer-Finalrunde ohne Endspiel(!), 1954 zwar auch Vierergruppen in denen aber nicht jeder gegen jeden spielte, sondern dubiose Setzlisten zur Geltung kamen (Deutschland gegen die gesetzte Türkei und Ungarn, Südkorea ebenfalls gegen beide Gegner; wirres System mit dem Entscheidungsspiel gegen die Türken). Dann 24 Mannschaften (siehe oben) und zuletzt 32 Mannschaften in Vierergruppen und anschließend k.o.-Spiele. Dieses System hat sich als das beste, interessanteste und gerechteste erwiesen. Die jetzige Herumdoktorei ist entweder im Geltungsdrang der neuen FIFA-Führung zu sehen oder sie entspringt der Erkenntnis, dass immer mehr Spiele immer höheren Gewinn, teilweise vielleicht auch auf dem einen oder anderen Privatkonto eines Funktionärs, versprechen. Soll ja vorkommen so was…

Klar ist, dass Infantinos Vorschlag nicht das Ende der Fahnenstange ist. So wie bei Computerchips das Ende der Entwicklung (wahrscheinlich) erst dann erreicht ist, wenn Leiterbahnen Molekülgröße erreicht haben, ist das Ende der WM-Endrunden-Teilnehmerzahl erst dann erreicht, wenn alle Länder der Erde daran teilnehmen (durch Stückelung, wie es ja historischer Weise mit Großbritannien in England, Nordirland, Wales und Schottland schon der Fall ist, könnte man die Zahl natürlich locker von 200 Staaten in 400 oder 800 Teilstaaten erhöhen). Bei 200 Staaten (einige der 211-FIFA-Mitglieder müssten allerdings eine Qualifikationsrunde durchstehen) hätte man dann 50 Vierergruppen, das ergibt schon mal 300 Spiele, bis die letzten 100 ermittelt sind. 25 weitere Vierergruppen bedeuten weitere 150 spannende Begegnungen. Wenn nur der Sieger weiterkommt, haben wir 25 Qualifikanten, die wir mit den sieben besten Dritten auffüllen, um wieder zur jetzigen 32-er Anzahl zu kommen. Eine WM-Endrunde würde ungefähr zwei Jahre dauern, was kein Problem darstellt, da der Großteil der Qualifikationsspiele ja wegfallen würde. Es gibt dann eben kein Sommermärchen mehr, sondern die „Märchenjahre“… Unrealistisch erscheint mir das nicht. Und auch Gibraltar oder die Malediven können sich im Briefkopf „WM-Teilnehmer“ bzw. natürlich „FIFA-WM-Teilnehmer“ nennen.

Ob ich allerdings bei meiner Tradition bleibe, mir jedes Endrundenspiel anzusehen, weiß ich noch nicht. Vielleicht schwänze ich die zweite Halbzeit von Nepal gegen Guayana…

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