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Konstant inkonstant

Und wieder wurde (in Nürnberg) ein Sieg verspielt und wieder wurde das folgende Heimspiel (gegen Paderborn) gewonnen, wenn auch viele Werte gegen einen Sieg sprachen. 28 % Ballbesitz in einem gewonnenen Spiel sind zwar eigentlich kaum glaublich, zeugen aber auch von der hervorragenden Effizienz Herthas in dieser Zweitligasaison. Auf Dauer kann es natürlich nicht gutgehen, dass man dem Gegner, sei es mit Absicht oder aus anderen Gründen, das Spielgeschehen überlässt und selber nur reagiert. In Nürnberg ging es nicht gut. Gegen Paderborn hat man das Glück der Unfähigkeit des Gegners, gepaart mit der (Zweitliga-) Genialität des Duos Reese/Tabakovic, gehabt. Was vor allem Reese in den ersten zwanzig Minuten auf den Rasen zauberte, würde das Prädikat „Weltklasse“ verdienen, wenn es erstklassige Gegenspieler gegeben hätte. Unglaublich wie Reese, als ihn vier Paderborner umringten, den Ball über diese Meute wie einst Franz Beckenbauer hinweglupfte. Das sieht man selten und deshalb hat sich Reese schon nach wenigen Wochen den Titel „Lieblingsspieler“ redlich verdient.

Am Mittwochabend gegen Mainz im Pokal kann schon wieder alles ganz anders aussehen. Wenn die Abwehr wieder so wackelig agiert, ist nicht zu erwarten, dass die Mainzer ihre Chancen wie die Paderborner gleich reihenweise verdaddeln. Gegen einen Hertha-Sieg spricht auch die Tatsache, dass Mainz als Tabellenletzter ins Olympiastadion kommt. Gegen Tabellenletzte hat Hertha schon oft und gerne verloren. Im Gegneraufbauen verdient sich Hertha schon seit jeher jede Fairnessmedaille. Diesmal ist Mainz als Bundesligaverein natürlicherweise Favorit. Dazu kommt Herthas Pokalneurose, die ein Weiterkommen fast ausschließt, was die Reiseplanung für das Jahr 2024 allerdings erheblich erleichtert, da man sich den 25. Mai nicht freihalten muss. Ein Weiterkommen im Pokal, gar ins Finale, wie Trainer Dardai schmunzelnd in der Pressekonferenz äußerte, ist etwa so wahrscheinlich wie die Konstellation am Ende der Saison, dass die Relegation zwischen Union und Hertha ausgespielt werden wird…

Herthas interessante Pokalgeschichte seit Bundesligastart im Jahre 1963:

2 x Nicht teilgenommen

14 x 1. Runde ausgeschieden

17 x 2. Runde ausgeschieden

13 x 3. Runde ausgeschieden (wobei die 3. Runde meist 16 (= Achtelfinale), manchmal 32 und selten sogar nur 8 teilnehmende Mannschaften bedeutete, je nachdem ob 64, 32 oder 128 Mannschaften begannen)

9 x Viertelfinale

3 x Halbfinale

2 x Finale (1977 und 1979). Unvergessen natürlich die Hertha-Bubis 1993.

Rein statistisch ist ein Ausscheiden in der 2. Pokalrunde also die wahrscheinlichste aller Möglichkeiten…

Der neue Nagelsmann-Besen

“Neue Besen kehren gut” ist ein bekanntes Sprichwort, das ich mir mal zu Herzen nehmen müsste, wenn ich auf das verfilzte Etwas von Besen in unserer Kammer sehe. Dass auch neue Trainer „gut kehren“, das heißt, einen Aufbruch bewirken können, ist statistisch, was die Bundesliga angeht, längst widerlegt worden. Kurzfristig vielleicht, aber mittel- und langfristig gibt es nur in Ausnahmefällen einen Turnaround (Lucien Favre war so ein Trainer, der auch langfristig völlig Neues schaffen konnte), weil die Spieler, die auf dem Rasen stehen, ja die selben sind.

Womit wir beim Thema Nationalmannschaft wären: Ein Süle ist kein Außenverteidiger, ein Gosens hat, bei aller Offensivpower, die er an guten Tagen einbringt, defensive Schwächen. Um die Hauptbaustellen nur kurz anzureißen. Und was man mit einem Kimmich und einem Neuer machen soll, wenn sie gesundheitlich wieder zur Verfügung stehen, bleibt rätselhaft.

Insgesamt hat sich die Nationalmannschaft auf ihrer USA-Reise gut geschlagen. Der Einsatz stimmte, die Spiele waren temporeich und es wurden ausreichend Torchancen kreiert. Denn es ist ja nicht so, wie einige Spieler, z.B. Kapitän Gündogan, nach der vernichtenden Niederlage gegen Fußballgroßmacht Japan in falscher Demut andeuteten, dass deutschen Spielern die Qualität fehle. Die Qualität, vor allem im Mittelfeld (Gündogan, Kimmich, Groß, Goretzka, Wirtz, Brandt…) und im Angriff (Füllkrug, Sané, Musiala…) ist natürlich da, sie muss nur auf den Platz gebracht werden. Und das wird in Zukunft, wenn der erste Neuer-Trainer-Effekt verraucht ist, nicht immer geschehen, wie auch in den letzten Jahren nach der WM in Brasilien. Und wie übrigens auch in früheren Jahrzehnten. Auch Herberger wurde stark kritisiert, als es nach der WM 1954 Niederlagen in Serie gab. Helmut Schön musste sogar beim WM-Gewinn 1974 viel Schelte einstecken, und auch unter allen folgenden Trainern (Derwall, Vogts, Beckenbauer, Ribbeck, Völler, Klinsmann und Löw) gab es stets Phasen, in denen das Spiel unansehnlich war. Zu Heute ( seit der Russland-WM) gab es einen Unterschied: Die Ergebnisse stimmten meist und bis auf 1978, wo man knapp am Spiel um den dritten Platz vorbeischrammte (Krankl sei Dank) war man bei Welt- und Europameisterschaften regelmäßig zumindest im Viertel- oder Halbfinale vertreten.

Ob das bei der Heim-EM 2024 unter Trainer Nagelsmann auch wieder so sein wird, ist fraglich. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde jedenfalls getan. Ob das alles nachhaltig sein wird, werden wir in ca. neun Monaten wissen…

Gelsenkirchen und die Hertha-Familie

Das war nicht unbedingt zu erwarten: Nach dem erschreckenden Leistungsabstand zum Spitzenreiter St. Pauli gewinnt Hertha in Gelsenkirchen und kommt nur in der letzten Viertelstunde unter Druck. Jetzt könnte man mit Blick auf die angeblich nie lügende Tabelle sagen, dass es sich um einen Auswärtssieg bei einem potentiellen Absteiger handelt, also eigentlich für ein ambitioniertes Team eine Selbstverständlichkeit. Aber so einfach ist es natürlich nicht. Denn erstens hat Hertha beim Lieblingsgegner Gelsenkirchen, dessen Vereinsname in Anhängerkreisen seit Jahrzehnten tabu ist (eine absolut kindische Angewohnheit, die aber, auch in diesen Texten, mit großer Ernsthaftigkeit betrieben wird) schon viel zu oft verloren (31 Gelsenkirchener Siegen stehen 9 Unentschieden und 10 Hertha-Siege gegenüber), zweitens hat G. gerade den Trainer gefeuert, was bekanntlich für den Gegner sehr gefährlich sein kann und drittens ist Hertha bekannt dafür, angeschlagene Gegner aufzubauen, indem man ihm gnädig die zu vergebenden Punkte überlässt.

Mit einem Sieg in die Länderspielpause zu gehen tut der malträtierten Herthaseele natürlich gut. Obwohl die Hochrechnung von Pal Dardai, der seine Mannschaft jetzt mit zwei Punkten über dem Soll sieht, keine Aufstiegsrechnung gewesen sein kann. Denn wenn man davon ausgeht, dass man seit Einführung der Drei-Punkte-Regel mit 66 Punkten immer aufgestiegen ist (manchmal reichten auch 56 Punkte), müsste man bis Weihnachten 33 Punkte erreichen. Da liegt Hertha jetzt mit fünf Punkten hinter dem Soll. Wenn man von den 24 noch zu vergebenden Punkten aber 21 holt (also sieben Siege bei einer Niederlage), wäre man wieder im Soll. Und wenn Hertha nach Ende der Hinrunde auf Platz 5 oder 4 liegen würde, wie es der gute Pal auf der Mitgliederversammlung am 15.10. ankündigte, reichten auch schon ein oder zwei Siege weniger. Ein Punkt am Wochenende in Nürnberg, dem ersten Bundesligagegner im August 1963, wäre nicht zu verachten und scheint möglich zu sein, wenn da nicht Herthas Probleme mit der Leistungskonstanz wären…

Apropos Mitgliederversammlung.

Die Atmosphäre in der Messehalle war so familiär friedlich wie beim Kindergottesdienst der neuapostolischen Kirche. Kein böses Wort, freundlicher Applaus für jeden Redner, auch Vizepräsident Drescher, der anfangs etwas aufgeregt, insgesamt aber wohltuend sachlich durch die Versammlung führte, wurde freundlich begleitet, wie auch der angenehme Rückblick seiner bisherigen Amtszeit von Präsident Bernstein per Video aus dem Krankenhausbett und die ewig lange Vorstellung der Kandidaten für die freien Vorstandsplätze: Alles wurde in vorweihnachtlicher Harmonie hingenommen, als wenn man dem Konkurrenten aus Köpenick nacheifern wollte. Wenn da nur die 100 Millionen Verlust aus der Spielzeit 2022/23 nicht gewesen wären…Aber auch hier stellte Tom Herrich sogleich Besserung in Form eines „annähernd“ ausgeglichenen Haushalts in der Saison 2023/24 in Aussicht. Die Verlegung des Patienten Hertha von der Intensivstation in ein normales Vierbettzimmer scheint gelungen.

Aber bis man sich wieder ein Einzelzimmer mit Chefarztbehandlung leisten kann (Aufstieg in die 1. Liga) geschweige denn aus dem Krankenhaus entlassen wird (d.h., ein Überschuss erwirtschaftet und Schulden abgebaut werden) kann es noch etwas dauern. Üben wir uns in Geduld…

Zahlen lügen doch!

St. Pauli schlägt Hertha 2 : 1 und ist neuer Spitzenreiter der 2. Liga. Hertha verliert ein Heimspiel knapp und steht in der Nachspielzeit, als selbst Torwart Ernst mitstürmt, kurz vor dem Unentschieden. Soweit alles normal. Wer das Spiel gesehen hat, weiß aber, dass St. Pauli so hoch überlegen war, dass ein 0 : 5 noch ein schmeichelhaftes Ergebnis gewesen wäre. Hertha rannte im ganzen Spiel (abgesehen von den letzten 10 Minuten) den Pauli-Spielern, die den Ball wunderbar sicher und schnell laufen ließen (getreu der alten Sepp-Herberger-Regel:“Der Ball ist schneller als die Spieler“) hinterher, ohne in die Zweikämpfe zu kommen, immer mit großem Abstand zum Gegner und mit sofortigem Ballverlust nach Fehlpass, wenn der Ball doch einmal erobert wurde.

Und was sagt die Statistik?

Zweikämpfe: 51 : 49 %, also fast ausgeglichen

Ballbesitz: 48 : 52 %, also fast ausgeglichen

angekommene Pässe: 80 : 83 %, also fast ausgeglichen

Laufleistung: 122 : 126 km, also mit leichten Vorteilen für St. Pauli

Flanken: 15 : 11, also war Hertha hier besser

Eckbälle: 7 : 3, Überlegenheit für Hertha

Torschüsse: 10 : 25, einziger Wert mit Vorteilen für St. Pauli.

Das bedarf der Interpretation: Dass die Zweikampfwerte fast ausgeglichen waren, liegt daran, dass es wenige Zweikämpfe gab, da die Hamburger sich durch schnelles Abspielen den Zweikämpfen weitgehend entzogen. Der fast ausgeglichene Ballbesitz ist durch den unglaublich langsamen Aufbau der Hertha-Abwehr, vor allem von Kempf und Leistner zu erklären, die den Ball nach jedem Abstoß mehrmals hin- und her spielten, was zwar keinen Raumgewinn, wohl aber Zeit einbrachte, in denen die Hamburger nicht am Ball waren. Insofern ein unsinniger statistischer Wert. Ebenso ist die Zahl der angekommenen Pässe zu erklären. Mindestens die Hälfte der Pässe bestand aus dem beschriebenen Hin- und her-Geschiebe der Innenverteidiger, manchmal unter Einbeziehung des Torwarts und der Außenverteidiger. Bei offensiven Spielsituationen betrug demnach die Zahl der angekommenen Pässe um die 50 %, ein katastrophaler Wert für Menschen, die Fußball angeblich beruflich betreiben. Der bessere Wert bei Flanken und Eckbällen ist einzig und allein auf die Schlussminuten und die Verlängerung zurückzuführen, als Hertha nach dem Anschlusstor Druck machte und St. Pauli wirklich noch wankte. Mehrere Ecken hintereinander und hohe Flanken in den Strafraum waren die Folge. Genauso mindestens 5 der 10 Hertha-Torschüsse, während St. Pauli neben den 25 Torschüssen mindestens genauso oft gefährlich im Strafraum war und Bälle in letzter Zehntelsekunde geblockt und von den Hamburgern leichtfertig vertändelt wurden. Eine richtig fette Klatsche für Hertha (wie in der ersten Liga in der Abstiegssaison gegen Wolfsburg und Bremen) hätte die Folge sein können.

Fazit: Die Spieldaten sagen nur dem etwas, der ein Spiel gesehen hat und es kritisch zu betrachten weiß.

Arme Hertha. Aus den beiden folgenden Auswärtsspielen gegen die gerne als Altmeister bezeichneten Gelsenkirchener und Nürnberger sollten mindestens vier Punkte geholt werden. Bei zwei Niederlagen wäre Hertha endgültig im Abstiegskampf angekommen.

Gersbecks zweite Chance

Schade, dass Mario Gersbeck kein sächsischer Neonazi ist. Dann könnte man bei seiner Gerichtsverhandlung wegen schwerer Körperverletzung auf Nachsicht des Richters hoffen, weil schließlich durchaus denkbar ist, dass er von seinem Gegner provoziert, vielleicht sogar angegriffen wurde und er sich nur verteidigt hat. Außerdem ist die Schuldfähigkeit durch übermäßigen Alkoholgenuss sowieso fraglich. Und mit der Polizei hatte er vorher nie etwas zu tun. Und dass jungen Leuten mal die Hand ausrutscht, hat es schließlich schon immer gegeben und, und, und. Aber leider ist Gersbeck kein Neonazi, der die volle Gnade eines einäugigen Gerichts zu spüren bekommt, sondern ein (in dieser Situation) dummer Fußballer, der sich im Vollsuff nicht kontrollieren konnte. Und deshalb gehört er auch bestraft. Und zwar sollte es eine empfindliche Geldstrafe geben (mit dem Geschädigten hat er sich ja wohl, wenn man Meldungen glauben darf, ebenfalls auf ein angemessenes Schmerzensgeld geeinigt). Alles andere erscheint, ohne den Fall bis ins Letzte zu kennen, unangemessen.

Und was macht Hertha? Präsident Bernstein ist, wie man hört, für eine baldige Begnadigung. Andere Vorstandsmitglieder sind für eine Kündigung, was natürlich sofort die nächste (fünfte?) Klage vor dem Arbeitsgericht gegen Hertha zur Folge hätte. Der gesunde Menschenverstand, auch wenn man bei diesem Begriff sehr vorsichtig sein sollte, sagt doch, dass ein immer noch junger Mann für einen einmaligen Ausrutscher nicht sein Leben lang büßen sollte. Und darum handelt es sich ja wohl, wenn ihm eine noch mehrjährige Profikarriere verwehrt wird.

Präzedenzfälle gab es einige in der Geschichte der Bundesliga. Weltmeister Helmut Rahn fuhr mit seinem Auto im Suff in eine Baugrube, leistete Widerstand gegen die Polizisten und wurde festgenommen, um trotzdem ein Jahr später unter dem ach so gestrengen Sepp Herberger bei der WM 1958 in Schweden zu brillieren. Später saß er als Wiederholungstäter vier Wochen im Gefängnis und durfte dennoch am Abend seiner großen Karriere noch zwei Bundesligaspielzeiten beim Meidericher SV (MSV Duisburg) spielen. 1860 Münchens Rudi Brunnenmeier saß wegen einer „zünftigen“ Wirtshausschlägerei zwei Wochen im Gefängnis, was ihn nicht daran hinderte, später im stolzen Dress der deutschen Nationalmannschaft unter dem moralisch untadeligen Helmut Schön aufzulaufen.

Der Vorstand von Hertha sollte nicht päpstlicher als der Papst sein und Gersbeck nach zeigen der vereinsinternen gelbroten Karte begnadigen, nicht ohne eine empfindliche Geldstrafe (im Idealfall für soziale Zwecke) auszusprechen. Das Schädigen des eigenen Vereins im Zuge des Skandals von 1971 ist bei den etwas gesetzteren Anhängern noch in allerschlechtester Erinnerung. Groß, Steffenhagen, Patzke und der Rest der Mannschaft, die gegen Bielefeld verlor, wurden nach ihren Sperren aussortiert. Kein anderer Verein hat das gemacht. Die negativen Folgen sind bis heute zu spüren…

Dardais Weihnachtswunsch

Fünf – vier- drei- drei. Das ist keine Telefonvorwahlnummer, sondern ist die Anzahl der geschossenen Tore von Hertha in den letzten vier Spielen. Nun gut, in Magdeburg hat man zwar vier Tore geschossen, aber ohne Abwehr auch sechs kassiert, in den drei anderen Spielen reichten die Tore aber, dank gefestigter (keineswegs fehlerfreier) Abwehrleistungen, jeweils zum Sieg. Dass in Kiel nach souveräner erster Halbzeit, die eines Aufstiegsanwärters würdig war, durch zehn Minuten Konzentrationsschwäche nach der Halbzeitpause der Sieg noch fast aus der Hand gegeben wurde, zeigt, dass die Mannschaft noch nicht vollständig gefestigt ist. Immerhin konnte sie das Spiel wieder an sich ziehen und zum Schluss verdient, wenn auch mit Hilfe von zwei Elfmetern (beide berechtigt), gewinnen. Unfassbar, dass ein junger Mann wie Scherhandt, der doch ein selbsternannter Erstligaspieler ist, den Ball bei einem Konter in der Nachspielzeit aus 20 Metern am leeren Tor vorbeischiebt. Die Fußhaltung zeigte eher in Richtung Eckfahne als mittig aufs Tor. Alles nochmal gut gegangen. In der vorigen Saison wäre nach diesem Blackout mit Sicherheit noch der Ausgleich gefallen.

So könnte der Weihnachtswunsch von Trainer Dardai, nach der Hinrunde sich im Idealfall noch in Sichtweite der Aufstiegsplätze zu befinden, doch noch Wirklichkeit werden, liegt man doch momentan zehn Spieltage vor Ende der Hinrunde nur vier Punkte hinter dem Zweiten St. Pauli. Und eben diese St. Paulianer kommen am nächsten Sonnabend zum Flutlichtspiel ins Olympiastadion. Da könnte es, auch dank angekündigter großer Fanbegleitung aus Hamburg, mal wieder ein volles Haus geben. Wer hätte das nach dem 0:3 beim HSV, als Hertha auf dem letzten Platz lag, gedacht…

Herthas überflüssige Rekorde

Wenn Hertha BSC einen 36-jährigen Spieler verpflichtet hätte, würde die gesamte Fußballgemeinde samt dazugehöriger Presseschaffender nicht zu Unrecht von einem schlechten Witz reden. Bei Union dagegen wird über den Zugang von Bonucci, der bei Juventus wohl nicht mehr erste Wahl war, ehrfürchtig gestaunt. Allerdings muss man den Köpenickern zugute halten, dass ihre Transfers in den letzten fünf Jahren sich oft als Volltreffer erwiesen haben (nicht alle, siehe Öztunali etc.), was man von Hertha nun wahrlich nicht behaupten kann. Die meisten Zugänge aus der letzten Schaffensperiode von Michael Preetz und der unseligen Zeit des Kontinuitäts-Weltmeisters Bobic haben den Verein schon wieder verlassen, weil sie entweder zu teuer sind oder sich als unfähig erwiesen haben (Lee, Maolida, Boetius…). Folge der Misswirtschaft und des daraus resultierenden Abstiegs war ein nie dagewesener Umbau des Kaders, der den bei früheren Abstiegen bei weitem in den Schatten stellt.

21 (!!!) Spieler gingen (z.T. waren sie schon ausgeliehen): Ascacibar, Alderete, Jovetic, Ejuke, Mittelstädt, Sunjic, Boetius, Boateng, Ngangkam, Cigerci, Piatek, Tousart, Schwolow, Kanga, Plattenhardt, Christensen, Uremovic, Lukebakio, Serdar, Richter und Eitschberger.

Neu wurden 12 Spieler verpflichtet: Reese, Gersbeck, Gustav Christensen, Bouchalakis, Hussein, Karbownik, Dudziak, Leistner, Prevljak, Palko Dardai, Lucoqui und Tabakovic.

Dazu kamen 16 Spieler, die verliehen waren oder aus der U 23 bzw. der A-Jugend kommen: Gechter, Winkler, Maza, Klemens, Stange, Silva-Kiala, Zeefuik, Kwasigroch, Galler, Rölke, Strasner, Bence Dardai, Aksakal, Wollschläger und Kesik.

Aus dem Abstiegskader blieben nur Niederlechner, Scherhandt, Marton Dardai, Pekarik, Ernst, Kempf, Rogel, Kenny sowie Maolida und der Dauerverletzte Nsona, der noch nicht ein einziges Mal im Kader stand, jetzt aber, nach über einem Jahr, in der U 23 aufgebaut werden soll.

Wenn man konservativ rechnet (21 plus 12) schlagen 33 Spielerbewegungen zu Buche. Nimmt man die 16 Nachwuchs-/Leihspieler dazu hat es Hertha auf den sicher einmaligen Rekord von 49 Transfers gebracht.

Welche eine Arbeit, die vor allem Benjamin Weber da vollbracht hat. Mit Sicherheit werden durch die 21 Abgänge um die 40 Millionen € an Gehältern gespart, dazu kommen ca. 25 Millionen € Ablösesummen. Die neuen Spieler kosten hoffentlich nur um die 10 Millionen pro Jahr bei etwa 5 Millionen Gesamtablöse. Wirtschaftlich absolut nötig, ob es sportlich akzeptabel sein wird, steht in den Sternen. Man weiß noch nicht so recht, was man von der Mannschaft halten soll. Unglücklichen Niederlagen in Düsseldorf und gegen Wiesbaden folgte ein hoher Pokalsieg in Jena um danach gegen den HSV wieder einzubrechen. Nach dem souveränen 5:0 gegen Fürth verliert man in Magdeburg mit 4:6. Noch nie hat eine Mannschaft in der zweiten Liga ein Spiel verloren, nachdem sie viermal in Führung lag! Ein weiterer Rekord der Hertha, auf den man gut und gerne hätte verzichten können.

Aber wenn die Qualität sich als nicht ausreichend herausstellen sollte, kann man in der Wintertransferperiode ja noch das eine oder andere Dutzend Spieler verpflichten…

Kann nichts schiefgehen…

Zum Mittagessen spielt Hertha am Sonnabend in Jena in der ersten DFB-Pokal-Runde. Hoffentlich bleibt dem blauweißen Anhänger nicht die Boulette im Halse stecken. Jena ist in der Regionalliga, das ist übrigens die 4. Liga (5 Staffeln) mit zwei Unentschieden in die neue Saison gestartet. Genau der richtige Gegner für Hertha, um in der ersten Runde wieder mal zu scheitern. Denn der Abstand von der 2. zur 4. Liga ist genauso groß wie der von der 1. zur 3. Liga. Und man erinnert sich ja wohl hoffentlich, wie oft Hertha gegen Drittligisten wie Braunschweig, St. Pauli, Worms und wie sie alle hießen, ausgeschieden ist. Dazu kommt natürlich die Tatsache, dass es sich für Jena um das Spiel des Jahres handelt, denn Hertha hat schließlich noch, warum auch immer, einen großen Namen. Außerdem hat sich die Mannschaft in der Liga, trotz guter Ansätze, noch nicht gefunden. Kein Wunder, wenn der Spielbetrieb mitten in der Transferperiode beginnt.

Apropos Transferperiode: Herthas Verantwortliche, das sind ja wohl die Herren Weber, Herrich, Bernstein, Zecke Neuendorf und Pal Dardai, scheinen einen neuen Rekord aufstellen zu wollen. Nachdem aus dem vorjährigen Kader 15 Spieler den Verein verlassen haben (und einige wie Lukebakio und Serdar, eventuell auch Richter und Kempf, von Maolida, Rogel und Kenny gar nicht zu sprechen, werden noch gehen) und 15 bis 20 Spieler, je nachdem ob man verliehene Spieler, die in die blauweiße Familie zurückkamen und Jugendspieler, die einen Vertrag unterschrieben, obwohl sie wohl erstmal in der U 23 aufgebaut werden sollen, dazu zählt, gekommen sind, wird es auf 30 bis 40 Transferbewegungen hinauslaufen! Das erinnert fatal an die Kontinuität nach Bobic-Manier. Natürlich musste man die meisten Überverdiener abgeben um den Personaletat von 90 Millionen auf 40 – 50 Millionen und weitergehend auf ca. 20-30 Millionen zu senken. Aber schüttet man das Kind nicht mit dem Bade aus? Und wie weit reicht eigentlich die Expertise der Scouts, wenn man nicht erkennt, dass ein Spieler wie Dudziak, der in Düsseldorf ganz ordentlich auftrat, gegen Wiesbaden mehrere Sprintduelle im 10.000-m-Tempo absolvierte und dementsprechend verlor. Ein Sprinttraining vor Vertragsunterzeichnung müsste eigentlich möglich sein. Und wer die 100 m langsamer als 15 Sekunden läuft ( eine glatte „Vier“ beim Sportabitur) sollte vielleicht an die Tischtennis-Abteilung weitergereicht werden. Denn man darf ja nicht vergessen: Auch die Neuzugänge im Dutzend verdienen ja ein Gehalt aus dem mittleren bis oberen Management mit 500.000 Euro, um mal eine Zahl zu nennen, die sicher bei vielen nicht unrealistisch ist.

Wir sind gespannt, was sich bis zum 31. August noch so alles tut.

Und wenn Hertha wider Erwarten die zweite und vielleicht sogar die dritte Pokalrunde erreicht, gäbe es ja auch wieder etwas frisches Geld in die klamme Vereinskasse. Dann könnte man in der Winterpause noch fünf bis zehn neue Spieler verpflichten. Natürlich streng entsprechend dem Berliner Weg…

Verpatzter Beginn

Nach dem zweiten Spieltag der 2. Liga muss man sich beim Blick auf die Tabelle nicht umgewöhnen. Hertha steht nach zwei Niederlagen in zwei Spielen in der Abstiegsregion. Auch die Art und Weise, wie die Niederlagen entstanden, erinnern fatal an die letzte Saison: Ordentliches Spiel, aber mit Unkonzentriertheit (bei einem Kopfball nicht eng am Gegner) oder Pech (Nachspielzeit, 30-m-Durchläufer, Doppelpfosten, Tor) entstehen zwei Niederlagen. Es hätten genauso gut vier Punkte sein können. Auch gegen Wiesbaden waren zumindest phasenweise gut anzusehende Spielzüge zu erkennen, wenn man ganz genau hinsah, und das alles ohne echtes Mittelfeld, in dem sich Richter zwar aufopferte, allein aber das Spiel auch nicht ständig leiten konnte.

Pal Dardai macht genau das Richtige, indem er sich vor die Mannschaft stellt. Natürlich muss ein Erfolgserlebnis her, damit die Mannschaft an sich glauben kann. Das wird es eher im Spiel gegen den HSV, als im Pokal gegen Jena geben, man kennt ja Herthas Qualitäten in der ersten Pokalrunde.

Immerhin kristallisiert sich langsam so etwas wie eine Mannschaft aus dem undurchschaubaren Wust von über 40 Spielern heraus, von denen einige geschonte Verkaufskandidaten sind, andere eher Perspektivspieler, die wahrscheinlich hauptsächlich in der U 23 auflaufen werden.

Aus dem Team gespielt hat sich mit Sicherheit vorerst Dudziak, der mehrmals auf 20 Meter 10 Meter im Laufduell verlor. Es soll spezielles Sprinttraining geben, was hier dringendst angesagt werde. Das geht überhaupt nicht, wenn man den Anspruch hat, Leistungssportler zu sein. Einwechsler Lucoqui machte es besser, hatte aber einige Stellungsfehler in seiner Performance. Unauffällig Palko und Bence Dardai, momentan keine Verstärkung für die erste Mannschaft. Tabakovic dagegen deutete mit guten, schnellen Bewegungen einiges an Potenzial an. Überragend natürlich Toni Leistner, der Kempf in der Innenverteidigung klar ausstach.

Eine Abwehr mit Zeefuik (Pekarik, Kenny), Leistner, Kempf und Lucoqui (Gechter, Eitschberger), ein Mittelfeld mit M. Dardai und Klemens (defensiv) und Richter (offensiv) und einem Angriff mit Scherhardt (P. Dardai), Tabakovic und Reese könnte durchaus um den Aufstieg mitspielen, auch wenn die beiden für die Vorrunde erlaubten Niederlagen schon erarbeitet wurden. Neun Siege und sechs Unentschieden ergäben 33 Punkte, die nötig sind. Nach dem gesehenen Start zwar eher unwahrscheinlich, aber unmöglich ist ja schließlich gar nichts.

Offen wäre noch die Besetzung der Torhüterposition. Wenn Christensen, für den endlich mal eine realistische Ablöse im Raum steht, geht, ist Ernst die klare Nummer Eins. Es sei denn, man gibt sich einen Ruck und begnadigt Gersbeck nach Zahlung einer gepfefferten Strafe und Zeigen der vereinsinternen dunkelgelben Karte.

Warum muss denn ausgerechnet Hertha im Zweifelsfall immer masochistisch vorangehen und Spieler nach Fehlern rausschmeißen (Skandalsünder 1971, Fiedler, Jarstein…). Das ist im Zweifelsfall teuer und hilft nur dem Gegner, der sich ins Fäustchen lacht…

Viel Lärm um Nichts

Tousart und Schwolow wechseln von Hertha zu Union. Leistner, ehemaliger Unioner, wechselt zu Hertha. Na und? Will man eigentlich sagen, aber es gibt natürlich, wie überall und immer im Leben, ein paar Idioten, denen das nicht passt. Sogenannte Fans, die geistig irregeleitet sind, bringen ein Schmähplakat gegen Leistner am Trainingsgelände von Hertha an. Großes Medienecho. Aber dass er beim offiziellen Schautraining vor mehreren tausend Zuschauern freundlichen Applaus erhielt, war natürlich keine Meldung wert. Ebenso wurden Tousart und Schwolow in Köpenick mit Beifall empfangen. Schmährufe wären für die Gazetten natürlich schöner gewesen, leider erfüllten ihnen die rotweißen Anhänger den geheimen Wunsch nicht.

Dass Tousarts Ablöse nur ca. 3 Millionen Euro betragen soll, ist natürlich ein Witz. Einer der stärksten Sechser der Liga würde auf einem normalen Markt sicher das dreifache generieren. Aber bei Hertha heißt die Devise: „Alles muss raus“, um die exorbitanten Gehälter einzusparen. Insofern hat auch der Deal mit Schwolow Sinn, der den Vertrag auflöste und ohne Abfindung ging. Natürlich wussten alle Beteiligten, dass er zu Union gehen würde. Herthas Vorteil: Zwei Jahre Gehalt gespart, was sicher zwei bis drei Millionen Euro ausmacht. Und eine Ablösesumme könnte man bei Schwolows mehr als durchwachsenen Leistungen (auch bei Gelsenkirchen) momentan kaum erwarten.

Schwolow und Tousart sind die Abgänge Nr. 12 und 13. Zuvor gingen Ascacibar, Alderete, Jovetic, Ejuke, Mittelstädt, Sunjic, Boetius, Boateng, Ngankam, Cigerci und Piatek. Das sind zusammen sicher 20 Millionen Jahresgehälter, die gespart werden (müssen).

Neu dazu stießen bisher Reese, Gersbeck, Gustav Christensen, Lucoqui, Palko Dardai, Prevljak, Leister, Dodziak und einige verliehene Rückkehrer wie Gechter, Winkler, Wollschläger etc. Einschließlich einiger junger Spieler, die wahrscheinlich überwiegend in der U 23 spielen werden, wie Maza, Eitschberger, Stange, Silva Kiala, Goller, Kwasigroch, Klemens, Bence Dardai und Strasner sind momentan noch 41 Spieler im Kader. Viel zu unübersichtlich.

Aber einige Ehemalige werden sicher noch gestrichen, wie Plattenhardt, Uremovic, Kenny, Kanga, Maolida und Lukebakio, vielleicht sogar Kempf, Rogel und Richter.

Bis zum 31. August kann und wird sich noch viel ändern. Leider. Denn die Wechsel nach Saisonbeginn sind eine unselige Zeiterscheinung, die schnellstens eliminiert gehört. Zwei Monate Transferfenster im Juni und Juli sind doch Stress genug für Manager und Fans. Aber mit Vernunft kann man im Fußballgeschäft nicht unbedingt rechnen…