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WM-Qualifikation: Richtung Russland nichts Neues

Richtige Überraschungen blieben am dritten Spieltag der neudeutsch sogenannten „european qualifiers“ aus, denn die Heimniederlage Hollands gegen Frankreich und das Auswärtsunentschieden Englands in Slowenien sind ja angesichts der Unbeständigkeit beider Nationalteams nicht außergewöhnlich zu nennen. Das beliebte deutsche Fußballlied „Ohne Holland – fahr’n wir nach Russland“ muss übrigens, damit Takt- und Versmaß stimmen, auf der letzten Silbe betont werden, was sich zwar sonderbar anhört, des übergeordneten Ziels wegen aber leider nicht zu ändern ist. Herr Blind (wenn er Schiedsrichter wäre, böten sich wunderbare Scherze mit seinem Namen an) wird wohl nicht mehr lange Bondscoach bleiben und in England müsste wohl Jürgen Klopp die Three Lions übernehmen, um auch nur in die Nähe von Erfolg zu kommen, aber der will ja irgendwann Jogi Löw ablösen, der spätestens nach einer eventuellen Titelverteidigung 2018 beifall- und tränenumrauscht abtreten wird (und im wesentlich wahrscheinlicheren Falle der Nicht-Titelverteidigung sowieso).

Ansonsten gilt das Gegenteil vom früheren Postulat des Kaisers, der ja die „Kleinen“ eine Vorqualifikation spielen lassen wollte: Es gibt kaum noch „Kleine“, fast alle Ergebnisse sind äußerst knapp, wie z.B. Mazedonien – Italien 2:3 (in der Nachspielzeit!), Israel- Liechtenstein 2:1, Andorra – Schweiz 1:2, Tschechien – Aserbaidschan gar 0:0, Polen – Armenien 2:1. Über Island – Türkei 2:0 wundern wir uns nach der EM sowieso nicht mehr. Einzig die Färöer und Gibraltar fallen mit jeweils 0:6 gegen Portugal bzw. Belgien etwas aus der Rolle. In den Tabellen spiegeln sich die knappen Ergebnisse natürlich nicht wider, und Aserbaidschans zweiter Platz in der deutschen Gruppe C dürfte auch nicht von allzu langer Dauer sein. Mal abwarten, wie sich Löws Truppe in Baku schlagen wird. Bisher gab es dort ein 2:0 und ein 3:1. Zumindest im nächsten Spiel, in San Marino, dürfte es keine Probleme geben. Dort gab es 2006 ein 13:0 mit 4 Toren von Lukas Podolski. Aber damals war die Chancenverwertung auch nicht das Problem der Nationalmannschaft. Rekordsieg ist übrigens immer noch das 16:0 gegen das im vorrevolutionären Koma liegende Russland am 1.7.1912. Ob die Russen dieses Spiel auch in ihrer Länderspielstatistik führen…?

Wieder mal ein neuer WM-Modus

Signore Infantino bereichert den Diskurs über die unendliche Geschichte der Veränderung der WM-Endrunden mit einem witzigen Einfall: Eine WM mit 48 Teilnehmern und vor der Gruppenphase eine k.o.-Runde. Das macht erstmal 24 Spiele, die das Fernsehen schön vermarkten kann. Leider haben wir danach die unselige Zahl von 24 Teilnehmern, die es auch früher schon mal gab, was bedeutet, dass sich auch Gruppendritte qualifizieren, mit all den Ungerechtigkeiten dieses Systems. Dann doch gleich eine Aufstockung auf 64 Teams und vor der 32-er Gruppenphase eine k.o.-Runde, womit 64 Mannschaften als WM-Teilnehmer gelten würden und das Fernsehen weitere 32 Spiele übertragen könnte. Bisher ist die Geschichte der WM-Endrunden eine Geschichte der Expansion. Waren 1930 gerade einmal 13 Mannschaften in Uruguay dabei, so sollte sich die Zahl 16 bald etablieren. Aber auch hier gab es viele Varianten der Organisation. Nach vier Vierergruppen das k.o.-System, teilweise zwei Gruppen der letzten acht, deren Sieger das Finale bestritten, 1950 eine Vierer-Finalrunde ohne Endspiel(!), 1954 zwar auch Vierergruppen in denen aber nicht jeder gegen jeden spielte, sondern dubiose Setzlisten zur Geltung kamen (Deutschland gegen die gesetzte Türkei und Ungarn, Südkorea ebenfalls gegen beide Gegner; wirres System mit dem Entscheidungsspiel gegen die Türken). Dann 24 Mannschaften (siehe oben) und zuletzt 32 Mannschaften in Vierergruppen und anschließend k.o.-Spiele. Dieses System hat sich als das beste, interessanteste und gerechteste erwiesen. Die jetzige Herumdoktorei ist entweder im Geltungsdrang der neuen FIFA-Führung zu sehen oder sie entspringt der Erkenntnis, dass immer mehr Spiele immer höheren Gewinn, teilweise vielleicht auch auf dem einen oder anderen Privatkonto eines Funktionärs, versprechen. Soll ja vorkommen so was…

Klar ist, dass Infantinos Vorschlag nicht das Ende der Fahnenstange ist. So wie bei Computerchips das Ende der Entwicklung (wahrscheinlich) erst dann erreicht ist, wenn Leiterbahnen Molekülgröße erreicht haben, ist das Ende der WM-Endrunden-Teilnehmerzahl erst dann erreicht, wenn alle Länder der Erde daran teilnehmen (durch Stückelung, wie es ja historischer Weise mit Großbritannien in England, Nordirland, Wales und Schottland schon der Fall ist, könnte man die Zahl natürlich locker von 200 Staaten in 400 oder 800 Teilstaaten erhöhen). Bei 200 Staaten (einige der 211-FIFA-Mitglieder müssten allerdings eine Qualifikationsrunde durchstehen) hätte man dann 50 Vierergruppen, das ergibt schon mal 300 Spiele, bis die letzten 100 ermittelt sind. 25 weitere Vierergruppen bedeuten weitere 150 spannende Begegnungen. Wenn nur der Sieger weiterkommt, haben wir 25 Qualifikanten, die wir mit den sieben besten Dritten auffüllen, um wieder zur jetzigen 32-er Anzahl zu kommen. Eine WM-Endrunde würde ungefähr zwei Jahre dauern, was kein Problem darstellt, da der Großteil der Qualifikationsspiele ja wegfallen würde. Es gibt dann eben kein Sommermärchen mehr, sondern die „Märchenjahre“… Unrealistisch erscheint mir das nicht. Und auch Gibraltar oder die Malediven können sich im Briefkopf „WM-Teilnehmer“ bzw. natürlich „FIFA-WM-Teilnehmer“ nennen.

Ob ich allerdings bei meiner Tradition bleibe, mir jedes Endrundenspiel anzusehen, weiß ich noch nicht. Vielleicht schwänze ich die zweite Halbzeit von Nepal gegen Guayana…

Nach der Europameisterschaft ist vor der Saison

Nachdem die französische Nationalmannschaft die deutsche unverdientermaßen in den vorfristigen Sommerurlaub geschickt hat (die „Mannschaft“ hat wahrscheinlich ihr bestes Europameisterschafts-Turnier seit 1972 gespielt), hat sie das Finale gegen Portugal verloren, obwohl Payet den Befehl seines Trainers, Ronaldo in jedem Falle auszuschalten, gewissenhaft erfüllte. Was nach 1984, als Frankreich in Frankreich Europameister wurde, keiner Mannschaft mehr gelang, nämlich im eigenen Land den Titel zu holen, war, die Serie fortsetzend, auch den Franzosen nicht vergönnt. Da die nächste EM allerdings in fast ganz Europa ausgetragen werden wird, bleibt Island als einer der wenigen Favoriten für das Turnier 2020 übrig…

Während die Nationalspieler noch im Urlaub ihre Wunden lecken, schwitzen die Spieler von Hertha BSC schon bei der Saisonvorbereitung. Einziger „Neuzugang“ ist bisher der ausgeliehene Torhüter Gersbeck, der sofort weiterverliehen wurde. Was auf dem  Immobilienmarkt der Hauptstadt vorgelebt wird, übernimmt der Profifußball, als wenn es die natürlichste Sache der Welt wäre, Menschen zu mieten und zu vermieten.

Weitere Verpflichtungen? Fehlanzeige. Aber Herthas Manager Preetz ist gut beraten, wenn er Klasse statt Masse verpflichtet und gut Ding will auch hier Weile haben. Es sind sowieso nur punktuelle Ergänzungen nötig, vielleicht auf den Außenbahnen als Alternative zu Haraguchi und Stocker. Mit Allagui und Schieber und vielleicht auch Baumjohann kommen drei Spieler, die aufgrund ihrer Verletzungen in der letzten Saison kaum zum Zuge kamen, wieder als vollwertige Kräfte in den Kader zurück. Da wenige den Verein verlassen (van den Bergh, Beerens, Ronny(?)), benötigt man auch wenige Ergänzungen. Es geht wenig über ein eingespieltes Team, besonders zum wichtigen Beginn der Saison. Insofern: Ruhe bewahren und gemütlich unterm Sonnenschirm beim eiskalten Getränk zurücklehnen und entspannen…

Hat das deutsche Rumpfteam eine Chance gegen Frankreich?

„Ein Blümchen der Ewigkeit mit zitternden Tränen – das zu seinem Gott betet und stirbt!“ Zarte und reine Poesie in der isländischen Nationalhymne. Die Franzosen hingegen wollen mit unserem unreinen Blut ihre Ackerfurchen tränken! Insofern schade, dass Horst-Dieter Höttges, Karl-Heinz Förster oder Stefan Effenberg nicht mehr spielen, die hätten ihnen gerne mal am praktischen Beispiel gezeigt, wie man Boden mit Blut tränkt, so wie es einstmals in vorbildlicher Weise Toni Schumacher gezeigt hat. In der Hoffnung, dass wir trotz der blutrünstigen Marseillaise ein faires Spiel erleben werden, sehen wir mal, wie vor dem Italien-Spiel, in der amtlichen Statistik nach: In 27 Spielen gab es 9 Siege, 6 Unentschieden und 12 Niederlagen bei 43:43 Toren. Bei Europameisterschaften gingen sich beide Mannschaften bisher brav aus dem Wege, bei Weltmeisterschaften gelang das nicht immer: 1958, im Spiel um Platz 3 gab’s ein 3:6 von Deutschlands Reserve, 1982 ein 3:3 n.V. im Halbfinale nach Schumachers Amoklauf gegen Battiston (5:4 im Elfmeterschießen), 1986 im Halbfinale ein 2:0 und 2014 im Viertelfinale ein 1:0! Wenn es drauf ankam, hat die deutsche Mannschaft also stets gewonnen, auch wenn die Franzosen meist überlegen waren. Da die deutsche Mannschaft ohne sechs Stammspieler auskommen muss (Gomez, Khedira, Schweinsteiger, Hummels sowie Gündogan und Reus), ist natürlich kluges taktisches Verhalten gefragt. Jogi Löw sollte dementsprechend vor dem Spiel auf keinen Fall versäumen, Mehmet Scholl anzurufen, der ja, wenn auch erst nach dem Spiel gegen Italien, seine 1,5 Millionen Jahresverdienst als Experte zu rechtfertigen wusste. Und als ehemaliger Drittligatrainer weiß er auch genau, wie Frankreich zu schlagen ist. Schließlich hat er selber zweimal gegen die Franzosen gespielt, wenn auch mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass beide Spiele 0:1 verloren gingen. Aber da war Scholl ja nur Spieler, konnte also nichts gegen die Niederlagen tun und außerdem kann man ja aus Fehlern lernen. Schön wär’s, wenn das auch Mehmet könnte und uns in Zukunft mit seinem besserwisserischen Geschwafel verschont…

Wird Island etwa Europameister?

Nach dem ersten Gruppenspieltag schrieb ich an dieser Stelle, dass Island vielleicht die große Überraschung des Turniers werden könne. Nach dem Stand der Dinge war das natürlich eine maßlose Untertreibung. Der unglaubliche Sieges-und Kampfeswille der Isländer, der irgendwas mit mehrtausendjährigen Genen zu tun haben muss (kein normaler Mensch würde sonst auf die Idee kommen, nach Amerika zu rudern bzw. zu segeln) hat vor den Engländern ja auch die Holländer in der Qualifikation in die Knie gezwungen. Wer Holland schlägt, kann auch England schlagen und wer England schlägt, sollte auch die Franzosen besiegen können. Schön wär’s zwar, aber ganz realistisch scheint es nicht zu sein. Die Isländer haben in allen vier bisherigen Spielen mit einem überirdischen Kraftaufwand gespielt und gegen England liefen sie in der letzten Viertelstunde auf dem Zahnfleisch ( es spricht nicht für die Three Lions, dass sie das nicht ausnutzen konnten). Gegen Frankreich einen solchen Geniestreich zu wiederholen erscheint unwahrscheinlich, es sei denn, bei den Isländern handelt es sich nicht um Menschen, sondern um eine aufgewertete Version von Robert-T-online.

Voraussage: Frankreich wird sich lange die Zähne an unseren Wikingerfreunden ausbeißen, aber wenn die Kraft im fünften Spiel ab der 60. Minute nachlässt, werden Griezmann und Co. zuschlagen. Leider…

Und wenn es anders kommen sollte, bin ich froh, dass ich keine Ahnung vom Fußball habe!

Ist im Viertelfinale Schluss?

Schön, dass Deutschland ohne Gegentor Gruppensieger bei der UEFA Euro 2016 geworden ist. Weniger schön, dass man, sollte das Achtelfinale erfolgreich absolviert werden, im Viertelfinale auf Spanien oder Italien treffen würde.

Was sagt die Statistik zu den Chancen?

Gegen Italien gibt es die vernichtende Gesamtbilanz bei Länderspielen von 8 Siegen, 10 Unentschieden und 15 Niederlagen, bei 40:49 Toren. Wesentlich schlimmer ist die Bilanz bei WM- oder EM-Spielen: 4 Unentschieden in Gruppenspielen (0:0 WM 1962, 0:0 WM 1978, 1:1 EM 1988, 0:0 EM 1996) stehen 4 Niederlagen in k.o.-Spielen gegenüber: 3:4 n.V. im Halbfinale der WM 1970, 1:3 im Finale der WM 1982,  0:2 n.V. im Halbfinale der WM 2006 und zuletzt das 1:2 im Halbfinale der EM 2012. Kein Sieg! Das verspricht nicht viel Spaß in einem möglichen Viertelfinale.

Etwas besser meint es die Statistik beim Gegner Spanien. Gesamtbilanz der Länderspiele: 9 Siege, 6 Unentschieden und 7 Niederlagen bei 28.23 Toren. 3 Siege in Gruppenspielen (2:1 WM 1966, Zwischenrunde 2:1 WM 1982, 2:0 EM 1988), ein Unentschieden (1:1 WM 1994) und drei Niederlagen (0:1 Vorrunde EM 1984, 0:1 im Finale der EM 2008 und 0:1 im Halbfinale der WM 2010) lauten die Ergebnisse, was bedeutet, dass der letzte Sieg in einem Pflichtspiel auch schon vor moderaten 28 Jahren erzielt wurde.

Insgesamt also keine besonders Mut machenden Erkenntnisse, wenn man Zahlenfetischist ist. Da jede Serie aber mal zu Ende geht (das gleiche haben wir allerdings in den letzten Jahren immer wieder vergeblich gedacht), könnte es ja sein, dass die deutsche Mannschaft, „an einem sehr, sehr guten Tag“, wie Olli Kahn formulieren würde, den Bock umstößt…

 

UEFA-Euro 16: Vieles neu, macht der Juni…

Es gibt wirklich einige Charakteristika bei dieser Europameisterschaft, die wir aus früheren Jahrzehnten nicht kennen: Es kommt zum Beispiel immer mal vor, dass ein zweiter Ball auf dem Spielfeld ist, weil ein Balljunge schläft oder sich mit seinem Smartphone beschäftigt. Dass aber zehn Mal während eines Spiels, wie in der letzten Woche gesehen, ein zweiter Ball auf das Spielfeld fliegt, darf getrost als Rekord fürs Guiness-Buch angemeldet werden. Ebenso das massenhafte Zerreißen der Schweizer Trikots im Spiel gegen Frankreich. Es war ja schon eine oft geäußerte Idee, die Trikots genau so herzustellen, um das Trikotziehen besser erkennen zu können. Zu verbessern wäre noch, dass sich der Fetzen ganz löst und dem Sünder auch an der Hand kleben bleibt, um die Gelbe Karte auch zielgerichtet verteilen zu können. Gestern erhielt jedenfalls kein Franzose Gelb wegen Trikotzerrens, obwohl vier, nach Fußball-Woche-Recherche sogar sieben Trikots an die Forschungsabteilung von Puma geschickt werden müssen.

Eine weitere Besonderheit der EM ist der absurde Zustand des Rasens in einigen Stadien. Das Geläuf sieht teilweise aus wie die Grundlinie in Wimbledon am Ende des 14-tägigen Turniers nach wochenlanger Trockenheit. Vielleicht handelte es sich beim ausgelegten Rasen um die Sorte „Savanne-Outback“, mit der Namibia- oder Australienfreunde im heimischen Kleingarten die Illusion verbrannter Erde am Ende der Trockenzeit simulieren wollen. Zum Glück laufen keine Giraffen und Zebras in den Stadien herum!

Rein fußballerisch ist die Häufung der spät erzielten Tore auffällig. Schade einerseits, aus Sicht der Underdogs, dass ihre aufopferungsvolle Verteidigungsarbeit nicht belohnt wird (u.a. Rumänien gegen Frankreich, Wales gegen England, Tschechien gegen Spanien), schön andererseits, dass die Gerechtigkeit im Fußball eben doch, wenn auch selten, siegt.

Extrem unschön ist das in jedem Spiel mehrfach beobachtete treten auf den Spann des Gegners, das nur in Ausnahmefällen die zwingend gebotene Gelbe Karte nach sich zog. Entweder handelt es sich um eine neue Unart, den Gegner zu demoralisieren, oder es ist durch die Schnelligkeit und das enge Pressing in Hochgeschwindigkeit zu erklären, dass diese Foulart Hochkonjunktur hat. Eine andere Erklärung wäre die früher in dieser Form nicht so häufig eingesetzte Superzeitlupe, die uns jetzt zeigt, was es schon immer gab, wir aber als dumme Fernsehzuschauer oder Stadionbesucher nur nicht gesehen haben.

Auch zu Beginn des dritten Spieltages sieht es nicht nach einer großen Überraschungs-EM aus: England, Spanien, Italien, Kroatien, Frankreich heißen die Favoriten, eventuell Deutschland, das man ja angeblich immer so lange auf der Rechnung haben muss, bis der Mannschaftsbus das Stadion verlassen hat. Aber, trotz alledem: Island und Ungarn dürfen nicht vergessen werden…

Die Suche nach dem EM-Favoriten

Der sogenannte 1. Spieltag der Fußball-Europameisterschaft ist fast absolviert. Bis auf Österreich, Ungarn, Portugal und Island haben alle Mannschaften einen ersten Eindruck hinterlassen. Da man nicht davon ausgehen kann, dass Österreich oder Ungarn die EM gewinnen, kann man eine erste Bilanz ziehen: Die überzeugendste Leistung boten meines Erachtens die Kroaten, mit einem unermüdlichen Antreiber Modric, einem großartigen Außenspieler Perisic und einem Arbeiter im Sturmzentrum namens Mandzukic. Überraschend gut die Italiener mit dem ewigen Buffon und gewohnt effektivem, hervorragendem Konterspiel. Recht gut auch die Engländer, aber man weiß ja, dass sie keinen Titel holen werden und wer nicht mal gegen enttäuschende Russen gewinnen kann… Frankreich mit Glück, Spanien mit nervtötender Überlegenheit und Geduld, aber nicht mit der Frische früherer Tage, Belgien scheint keine Mannschaft zu sein und Polen ideenlos gegen biedere Nordiren. Die deutsche Mannschaft schließlich recht ordentlich, auch wenn es in der Abwehr noch nicht stimmt, aber es ist bekannt, dass sie sich als Turniermannschaft steigern kann und wird. Portugal wurde nicht mal im eigenen Lande Europameister und wird es trotz oder wegen CR7 schwer haben, ins Halbfinale zu kommen. Wenn Kampfkraft das Hauptmerkmal des kommenden Europameisters wäre, könnte es eigentlich nur wenige Gewinner geben: Die Einstellung der Spieler von Wales und Irland war ehrlich und aufopferungsvoll, echten Fußballfans geht das Herz auf, wenn man sie arbeiten sieht. Und vielleicht werden die Isländer, die ja ähnlich spielen, die ganz große Überraschung des Turniers…

Schlechte Chancen für Deutschland

Bei der Europameisterschaft in Frankreich stehen die Chancen für die deutsche Nationalmannschaft nicht zum Besten. Dabei geht es gar nicht um die sehr durchwachsenen Ergebnisse der letzten beiden Jahre (von den spielerischen Leistungen wollen wir gar nicht erst reden) und die Probleme mit den verletzten Stammspielern wie Gündogan, Schweinsteiger und Boateng (Reus wird sicher noch kurzfristig ausfallen). Nein, es geht in erster Linie um die statistische Tatsache, dass ein amtierender Weltmeister in der Regel nicht Europameister wird. Nur zwei Mal in der 52-jährigen Geschichte der Europameisterschaften mit bisher 14 Europameistern (1960 bis 2012) gelang es Teams im Anschluss an die WM bei der EM erfolgreich zu sein (umgekehrt übrigens auch!).  Frankreich wurde 1998 Weltmeister und 2000 Europameister, ebenso wie Spanien 2008 und 2010. Erst Europameister und dann Weltmeister wurden Deutschland (1972 und 1974) und wieder Spanien (2008 und 2010). Die Leistungen der deutschen Mannschaft geben keinen Anlass zu der Vermutung, dass es einen dritten Doppeltriumph geben könnte. Auch die Spanier sind wohl über ihren Zenit hinaus. Frankreich als Heimmannschaft, die starken Engländer (wenn es nicht zu einem Elfmeterschießen kommt), die ewigen Italiener und der genauso ewige Geheimfavorit Belgien sind wohl die Favoriten. Polen könnte eine Überraschungsmannschaft werden und vielleicht machen Österreich, die Schweiz oder Russland den Griechen die Sensation von 2004 nach. Ist Otto Rehhagel noch irgendwo als Trainer aktiv…?

Marc-André ter Stegen – zweiter Mann hinter Neuer?

Dass ter Stegen in seinen bisherigen Länderspielen jedes Mal die Hütte vollgekriegt hat – geschenkt. Er war schließlich nicht alleine Schuld, ein Torwart kann nicht viel besser sein, als die vor ihm spielende Abwehr. Und dass der abgefälschte Schuss kurz vor dem Ende des Länderspiels gegen Italien ins Tor ging, war ihm wirklich nicht anzulasten. Aber warum er drei Abstöße direkt ins Aus spielte und den Ball bei Rückgaben mehrfach verstolperte (er, der angeblich „großartige Fußballer“!) und damit Gefahren für das deutsche Tor heraufbeschwor, wird sein Geheimnis bleiben. Ist ter Stegen in der Nationalelf so verunsichert, dass seine Nerven stets blankliegen? Oder ist er wirklich so arrogant, wie es rein äußerlich den Anschein hat? Versucht er krampfhaft Sicherheit auszustrahlen, die er überhaupt nicht hat? Auf der Linie ist er ja kein schlechter Torhüter, sonst hätte er nicht für Barcelona 13 Spiele in der Champions-League einschließlich Finale in Berlin gespielt. Aber nichtsdestotrotz hat man bei ihm zumindest bei Rückgaben immer ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, so als wenn einen auf der Autobahn bei Tempo 190 plötzlich das Rad eines Lastwagens überholt.

Es gibt mit Bernd Leno, Ralf Fährmann, Oliver Baumann, Kevin Trapp, Timo Horn und vor allem Ron-Robert Zieler eine Vielzahl von überragenden Torhütern in Deutschland. Warum muss man da auf den zerstreuten ter Stegen zurückgreifen?