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Hertha paradox

Mit Saisonprognosen soll man vorsichtig sein. Während die 11-Freunde Spaßredaktion Hertha im Mai 2016 vor Darmstadt auf dem 17. Tabellenplatz sieht, sind 52.637 Kicker-Leser im Durchschnitt der Meinung, dass Hertha immerhin 15. wird. Andererseits meinen 21,9%, dass Hertha in die Relegation muss. Egal: Nach dem noch nicht ganz beendeten achten Spieltag ist Hertha Tabellenvierter, spielt ansehnlichen Fußball und lockt endlich wieder mehr als die üblichen 45.000 ins Stadion. Sonderbarerweise geschieht dies alles mit einer Verletztenliste, die lang und länger wird. Nach 20 Minuten musste im Spiel gegen den HSV der fehlerlose Ersatz für Langkamp, Niklas Stark, durch den Ersatz-Ersatzspieler Hegeler vertreten werden. Dieser erledigte die Aufgabe mit einer sprachlos machenden Selbstverständlichkeit. Vielleicht war der HSV ja wirklich so schwach, aber Angreifer wie Lasogga, Müller, Holtby und später Olic sind ja kein faules Obst.

Unter dem Strich bleibt: Je mehr Spieler im Kader von Hertha wegen Verletzung fehlen (mittlerweile sind es 12 von 28), desto sicherer und erfolgreicher spielt die Mannschaft. Es wäre also gar nicht so schlecht, wenn sich noch vier, fünf Stammspieler verletzen würden. Vielleicht gäbe es dann mit einigen U23- und ein paar A-oder B-Jugendlichen einen neuen Bayern-Jäger? Die Münchener haben schließlich erst zehn Punkte Vorsprung…

Herthas Verletztenmisere und die Ersatzspieler

Nach der Saisonvorbereitung sagte Trainer Dardai, dass er vor allem hoffe, dass es diesmal nicht so viele Verletzte wie in der verflossenen Saison gebe. Die Hoffnung stirbt zwar laut Fußballerfloskel zuletzt, bei Hertha ist sie aber schon nach fünf Spieltagen wie eine Seifenblase zerplatzt: Von 28 Kaderspielern sind momentan 10 (zehn!) Spieler verletzt und zwei sind Rekonvaleszenten, die nach ihren langen Verletzungen nur teilweise einsatzfähig sind (Baumjohann, Cigerci). Nicht fit, bzw. leichter oder schwerer angeschlagen, sind Ronny, Ben-Hatira, Allagui, Schieber, Pekarik, Brooks, Beerens, Weiser (der fahrlässigerweise trotz Zehenbruchs spielt, hoffentlich hat das keine Spätfolgen) und neuerdings noch Langkamp und Kraft.

Und was macht Hertha? Gewinnt mal eben gegen Köln und ist nach sechs Spieltagen sensationell Tabellenfünfter! Offenbar ist der Kader vom oft geschmähten Sportdirektor Preetz doch so gut zusammengestellt worden, dass er auch massenhafte Ausfälle verkraften kann: Jarstein war kein Deut schlechter als Kraft (wenn nicht sogar besser), der 20-jährige Stark ersetzte Langkamp fehlerfrei und erhielt ein Sonderlob von Dardai. Starker Auftritt! Schieber wird von Ibisevic gut vertreten, Haraguchi ist konstanter als Ben-Hatira, dass Lustenberger Brooks in der Innenverteidigung ersetzen kann, wissen wir seit langem, Weiser macht seine Sache an Pekariks Stelle gut, schlägt sogar die besseren Flanken.

Da müssen sich die jetzt außer Gefecht gesetzten Spieler ganz schon abstrampeln, um wieder in den Kader und die Startformation zu kommen. Uns Anhängern kann es recht sein, der Konkurrenzkampf, wenn er vom Trainerstab richtig genutzt wird und nicht zu Streit in der Mannschaft führt, kann die Leistung ja nur verbessern.

Obwohl: Ein fünfter Platz am Saisonende würde eigentlich reichen…

Phantom-Mannschaft der Hertha-Legionäre

Beim aufmerksamen Konsum der guten alten Sonnabend-Sportschau hat man oft den Eindruck, dass in jedem Verein mindestens drei alte Herthaner spielen. Der Eindruck täuscht, nur bei zehn Vereinen sind ein oder mehrere Ex-Herthaner unter Vertrag. Trotzdem ergäbe sich eine recht feine Mannschaft, wenn man alle diese 19 Spieler zu einem Team zusammenfassen könnte. Die Aufstellung:

Tor: Jaroslav Drobny (HSV),

Abwehr: Lukasz Piszcek (Dortmund) – Jerome Boateng (Bayern) – Christoph Janker (Augsburg) – Nico Schulz (Gladbach),

Mittelfeld: Ibrahima Traoré (Gladbach) – Gojko Kacar (HSV) – Peter Niemeyer (Darmstadt) – Raffael (Gladbach) – Manuel Schmiedebach (Hannover),

Angriff: Pierre-Michel Lasogga (HSV).

Gerade im Angriff hätte ein fiktiver Trainer durchaus die Qual der Wahl: Adrian Ramos (Dortmund), Ivica Olic (HSV), Elias Kachunga (Ingolstadt) und der unverwüstliche Sandro Wagner (Darmstadt) wären, bis auf letzteren, beachtliche Alternativen. Außerdem stünden noch Alfredo Morales (Ingolstadt), Jerome Kiesewetter (Stuttgart) und Fabian Holland (Darmstadt) bereit. Nicht zu vergessen für hauptamtliche Experten: Leon Balogun, der bei Mainz die Bank drückt und vor 2007 in Herthas Jugend spielte.

Wenn man in Abwehr und defensivem Mittelfeld noch etwas nachlegte, eine durchaus konkurrenzfähige Mannschaft. Es komme aber niemand und sage: „Wat der Preetz da wieder allet vakooft hat…“ Etliche wollten weg, einige gingen schon unter Hoeneß und bei wenigen hat man das Potenzial nicht erkannt (Olic, Kachunga…). Aber das kommt bei jedem Verein vor. Selbst die Bayern haben ja damals die Fähigkeiten von Lell und Ottl gnadenlos unterschätzt…

 

 

Hertha und die Mathematik

Nehmen wir es mal streng mathematisch: Hertha hat nach drei Spieltagen 4 Punkte, was nach Adam Riese 40 Punkte nach 30 Spieltagen ergeben würde und aus den letzten vier Runden noch vier bis fünf Pünktchen dazu. Das würde doch sogar etwas mehr sein, als das Saisonziel von Michael Preetz, der sagte, dass es nur darum gehe, dass Hertha in der Bundesliga bleibe. Nicht vergessen dürfen wir, dass Hertha bisher in allen Pokalrunden dieser Saison siegreich war, was, wenn dieser leider erst aus einem Spiel bestehende Trend anhält, der sichere Einzug in das Finale im Mai 2016 im heimischen Olympiastadion bedeuten würde.

Der Haken an der Sache ist, dass Fußball mit Mathematik leider überhaupt nichts zu tun hat, wenn man von der Tätigkeit des Schatzmeisters, wie die Bezeichnung vor Jahrzehnten lautete, mal absieht. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang die Aussage von Trainer Pal Dardai, dass Fußballergebnisse zu 35 % vom Glück bestimmt werden. Was wir immer schon ahnten, als Bastürk drei Minuten vor dem Ende im letzten Saisonspiel 2004/05 gegen Hannover 96 den Ball aus vier Metern an den Pfosten setzte, was ein 0:0 zur Folge hatte. Beim 1:0-Sieg hätte Hertha in der nächsten Saison Champions-League gespielt… Neunmalkluge behaupten zwar, dass sich Glück und Pech im Laufe einer Saison ausgleichen, können dafür aber genauso wenig einen Beweis erbringen wie Pal Dardai für die Zahl 35%. Warum nicht 17% oder 42%? Auf jeden Fall spielen Glück und Pech eine Rolle und wenn Glück nur der Tüchtige hat, wie unsere Altvorderen behaupteten, müsste Hertha in dieser Saison sorgenfrei bleiben. Denn dass die Mannschaft momentan fleißiger als unter vielen anderen Trainern arbeitet, scheint Konsens zu sein. Die ersten Spiele, einschließlich des verlorenen Spiels in Dortmund, lassen den Hertha-Anhänger jedenfalls optimistisch in die Saison sehen. Und wenn Hertha ins Pokalfinale einzieht, hätte sicher niemand was dagegen…

Der Transferirrsinn in der 1. Liga

Bisher scheinen die Manager der 1. Liga vernünftiger zu sein als ihre Kollegen aus Liga zwei: Während es dort 165 Abgänge und 170 Zugänge gab, sind es in der 1. Liga „nur“ 127 Abgänge und 142 Zugänge. Das macht im Schnitt immerhin noch 7 Abgänge und 8 Zugänge pro Verein. Aber da die Transferperiode ja noch drei Wochen dauert, ist zu erwarten, dass die Eliteliga das Unterhaus vielleicht sogar noch einholen kann. Da kann die viel gepriesene Kontinuität nur hohles Geschwätz sein, um irgendwelche senilen Fußballromantiker zu besänftigen.

Im Durchschnitt gibt es also bisher 15 Veränderungen im Kader, positiv (wenn man eine geringere Zahl von Veränderungen denn als positiv einschätzt) weichen davon der FC Ingolstadt mit 3 Abgängen und 4 Zugängen = 7 Veränderungen ab, ebenso der VfL Wolfsburg (9), FC Augsburg (10), Bayern München und Hertha BSC (11).

Den Weg nach Absurdistan eindeutig eingeschlagen haben dagegen der VfB Stuttgart (18), Werder Bremen (19), der HSV (21) und als einsamer Spitzenreiter Hannover 96 mit 24 Veränderungen im Kader. Nicht umsonst werden die 96-er von vielen Experten mit dem Abstieg in Verbindung gebracht, wofür im Übrigen auch der Abstiegsexperte unter den Trainern, Michael Fronzeck, steht.

Das soll natürlich nicht heißen, dass Ingolstadt, als Verein mit den wenigsten Veränderungen, Meister wird (und Hertha schon gar nicht Fünfter), und andersherum wissen ja alle, dass der HSV nicht absteigen kann. Schade eigentlich…

P.S.: Am Ende der Saison müsste man mal den Zusammenhang von der Anzahl der Neuverpflichtungen und dem erreichten Tabellenplatz untersuchen.

Eine schwere Saison für Hertha?

Bisher kam es ja meistens anders, als gedacht. Wenn man Hertha eine ruhige Saison im Mittelfeld zutraute, waren die Abstiegsränge nicht weit (z.B. Saison 14/15) und wenn man dachte, dass es eng werden könnte, spielte die Mannschaft eine solide Saison (z.B. 13/14). So war es oft in Herthas Bundesligahistorie. Nach dem Erleiden des Vorbereitungsspiels gegen Genua, ist man eher geneigt, Hertha eine schwere Saison vorherzusagen: weitgehend ideenfreies Spiel im Mittelfeld, einige Stellungs- und Konzentrationsfehler (Plattenhardt, Brooks) in der Abwehr und ein abschlussschwacher Sturm, in dem Kalou total blockiert ist und selbst aus besten Positionen nicht aufs Tor schießt.
Aber wer weiß, ob nicht alles doch ganz anders wird: Vielleicht kommt ja Baumjohann doch zurück und überwindet seine Verletzungsmisere, eventuell steht sogar ein dynamischer Cigerci wieder zur Verfügung, unter Umständen schafft ein Mitchell Weiser nach überstandener Pause seinen Durchbruch als Erstligaspieler, es könnte ja sein, dass Schieber, wenn er wieder spielen kann, regelmäßig trifft und/oder Kalou ebenso und außerdem gibt es ja noch Allagui, Ben-Hatira und Hosogai, der vielleicht an seine Form aus der Saison 2013/14 abknüpfen kann. Zusätzlich zu all dem ist der Vorteil einer eingespielten Mannschaft auch nicht zu unterschätzen! Und zu guter Letzt könnte es ja sein, dass Sportchef Preetz noch einen weitern hochkarätigen Neuzugang präsentieren kann.
Ein bisschen viel vielleicht und eventuell, aber möglich ist schließlich alles. Hertha ist immer wieder mal für eine Überraschung gut. Außer im Pokal: Nachdem in Bielefeld Revanche für das Vorjahresaus genommen werden wird, ist in der zweiten Runde gegen den Viertligisten Viktoria Köln aber endgültig Schluss…

Die neue Saison und das offizielle Mannschaftsfoto

Emir Spahic ist nicht darauf, weil er zu dem Verein wechselt, der ihn verdient, aber 26 Spieler (neben einer Unzahl von zur Mannschaft gehörenden Trainern, Betreuern, Ärzten etc.), darunter nicht weniger als fünf Torhüter, sind darauf verewigt: Dem offiziellen Mannschaftsfoto von Hertha BSC für die Saison 2015/16. Es fehlen nur Nico Schulz und John Antony Brooks, die ja noch in ihrer Nationalmannschaft spielen, bzw. noch im Urlaub sind, die später „eingeklinkt“ werden, wie es im Fachjargon heißt.
Natürlich geht das wahrscheinlich nicht anders, der Termindruck durch das unbarmherzig näherrückende Erscheinungsdatum des Kicker-Sonderheftes zur neuen Saison gebietet das frühzeitige Aufnehmen. Das Foto allerdings, dass später in allen Sportzeitungen durch die Saison geistern und das Pannini-Album zieren wird, wird nur annähernd das wiedergeben, was es eigentlich darstellen soll: den Kader von Hertha der Saison 15/16. Mindestens drei bis fünf Spieler werden den Verein noch verlassen (müssen) und ähnlich viele werden, wie man Sportchef Preetz kennt, kommen, d.h., dass es ca. zehn Änderungen geben wird. Schon fünf Torhüter auf dem Foto sind eigentlich ein Witz, es sei denn, Kraft und Burchert sollen wirklich, wie neulich im Testspiel ausprobiert, zum Verteidiger umgeschult werden. So gut wie van den Bergh dürfte Burchert allemal sein.

Aber vielleicht sollte man sich doch mal wieder an den guten alten Spruch erinnern: „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen.“: Der Genosse Stalin ließ, nachdem er mal wieder einen Widersacher hatte liquidieren lassen, die Gruppenfotos des Politbüros für die Nachwelt gnadenlos retuschieren. Warum nicht auch die Mannschaftsfotos der Bundesligisten, zumal Spieler heute nur verkauft und nicht umgebracht werden, wenn man ihre Dienste nicht mehr benötigt. Und schlimm wäre es nicht, wenn man kurzfristig die Köpfe von Wagner, van den Bergh und Niemeyer (leider!), durch X, Y und Z ersetzen würde. Fotoshop vereinfacht die Sache erheblich. Nur bei Ronny müsste man etwas genauer aufpassen…

Wer ist eigentlich Emir Spahic?

Als ich neulich im U-Bahn-Fernsehen auf einem Foto einige Berater von Emir Spahic vor der Hertha-Geschäftsstelle sah, hatte ich sofort Verschwörungstheorien im Kopf: Da will jemand, der dem armen Michael Preetz nicht wohlgesonnen ist, dem Hertha-Manager, der nach der verunglückten Saison und der Schelte auf der Mitgliederversammlung angezählt ist, den letzten Rest von Reputation nehmen. Denn nur ein dem Irrsinn Nahestehender kann doch auf die Idee kommen, einen Emir Spahic nach den Vorkommnissen in Leverkusen zu verpflichten. Auch wenn es schwerfällt: Versuchen wir doch mal frei von allen Emotionen Für und Wider einer Verpflichtung gegeneinander abzuwägen.
Dafür spricht erstens die Erfahrung einer langen Karriere mit über sechzig Länderspielen für Bosnien-Herzegowina. Zweitens dürfte die Ablösesumme nach dem Rauswurf bei Leverkusen ca. null Euro betragen und das Gehalt sollte drittens bei einem Spieler, der vielleicht woanders nie wieder einen Vertrag bekommen würde, auch nicht im Millionenbereich, wie etwa bei (dem meines Erachtens zu schlecht beurteilten) John Heitinga, liegen. Viertens könnte Hertha einen guten Spieler im Abwehrzentrum durchaus gebrauchen, denn wenn sich Langkamp oder Brooks, die wohl unbestritten erste Wahl sind, verletzen, ist adäquater Ersatz nicht in Sicht. Und fünftens sollte man nicht außer Acht lassen, dass jeder, selbst ein Mörder (und ganz so schlimm ist es ja glücklicherweise bei Spahics Kopfstoß nicht gekommen), eine zweite Chance im Leben verdient hat.
Was spräche nun aber gegen eine Verpflichtung von Emir Spahic? Als erstes muss natürlich die Körperverletzung gegen einen Ordner berücksichtigt werden. Fabian Lustenberger würde so etwas nicht tun. Wer solche Handlung auch nur als Option in Erwägung zieht, und sei er noch so ungerecht behandelt worden, ist charakterlich nicht geeignet bei Hertha zu spielen. Vorbildfunktion Fehlanzeige. Zweitens ist Spahic wohl noch zu Saisonbeginn gesperrt und was geschieht eigentlich, wenn er in der laufenden Saison wegen Körperverletzung verurteilt wird? In den Knast kommt man ja bei uns nicht so schnell, aber unmöglich ist es auch nicht… Wichtigstes Argument gegen eine Verpflichtung scheint drittens das gesetzte Alter von 35 Jahren zu sein, das der gute Emir im August erreicht. Andere Profis seines Alters haben sich längst nach einer Schaf- oder Ziegenrasse umgeschaut, die sie auf einem Biobauernhof in der bosnischen Heimat züchten können. Und schließlich scheint viertens seine Vita darauf hinzudeuten, dass sich Herr Spahic nirgendwo lange Freunde gemacht hat: Dubrovnik, Zagreb, Jaroslawl, Moskau (Torpedo und Lokomotive), Montpellier, Sevilla und Leverkusen lauten seine Stationen auf dem europäischen Kontinent. Was allerdings besonders zu denken gibt, ist die Lücke, die 2009 in seinem fußballerischen Lebenslauf auftaucht. So schnell ist man als guter Profi eigentlich nicht „vereinslos“.
Lange Rede kurzer Sinn: Da Hertha keine Anstalt zur Reintegration Gestrauchelter in die Gesellschaft ist, sollte von einer Verpflichtung abgesehen werden, es sei denn, Emir Spahic bringt noch ein paar hunderttausend Euro mit, um wieder spielen zu dürfen…

Hertha und der Transfermarkt…

Erfreulich , erfreulich: Endlich wird man bei Hertha schlau und hält sich mit den Transfers für die neue Spielzeit dezent zurück. Während einige der solventen Bundesligisten kurz nach der Winterpause ihre ersten Neuzugänge meldeten und der Stadtrivale Union zum Saisonende fast täglich eine Neuverpflichtung bekanntgab, herrscht bei Hertha vornehme Funkstille. Vielleicht ist Sportdirektor Michael Preetz nach dem Transferwahn der letzten Saison, als es neun neue Spieler zu integrieren galt, woran Trainer Luhukay letztlich scheiterte, zur Besinnung gekommen und kauft nicht, was dubiose Spielerberater wie Sauerbier anbieten, sondern was charakterlich und spielphilosophisch zum Team passt. Und wenn nachher nur zwei Neue kommen: Auch gut. Wenn jeder vorhandene Spieler zusätzlich nur drei Prozent besser gemacht wird (wie auch immer man so etwas messen will) und durch die dann klug ausgewählten Neuen ein paar weitere Prozent dazukommen, ist es laut dem einstigen Hertha-Trainer Favre so, als ob die Mannschaft einen Spieler mehr auf dem Platz hat.
Schaun wir mal, was der Preetz macht. Mich beunruhigt es auf jeden Fall überhaupt nicht, wenn ich im U-Bahn-Fernsehen zwar täglich die Transfers der Konkurrenz zur Kenntnis nehmen muss, von Hertha aber weit und breit nichts zu hören ist.
Vielleicht ist Herthas Sportdirektor aber vom Saisonfinale und der folgenden Mitgliederversammlung noch so erschöpft, dass er erstmal auf einer einsamen Insel neue Kräfte sammelt, um dann umso stärker zuzuschlagen. Hoffentlich erholt er sich nicht so schnell…

Michael Preetz und die Finalisierung …

Michael Preetz hatte es auf der Mitgliederversammlung von Hertha BSC am 26.5.2015, drei Tage nach dem souveränen Nichtabstieg und dem Vermeiden der Relegation durch das bessere Torverhältnis im Vergleich zum HSV, nicht leicht. Es ist aber nicht so, dass sich die Wogen der Enttäuschung der Hertha-Mitglieder über das dürftige Abschneiden der Mannschaft noch nicht geglättet hätten, nein – die Chemie zwischen einem großen Teil der (anwesenden) Herthaner und dem Sportchef Michael Preetz stimmt einfach nicht, auch wenn dies im Protokoll der Mitgliederversammlung auf der offiziellen Hertha-Website mit keinem Wort erwähnt wird.
Im Mittelalter wurden die Juden als Sündenbock für angebliche Brunnenvergiftung ermordet. Viele Herthaner haben da einen Quantensprung in Sachen Zivilisation gemacht: Sie fordern den Kopf von Preetz nur noch symbolisch, weil sie ihn für alles verantwortlich machen, was nicht nach den genehmen Wünschen des blau-weißen Anhängers läuft. Steigt die Mannschaft ab: Preetz ist schuld (steigt das Team auf, sind es die Fans, die die Mannschaft in die erste Liga gebrüllt haben). Wird ein Trainer entlassen (oder nicht entlassen oder zu spät oder zu früh entlassen): Preetz ist schuld. Erfüllt der neue Spieler die Erwartungen nicht: Richtig – Preetz ist schuld! Scheidet die Mannschaft wieder mal in der ersten oder zweiten Pokalrunde, und sei es im Elfmeterschießen, aus: Natürlich, der Preetzer…
Selbstverständlich: Verantwortlich ist Preetz, aber ist deshalb alles schlecht, was er macht? Der jetzige Kader, in dem ja nicht nur Pfeifen spielen, auch wenn die Saison unbefriedigend verlief (aber Hinrunde 2013/14: 28 Punkte als Aufsteiger!!!), wurde bis auf Lustenberger, vollständig von Preetz zusammengestellt. Dass es da einige Spieler gibt, die nicht der Brüller sind, ist klar, aber man zeige mir den Manager, der noch nie einen Fehleinkauf getätigt hat. Natürlich hat es ein Klaus Allofs leichter, konnte er doch für De Bruyne, Gustavo und Schürrle schlappe 70 Millionen Euro aus der VW-Kasse ausgeben. So viel wird Preetz wahrscheinlich in seiner gesamten Laufbahn als Sportdirektor, und wenn sie noch zwanzig Jahre dauern sollte, nicht ausgeben können.
Preetz` Problem ist in erster Linie, dass er diese Fakten dem Volk nicht erklären kann. Er könnte doch einfach sagen, dass er nicht, wie sein Vorgänger (der den Verein mit 50 Millionen Schulden fast in die Pleite getrieben hat), verantwortungslos Geld verbrennen will, das gar nicht vorhanden ist. Er könnte doch sagen, dass er mit Pal Dardai über dessen Weiterbeschäftigung verhandelt, und dass es dabei einiges zu besprechen gibt. Stattdessen spricht er von „Finalisierung“ der Zusammenarbeit. Da denken viele Fans doch gleich wieder an das Pokalfinale. Michael Preetz muss nicht dem Volk nach dem Munde reden, aber verständlich sollten seine Ausführungen schon sein. Wer dreimal das Wort „finalisieren“ benutzt, wenn er meint, dass Gespräche zu einem guten Ende geführt werden sollen, muss sich nicht wundern, wenn er als arrogant bezeichnet wird.
Ergo: Weiter für Hertha arbeiten, Kontinuität als oberstes Prinzip walten lassen, nicht neun, sondern nur drei neue, charakterstarke Spieler (also kleine Dardais) pro Saison verpflichten und die anderen besser machen, jedes Jahr einen Spieler aus der Jugend in den Kader einbauen, nicht auf das Geschwätz der Leute hören, wohl aber ihnen die Handlungen so erklären, dass sie es verstehen.
Und wenn Hertha in der kommenden Saison einen einstelligen Tabellenplatz erreicht (was aus jetziger Sicht zwar utopisch erscheint, aber nicht völlig unmöglich ist) hört der Berliner sowieso auf zu meckern: „Ha ick doch schon imma jesacht…“