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Herthas neuer Investor und das Image des Vereins

Nun gut, Werder Bremen macht Reklame für gequälte Hühner von Wiesenhof, Union, der selbsternannte Verein der kleinen Leute, arbeitet mit einem Immobilienhai zusammen und Bayern München hofiert in der Winterpause regelmäßig arabische Diktaturen. Da denkt die blauweiße Geschäftsführung natürlich: „Was die können, können wir schon lange!“ und offeriert dem staunenden Anhang der Hertha einen gewissen Lars Windhorst als neuen Investor! Lars Windhorst? War da nicht was? Natürlich! Ein Pleitier, der Firmen in die Insolvenz führt, sich selbst aber schadlos hält und erstaunlicherweise wegen Untreue verurteilt wurde. Erstaunlich nicht, weil es nicht gerecht wäre, sondern deshalb, weil Menschen seines Schlages normalerweise mit der Ableistung von vier Stunden Sozialarbeit, vorzugsweise beim Rasenmähen im eigenen Park abzuleisten, recht günstig davonkommen. Wie das alles zum Image von Hertha als solidem, allen gesellschaftlichen Gruppen gegenüber offenem Club passen soll, bleibt schleierhaft. Oder heißt das, dass auch ehemalige Straftäter eine zweite Chance bekommen sollen? Natürlich, aber doch nicht gleich an vorderster Front von Herthas Kapitalgesellschaft. Da wünscht man sich ja geradezu einen Herrn Kind als Investor, der ist wenigstens Fußballfan und denkt nicht ausschließlich ans Geld. Aber einen so windigen Typen wie Windhorst?

Abgesehen davon scheint das ganze Investorengehabe unsinnig. Natürlich können wir mit unserem kleinen Geist und beschränkten Verstand nicht beurteilen, ob es sinnvoll und nötig ist, hohe Schulden zu machen, um sich von einem Investor freizukaufen und jetzt zu jubeln, dass man mit den Geldern des neuen Investors die Schulden begleichen kann. Warum eigentlich nicht versuchen, mit den überaus reichlich sprudelnden Fernsehgeldern auszukommen? Und um der Mannschaft in der Rückrunde einen Anreiz zu geben ein oder zwei Tabellenplätze gutzumachen, was erhöhte Fernsehgelder zur Folge hätte, könnte man mittelfristig Verträge noch mehr auf Leistungsprämien umstellen. Oder will dann niemand mehr bei Hertha spielen? Im alten Westberlin musste Hertha immer 20 % mehr Gehalt zahlen, um Spieler aus Westdeutschland anzulocken. Aber 30 Jahre nach der Wende? Da kann es doch nicht so schwer sein, junge, erfolgshungrige Spieler zu holen (was Preetz ja auch ganz gut macht).

Zum Glück bin ich Mitglied bei Hertha BSC e.V. (und seit 56 Jahren im Stadion). Wenn ich Mitglied der Kapitalgesellschaft wäre, würde ich spätestens jetzt, mit der Bekanntgabe von Lars Windhorsts Beteiligung, austreten…

Saisonfazit unter Vorbehalt

Nur nicht wieder 2:6! Darauf scheint es im letzten Spiel der Saison 2018/19, die für Hertha so vielversprechend begann und zwischenzeitlich so enttäuschend war, hinauszulaufen. 19 Punkte hat Hertha in der Rückrunde bisher geholt, damit steigt man normalerweise nicht ab, kann aber auch nicht an Europas Türen klopfen. Und wenn es wider Erwarten 20 oder gar 22 Punkte werden, dann war das die beste Rückrunde unter Pal Dardai:

14/15   Hin 18             Rück 17          = 35 P.            13. Platz

15/16   Hin 32             Rück 18          = 50 P.                7. Platz

16/17   Hin 30             Rück 19          = 49 P.                6. Platz

17/18   Hin 24             Rück 19          = 43 P.              10. Platz

18/19   Hin 24             Rück 19-22     = 43-46           10-11.Platz

Dass die Ablösung Dardais (von Entlassung will ja niemand reden) nach seiner besten Rückrunde und der spielerisch besten Vorrunde erfolgt,  ist natürlich eine bizarre Ironie des Schicksals.

Auch die minimalen Steigerungen in den Rückrunden können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht recht aufwärts geht mit der blauweißen Hertha. Ob es nur am knappen Geld oder der angeblich mäßigen Stimmung im zu zweidrittel besetzten Stadion liegt, wer kann das schon mit Gewissheit sagen. Vielleicht wird man sich noch mit Sehnsucht an die Qualitäten des Duos Dardai/Widmeyer erinnern. Aber eventuell wird Ante Covic auch wieder etwas Schwung in den zuletzt doch arg stotternden Hertha-Motor bringen. Andererseits hätte man auch das Pokalfinale bis zur Benennung eines neuen Trainers abwarten können, denn wenn Bayern sowohl Meisterschaft als auch Pokal nicht gewinnt, wäre mit Nico Kovac ein Trainer mit echtem Hertha-Gen auf dem Markt im Sonderangebot zu haben gewesen. Kovac hat von 1991 bis 1996 und später von 2003 bis 2006 insgesamt 225 Spiele für Hertha bestritten, davon 75 in der 1. Liga. Aber was jetzt nicht ist, kann ja noch werden. Hoffen wir erstmal auf einige Jahre offensiven Covic-Fußball mit vielen jungen Berliner Spielern…

Saisonendspurt im Joggingtempo

Immerhin: Hertha hat sich nicht, wie von vielen befürchtet, bis zum Saisonende hängen lassen, sondern in Frankfurt einen Punkt der Extraklasse erkämpft. Betonung auf „erkämpft“, was ja bedeutet, dass die Einstellung der Mannschaft stimmt, allen voran der bis zum Umfallen fightende Wikinger Skjelbred. Man könnte zwar mäkeln, dass etwas nicht in Ordnung ist, wenn Per Skjelbred seit einigen Spielen stets (auch spielerisch!!) bester Herthaner ist. Aber er kann halt nicht anders, genauso wie früher ein kleiner Kämpfer namens Pal Dardai. Hoffentlich wird der Vertrag mit dem Norweger verlängert, kann man da nur dem Manager zurufen. Aber im Großen und Ganzen weiß ja der Preetzer, was er zu tun hat.

Das Spiel gegen Stuttgart wird sicher das schwerste der drei noch ausstehenden Partien, danach muss man nach Augsburg, das wird wahrscheinlich auch das Schwerste und gegen Leverkusen, im letzten Heimspiel der Saison, kommt natürlich das schwerste Match, denn man will die 2:6-Heimniederlagenserie der letzten beiden Jahre auf jeden Fall verhindern (eine knappe Niederlage wäre da schon als Erfolg zu werten). Drei jeweils schwerste Spiele und zum Glück hat Stuttgart bereits das letzte Spiel gewonnen, sonst wären sie mit Sicherheit gegen Hertha dran. So ist ein Unentschieden wahrscheinlich, mit endlich mal wieder etwas Glück, das gegen Bremen, in Freiburg, gegen Dortmund und auch in Frankfurt fehlte, könnte auch ein Sieg für die Blauweißen verbucht werden. Leider spielt Berthold bei Stuttgart nicht mehr: Der stets in Berlin erfolgte Platzverweis garantierte vor vielen Jahren immer einen Hertha-Sieg…

Saisonziel nicht erreicht – wer ist schuld?

Nicht sechs Niederlagen, wie es Pal Dardai erwartete, sondern „nur“ fünf reichten, um den viereinhalb Jahre lang erfolgreich ausgeübten Job als Trainer bei Hertha BSC zu verlieren. Immerhin wahrte man den Schein des versöhnlichen Endes, indem man Dardai bis zum Saisonende weitermachen lässt, aber was eine lame duck ist, weiß man nicht nur aus der Politik. Zum Glück kann Hertha nichts mehr passieren, weil in dieser sonderbaren Saison drei Teams völlig aus dem Raster fallen. Normalerweise wäre man vier Spieltage vor Schluss mit 36 Punkten noch längst nicht gerettet, da ja eigentlich erst die magische 40-Punkte-Grenze den Abstieg ausschließt. Und das nach dem fulminanten Start von Hertha, der spielerisch sogar von  mehr als nur der Champions-League-Teilnahme träumen ließ. Aber, und das liebt ja der gemeine Hertha-Anhänger, bisher hat es Hertha noch immer geschafft, Träumer auf den harten Boden der Realität zurückzuholen. Und irgendwie wäre es auch schade, wenn irgendeine unglaubliche Konstellation das schon mit langfristiger Vorfreude erwartete 100-Jahr-Jubiläum der ersten deutschen Meisterschaft im Jahre 2030 verhindern würde. Nein, im Leiden liegt die wahre Natur des Fußballfans, kurzzeitige Erfolgserlebnisse, wie Siegesserien von drei Spielen oder fünf nicht verlorene Spiele gegen Bayern München hintereinander (das kann nicht einmal Real Madrid für sich beanspruchen!) sind nur die Ausnahmen von der traurigen Regel. Wie schon Marcel Proust wusste: „Man gelangt nicht dazu, glücklich zu sein, aber man macht Feststellungen über die Gründe, die uns daran hindern es zu sein.“  Fest steht: Es ist nicht Pal Dardai, es sind auch nicht Söldner wie Valentino Lazaro, die keine Lust mehr haben, ihr Millionengehalt zu rechtfertigen, wenn ihre Karawane weiterzieht, es ist auch nicht Michael Preetz, der jetzt die schwere Aufgabe hat, einen neuen, passenden Trainer zu finden (David Wagner könnte ein geeigneter Kandidat sein, aber selbst ein Jürgen Klopp oder ein Pep Guardiola würden Hertha nicht zum Meister machen können), nein, es ist ganz einfach die Tatsache, dass Geld eben sowohl Tore schießt als auch Tore verhindert..

Bleibt Dardai noch lange Hertha-Trainer?

Der Zähler tickt und ist mittlerweile bei vier angekommen. Pal Dardai hat es selber so formuliert: Bei sechs Niederlagen in Folge bist du als Trainer weg! Das heißt, dass nach einer erwarteten Niederlage in Hoffenheim nur noch das anschließende Heimspiel gegen Hannover am Ostersonntag bleibt, um das Maß mit einer sechsten Niederlage hintereinander nicht vollzumachen. Wer aber Hertha auch nur marginal kennt, weiß, dass es der Verein ist, der Gegner, die einen schlechten Lauf haben, immer wieder aufgebaut hat. Da kam Köln in der vorigen Saison ohne Sieg ins Olympiastadion und fuhr mit dem ersten Saisonsieg nach Hause. Noch dazu im Pokal, was Herthas Ambitionen auf das Endspiel dahoam wieder einmal begrub (vor Jahren passierte Hertha gegen den gleichen Gegner das gleiche – Geschichte wiederholt sich eben manchmal doch. Leider!) Insofern kann man nur beten, dass Hannover am 29. Spieltag gegen Mönchengladbach gewinnt, damit es nicht Hertha wäre, die am darauffolgenden Spieltag mit tödlicher Sicherheit den unfreiwilligen Niederlagenserienkiller geben würde.

Wäre das das Ende der Ära Dardai (denn von einer solchen muss man natürlich schon reden, ist er doch jetzt bereits der Hertha Trainer mit den drittmeisten Spielen (145) nach Helmut Kronsbein (311) und Jürgen Röber (206))? Nicht zwingend, denn zum Einen ist der Hertha-Manager ein alter Spielerkumpel des Trainers und zum Zweiten wäre es absolut sinnlos, den Trainer vier Spieltage vor dem Saisonende hinauszuwerfen. Apropos hinauswerfen. Da Dardai laut Verein ja gar keinen begrenzten Vertrag hat, kann er auch nicht so ohne weiteres gekündigt werden. Wahrscheinlicher wäre es, dass Dardai selbst um die Versetzung in seine geliebte Nachwuchsabteilung bitten würde. Dann könnte mit Michael Hartmann oder/und Zecke Neuendorf gleich der nächste frühere Spieler der Liga zeigen, wie die Besetzung des Trainerpostens auch funktionieren kann.

Aber noch ist es zu früh zum Spekulieren: Hertha hat in Hoffenheim nicht die Spur einer Chance und gerade deshalb wäre ein Unentschieden gar keine so große Überraschung…

Erinnerungen an 1971…

Lutz Rosenzweig schrieb sinngemäß in der Nachbetrachtung zum Spiel Hertha BSC gegen Arminia Bielefeld am letzten Spieltag der Saison 1970/71, das die Ostwestfalen überraschend gegen den Tabellendritten Hertha mit 0 : 1 gewannen, dass man an ein verschobenes Spiel glauben könnte, wenn es nicht die Hochachtung gegenüber jedem einzelnen Sportsmann in den Reihen der Herthaner verbieten würde. Lutz Rosenzweigs düstere Ahnung trog nicht, wohl aber seine Einschätzung in Bezug auf die Charaktere der Spieler.

Das Spiel gegen Fortuna Düsseldorf erinnerte auf merkwürdige Weise an die Vorkommnisse vom Mai 1971. Die Spieler haben sich damals wie heute ja nicht fünf Bälle selber ins Tor gelegt, sondern mitgespielt. Aber eben nicht richtig. Eher wie in einem Freundschaftsspiel oder im Abschlusstraining vor einer WM, in dem sich niemand mehr verletzen möchte. Auch wenn Trainer Dardai behauptet, dass alle Werte wie Laufleistung und Zweikampfführung für Hertha sprächen, kann man daran nur wieder einmal bestätigt sehen, wie Statistiken lügen können. Wenn in einem Spiel, in dem jeder Mitwirkende doppelt motiviert sein und wegen der 1:4-Hinspielniederlage und dem 0:5-Dabakel in Leipzig auf Wiedergutmachung brennen muss, bis auf Per Skjelbred alle Spieler wie sediert über den Platz schleichen, könnte man schon an Böses denken. Allerdings weiß heute jeder Bundesligaspieler, die ja im Durchschnitt über eine Million Euro (brutto) Jahreseinkommen haben, dass man auch in noch so tollkühnen Wettmanipulationen niemals ein Äquivalent für eine zerstörte Karriere gewinnen kann. Andererseits liegt der alte Skandal so viele Jahrzehnte zurück, dass es gar nicht überraschen würde, wenn einige ganz Dumme glauben, dass sie klüger als alle anderen sind, denn jede Generation macht ihre eigenen schlechten Erfahrungen neu…

Um es klarzustellen: Für Wettbetrug gibt es nicht die geringsten Anhaltspunkte, bis auf das weichgespülte, uninspirierte Gekicke vom Sonnabend. Klar ist jetzt auch, dass das Saisonziel nicht mehr erreicht werden kann, denn der neunte Platz ist schon unerreichbar weit entfernt. Kann wenigstens die Rückrunde besser als im letzten Jahr absolviert werden? 19 Punkte holte Hertha im vorigen Jahr (Hinrunde 24), was 43 Punkte ergab. Auch in dieser Saison holte Hertha mit teilweise begeisterndem Fußball 24 Hinrundenpunkte. Um besser zu sein, müsste Hertha also noch 9 Punkte einfahren, was in der Addition 44 Zähler ergäbe. Bei Heimspielen gegen Hannover und Stuttgart und einem Auswärtsspiel gegen Augsburg (die sich gegen den Abstieg zerreißen werden) auf dem Papier machbar, wenn man davon ausgeht, dass in Hoffenheim und Frankfurt sowie beim traditionellen 2:6 zum Saisonabschluss gegen Leverkusen nichts zu holen sein wird.

Aber wer weiß: Vielleicht gibt es ja schon in Hoffenheim, wo nun wirklich alles für eine (hohe) Hertha-Niederlage spricht, eine positive Überraschung…Wie sagte einst Hall-of-Fame-Trainerlegende Sepp Herberger: „Die Leute gehen zum Fußball, weil sie nicht wissen, wie das Spiel ausgeht…“

Hertha und die zwei Halbzeiten

1207 Spiele hat Hertha seit der Saison 1963/64 in der 1. Fußball-Bundesliga mal mehr, mal weniger erfolgreich absolviert. Davon gab es vielleicht ein Dutzend Spiele, in denen die Mannschaft von der ersten bis zur 90. Minuten begeisternden Fußball gespielt hat. Die Normalität des grauen Bundesliga-Alltags sieht anders aus: Hertha spielt eine Halbzeit grottenschlecht oder langweilig und eine Halbzeit passablen bis guten oder manchmal auch sehr guten Fußball. Nicht immer weiß man von vorneherein, ob die gerade gesehene sportliche Übung der blau-weiß-gestreiften Fußballer schon zur guten oder noch zur schlechteren Kategorie zählte. Die erste Halbzeit gegen Mainz war so ein Rätsel. Das uninspirierte Gekicke war kaum mit anzusehen, aber manchmal kommt es trotzdem noch schlimmer. Nicht so in diesem Spiel: Nach dem Eigentor unmittelbar nach der Pause ging doch noch so was wie ein Ruck durch die Mannschaft und auch ohne Weltklasseleistung gewann man noch, sodass der regelmäßig das kalte Olympiastadion Besuchende zufrieden den Heimweg antreten konnte, auch wenn er noch vor kurzem singend versprochen hatte, keinesfalls nach Hause zu gehen.

Ähnlicher Ablauf gegen Freiburg. Auch wenn die Breisgauer im Dreisamstadion schwer zu bespielen sind, ist es doch keine Übermannschaft und wenn man von vorneherein weiß, dass die Freiburger wie gedopt über den Platz rennen und pressen werden, müsste es möglich sein, dagegen ein Mittel zu entwickeln. Nichts davon in der ersten Hälfte. Dann aber, wie üblich, sah man die andere Seite von Hertha: Ansehnliches Offensivspiel, zwar kein überragendes Tempo, was auch schwer ist, wenn sich 21 Spieler in einer Spielfeldhälfte herumtreiben, aber folgerichtig das Ausgleichstor. Eigentlich hätte man nur bis zum Ende so weiterspielen müssen, um einen weiteren Auswärtssieg einzufahren, leider kam mal wieder ein Eigentor dazwischen. Pech!

In den nächsten beiden Spielen wird die Mannschaft mit nur einer guten Halbzeit nicht bestehen, denn Dortmund und Leipzig haben noch ein Ziel in dieser Saison, was man von Hertha eigentlich nicht behaupten kann. Es sei denn, der von Manager Preetz gewünschte einstellige (also neunte) Tabellenplatz wird als solches angesehen. Immerhin: Wenn man sich jedes Jahr um einen Platz steigern würde, könnten wir im Mai 2027 mit der Meisterschale durchs Brandenburger Tor flanieren…

Die Pressekonferenz, eine Zeitvernichtungsmaschine

Zeit, insbesondere die kurze Lebenszeit von uns Menschen, vergeht auch ohne große Anstrengung. Man kann die geringe Zeitspanne, die den Menschen schon bei der Geburt von seinem Tode trennt, sinnvoll verbringen (z.B. schlafen, essen, Quizduell spielen oder Fußballspiele ansehen) oder sinnlos vergeuden, z.B. sich Pressekonferenzen von Bundesligisten ansehen. Noch nie, seit die DFL in irgendeinem Kleingedruckten den Vereinen vorschrieb Pressekonferenzen durchzuführen, wurde auf einer solchen Veranstaltung auch nur ansatzweise eine vorher nicht bekannte Tatsache bekanntgegeben, mit Ausnahme vielleicht, dass ein Herr Struuunz eine leere Flasche sei, aber auch das wussten nicht nur Insider schon vorher. Für Fragen nach verletzten Spielern, der erwarteten Zuschauerzahl, ob die Mannschaft das Spiel eigentlich gewinnen wolle und ähnlichen geistvollen Ausbrüchen, benötigte man eigentlich keine Pressekonferenz, zumal die Antworten auf der Hand liegen: Der Kreuzbandriss ist nach drei Wochen noch nicht verheilt, es kommen so viele Zuschauer wie immer und das Spiel will man keinesfalls gewinnen, ein Unentschieden wäre das höchste der Gefühle. Auch die Frage nach der Taktik wird jedes Mal mit der alten Sepp-Herberger-Floskel beantwortet, dass der Journalist/die Journalistin (auch wenn keine Frau im Raum/der Räumin ist) doch bitte nach dem Spiel kommen solle, dann würde sie der Trainer gerne erklären.

Bei Pal Dardai und Michael Preetz verhält es sich nicht anders. Woche für Woche die gleiche Bekanntgabe von Bekanntem und Ausweichen bzw. Antwortverweigern bei echten Fragen.

Aber neulich gab es eine Abweichung von der großen Leerstelle: Pal Dardai antwortete noch ernsthaft auf die für einen Fußball-Bundesligisten wichtige Frage nach dem Karneval in Ungarn (nämlich dass er nicht so ausgeprägt sei wie im Rheinland, eher etwas für Schulkinder sei). Anschließend war er kurz davor zuzugestehen, in der nächsten Pressekonferenz mit einer etwas schlüpfrigen Verkleidung aufzutreten. Unter zwei Voraussetzungen: Erstens muss er noch Monika fragen, ob er das darf, was nicht allzu schwierig sein dürfte und außerdem müsste Hertha am Wochenende „richtig“ gewinnen, was ja wohl ein Sieg mit mindestens drei Toren Differenz bedeutet. Daran wird es also leider scheitern, wenn man sich die 16 Ergebnisse der Hertha gegen Mainz im Olympiastadion ansieht: Zwar stehen acht Siegen fünf Unentschieden und nur drei Niederlagen gegenüber, aber in den letzten vier Heimspielen siegte Hertha lediglich zweimal, verlor aber auch zwei Spiele. Demnach wäre jetzt ein Sieg an der Reihe, der aber erfahrungsgemäß nur mit einem oder höchstens zwei Toren Unterschied ausfällt. Der 5:0 Heimsieg von Hertha gegen Mainz datiert aus dem Jahr 1994, da war wohl Eberhard Diepgen noch regierender Bürgermeister, auch wenn es zwischen beiden Tatsachen keinerlei kausalen Zusammenhang geben dürfte.

Fazit: Pal Dardai als Piroschka auf der nächsten Pressekonferenz dürfte ein heimlicher Wunschtraum bleiben…

Großzügige Hertha

Weihnachten ist schon lange vorbei und Ostern noch nicht annähernd in Sicht: Trotzdem meint man bei Hertha BSC, dass man sich Freunde schaffen kann, wenn man auch zwischendurch das eine oder andere Geschenk darreicht. Im Spiel gegen Werder Bremen waren es mal eben zwei Zähler, die in der 96. Minute verschenkt wurden. Erst ein überflüssiger Freistoß an der Strafraumlinie und dann ein Abfälschen von Lazaro, der wohl der einzige Mensch auf der Welt ist, der weiß, was er dort, fünf Meter vor dem eigenen Tor, gesucht hat. Im Interview erzählt er noch wutentbrannt, dass man beim Freistoß auch mal die Eier hinhalten muss, auch wenn’s weh tut. Was Eier auf dem Boden zu suchen hatten, wo der Ball lang flog, ist unklar, vielleicht dachte er doch schon an Ostern…

Die Geschenkeliste der Herthaner in dieser Saison ist lang:

In Wolfsburg am dritten Spieltag hat man kurz vor Schluss das 2:1 erzielt, um in der 90. Minute doch noch ein Tor mit Ansage zu kassieren: Zwei Punkte verschenkt.

In Düsseldorf hört man nach einem Platzverweis auf mitzuspielen, einen Punkt könnte man gegen einen damals so limitierten Gegner auch in Unterzahl holen.

In Stuttgart führt man und hat den Gegner so im Griff, dass beim Ringen längst abgebrochen worden wäre. Hertha verweigert die Arbeit im 2. Durchgang und verliert das Spiel noch: Drei weitere Pünktchen auf dem Silbertablett serviert. Dem Gegner hat’s geschmeckt.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, was Herthas sozial durchaus anerkennenswerte Spendierlaune angeht, sind das acht Punkte, die ohne Not weggeschenkt wurden. Bei also durchaus möglichen 40 Punkten (statt 32) stünde man einen Punkt hinter den Champions-League-Plätzen auf einem sicheren Euro-League-Platz an 5. Stelle.

Vielleicht sind die Hertha-Spieler ja von der Bibel-Losung überzeugt, dass Geben seliger denn Nehmen sei. Sehr ehrenhaft. Eventuell hoffen sie auch, dass gutes Beispiel Schule macht und sie in entscheidenden Saisonmomenten vom Gegner auch mal beschenkt werden. Und wenn einem nichts mehr einfällt, kann man immer noch Sepp Herberger selig zitieren: „Fußball ist die schönste Nebensache der Welt!“  In Zeiten des annähernd geldfreien Sports ist das sicher auch so gewesen. Toll, wie auch junge, tätowierte Hertha-Spieler mit modischen Frisuren die Traditionen der Fünfzigerjahre hochhalten…

 

 

Lusti geht

So ganz nebenbei und kaum wahrnehmbar wurde die Meldung veröffentlicht, dass Fabian Lustenberger Hertha im Sommer verlassen wird. Es wäre nicht mal den Stromverbrauch für den Computer wert, um über einen der vielen Spieler, die außer ihrer Karriere und dem Bankkonto nur wenig im Sinn haben, zu schreiben, wenn er einen Verein verlässt oder zu ihm kommt. Aber Lusti ist ja nicht irgendein Spieler. Er spielt momentan seine zwölfte Saison bei Hertha, und weil diese Zahl so ungewöhnlich ist, stellt man sie lieber in Buchstaben statt in Ziffern dar. Wie viele Spieler haben mehr Spielzeiten bei Hertha verbracht (wir zählen die Jahre in den Jugendmannschaften nicht mit) als Fabian Lustenberger? In der 56-jährigen Hertha-Geschichte seit Bundesliga-Gründung waren es genau DREI Spieler, die länger das blau-weiße Trikot getragen haben, nämlich Andreas Schmidt (15 Jahre), Christian Fiedler (14 Jahre), beides Berliner Jungs, die immer bei ihrem Verein blieben (und Andreas Schmidt, Lieblingsspieler von Trainer Röber, ist es im Aufsichtsrat ja noch heute) und Pal Dardai (14 Jahre). Wenn Lusti also von den 440 Spielern, die bis zum Beginn der laufenden Saison eingesetzt wurden, auch knapp die Bronzemedaille verfehlt hat, wird er im Olympiastadion eine Lücke hinterlassen und sei es nur beim Rufen des Namens, das mit „Lu-sten-ber-ger“ immer gerne viersilbig holprig zelebriert wurde. Wenn Lusti jetzt in die Schweiz zurückgeht, so ist das seine gute und weise Entscheidung, denn man sollte noch aus freien Stücken gehen und nicht warten, bis man vom Hof gejagt wird. Aber auch in der Schweiz, wenn er einstmals wieder ohne Gewissensbisse Skifahren kann, wird er immer ein Berliner bleiben, ob er das will oder nicht…