Als ich neulich im U-Bahn-Fernsehen auf einem Foto einige Berater von Emir Spahic vor der Hertha-Geschäftsstelle sah, hatte ich sofort Verschwörungstheorien im Kopf: Da will jemand, der dem armen Michael Preetz nicht wohlgesonnen ist, dem Hertha-Manager, der nach der verunglückten Saison und der Schelte auf der Mitgliederversammlung angezählt ist, den letzten Rest von Reputation nehmen. Denn nur ein dem Irrsinn Nahestehender kann doch auf die Idee kommen, einen Emir Spahic nach den Vorkommnissen in Leverkusen zu verpflichten. Auch wenn es schwerfällt: Versuchen wir doch mal frei von allen Emotionen Für und Wider einer Verpflichtung gegeneinander abzuwägen.
Dafür spricht erstens die Erfahrung einer langen Karriere mit über sechzig Länderspielen für Bosnien-Herzegowina. Zweitens dürfte die Ablösesumme nach dem Rauswurf bei Leverkusen ca. null Euro betragen und das Gehalt sollte drittens bei einem Spieler, der vielleicht woanders nie wieder einen Vertrag bekommen würde, auch nicht im Millionenbereich, wie etwa bei (dem meines Erachtens zu schlecht beurteilten) John Heitinga, liegen. Viertens könnte Hertha einen guten Spieler im Abwehrzentrum durchaus gebrauchen, denn wenn sich Langkamp oder Brooks, die wohl unbestritten erste Wahl sind, verletzen, ist adäquater Ersatz nicht in Sicht. Und fünftens sollte man nicht außer Acht lassen, dass jeder, selbst ein Mörder (und ganz so schlimm ist es ja glücklicherweise bei Spahics Kopfstoß nicht gekommen), eine zweite Chance im Leben verdient hat.
Was spräche nun aber gegen eine Verpflichtung von Emir Spahic? Als erstes muss natürlich die Körperverletzung gegen einen Ordner berücksichtigt werden. Fabian Lustenberger würde so etwas nicht tun. Wer solche Handlung auch nur als Option in Erwägung zieht, und sei er noch so ungerecht behandelt worden, ist charakterlich nicht geeignet bei Hertha zu spielen. Vorbildfunktion Fehlanzeige. Zweitens ist Spahic wohl noch zu Saisonbeginn gesperrt und was geschieht eigentlich, wenn er in der laufenden Saison wegen Körperverletzung verurteilt wird? In den Knast kommt man ja bei uns nicht so schnell, aber unmöglich ist es auch nicht… Wichtigstes Argument gegen eine Verpflichtung scheint drittens das gesetzte Alter von 35 Jahren zu sein, das der gute Emir im August erreicht. Andere Profis seines Alters haben sich längst nach einer Schaf- oder Ziegenrasse umgeschaut, die sie auf einem Biobauernhof in der bosnischen Heimat züchten können. Und schließlich scheint viertens seine Vita darauf hinzudeuten, dass sich Herr Spahic nirgendwo lange Freunde gemacht hat: Dubrovnik, Zagreb, Jaroslawl, Moskau (Torpedo und Lokomotive), Montpellier, Sevilla und Leverkusen lauten seine Stationen auf dem europäischen Kontinent. Was allerdings besonders zu denken gibt, ist die Lücke, die 2009 in seinem fußballerischen Lebenslauf auftaucht. So schnell ist man als guter Profi eigentlich nicht „vereinslos“.
Lange Rede kurzer Sinn: Da Hertha keine Anstalt zur Reintegration Gestrauchelter in die Gesellschaft ist, sollte von einer Verpflichtung abgesehen werden, es sei denn, Emir Spahic bringt noch ein paar hunderttausend Euro mit, um wieder spielen zu dürfen…