Archiv der Kategorie: Hertha und die Nationalmannschaft

Die Leitl-Tabelle

Hertha spielt unter Stefan Leitl anders als unter seinem Vorgänger Fiél. Ballbesitz ist nicht mehr Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit, um Tore zu erzielen. Mit 44 % Ballbesitz schlug man Eintracht Braunschweig 5:1. Mit 62 % Ballbesitz hatte man dagegen unter Fiél 1:4 im Heimspiel gegen Elversberg verloren.

Die Maßnahme, mit Toni Leistner einen dritten Innenverteidiger spielen zu lassen, hat die Abwehr zusätzlich stabilisiert und siehe da: Die Ergebnisse stimmen, nicht nur das optische Bild des Spiels, das während Fiéls Zeit beileibe nicht immer schlecht war.

Seit Leitl das Kommando übernehmen durfte, hat Hertha viermal gewonnen, zweimal unentschieden gespielt und zweimal verloren. Die 14 Punkte aus acht Spielen ergeben einen Punkteschnitt von 1,75, was auf die Saison hochgerechnet 59,5 Punkte ergäbe. Damit muss man nicht zwangsläufig aufsteigen, zumindest aber bis zum Saisonende um den Aufstieg mitspielen. Man ist ja bescheiden geworden.

Die Tabelle der letzten acht Spieltage, die sogenannte Leitl-Tabelle zeigt Hertha auf Platz 2, punktgleich mit dem HSV, Köln und dem KSC, die alle 14 Punkte in dieser Zeit geholt haben. Ganz unten stehen Regensburg und Kaiserslautern mit nur sieben Punkten, aber das interessiert uns nur nebenbei.

Fazit: Die nächste Saison könnte eine werden, in der Hertha keinen neuen Trainer braucht, denn so dumm wie die Verantwortlichen von Hannover 96, die Leitl im Winter bei zwei Punkten Rückstand auf einen Aufstiegsplatz entlassen haben, kann man eigentlich nicht sein. Entscheidend wird sein, ob Reese bleibt, denn das muss man ehrlicher Weise zu Fiéls Ehrenrettung sagen: Mit einem gesunden Reese in der Vorrunde stünden sicher 10 Punkte mehr auf dem Konto.

So warten wir also ab und hoffen, dass die „weichen“ Kriterien gegen einen Vereinswechsel überwiegen. Geld ist nicht alles. Und Reese ist so intelligent, dass er genau das weiß. Ich bin optimistisch.

Herthas Restziele

In den letzten 26 Jahren hatte der Drittletzte der 2. Liga, was die Berechtigung zur Teilnahme an zwei spannenden Relegationsspielen bedeutete, zwischen 40 (einmal !) und 25 Punkten (Rausreißer nach unten); im genauen Durchschnitt 35,576 Punkte. Hertha steht momentan um exakt 0,424 Punkte über diesem Wert, kann also im Durchschnitt nicht mehr absteigen. Für den Durchschnitt konnte man sich aber bekanntermaßen noch nie etwas kaufen. In den verbleibenden fünf Spielen sind noch 15 Punkte zu vergeben, das heißt, dass selbst der Tabellenletzte Jahn Regensburg die alte Dame noch um einen Punkt distanzieren könnte. Das ist natürlich unrealistisch und die acht Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatzinhaber Preußen Münster müssten unter normalen Umständen reichen, vor allem wenn man Herthas derzeitige Form berücksichtigt. Sechs bis acht Punkte (von 15) sollten doch noch möglich sein!

Dass die Saison trotz eines wahrscheinlich versöhnlichen Abschlusses insgesamt enttäuschend verlaufen ist, kann niemand bestreiten wollen. Herthas Ziel war der Aufstieg, nicht der Klassenerhalt. Es heißt also „Auf ein Neues“ in der Saison 25/26.

Und die letzten fünf Spiele werden so vor sich hin gespielt? Mitnichten, sagt sich der zahlende Fan, es gibt doch noch Ziele, auch wenn sie mit den ursprünglichen nichts zu tun haben:

Ein einstelliger Tabellenplatz: Dürfte nicht möglich sein, denn der ist schon sieben Punkte entfernt (Hannover 96 mit derzeit 43 Punkten).

Vor Gelsenkirchen die Saison beenden: Ein hehres Ziel für jeden echten Herthaner, nur ein Punkt trennt die alte Dame vom Gazprom-Schlachthof-Club. Schönes Ziel.

Und nicht zuletzt: Je besser der Tabellenplatz desto mehr Punkte gibt es in der TV-Gelder-Ausschüttungs-Lotterie. Und Hertha kann wirklich jeden Cent gebrauchen. Vielleicht sind dann in Zukunft auch ein paar Euro drin, um den Hertha-Dampfer nach sieben Jahren Trockendock wieder flottzumachen oder den Herthanern auf der Mitgliederversammlung ein leckeres Würstchen zu spendieren.

Die Sache mit den Zielen hat nur einen Haken: Sie interessieren die Herren Profis, die die Saison zu Ende spielen dürfen, einen feuchten Käse, falls man so formulieren darf…

Wer war hier der Aufsteiger?

Hätte man die Spieler nicht erkannt, hätte der neutrale Zuschauer im Kölner Stadion den Aufstiegskandidaten und den Eben-noch-Abstiegskandidaten doch glatt verwechseln können. Eine Viertelstunde vor Schluss vermeldete der Reporter 15 : 2 Torschüsse für Hertha. Auch wenn dieses Verhältnis die wahren Chancen etwas verschleiert, denn Köln war, immer mehr gegen Ende des Spiels, mehrfach in aussichtsreicher Position um den und im Strafraum, so spiegelt es doch recht gut die bärenstarke Leistung der ersatzgeschwächten Hertha-Mannschaft wider. Von Beginn an spielte Hertha nach vorne, immer wieder wurde Reese gesucht, der allerdings manchmal zu sehr mit dem Kopf durch die Wand wollte. Etwas weniger Ego-Show wäre hier ein paar Mal sinnvoller gewesen. Wenn der Mitspieler allerdings nach der besten Flanke des Spiels drei Meter vor dem leeren Tor über den Ball semmelt, kann man verstehen, dass Reese sich lieber auf sich selbst verlässt. Wie z.B. vor seinem Tor, als er aus keiner Chance den Ball trotzdem ins Netz schlenzte.

Hat die enorme Leistungssteigerung mit den neuen Trainern zu tun?

Definitiv ja!

Die Umstellung auf die Dreier- bzw. Fünferkette mit drei Innenverteidigern und Leistner als überragendem Ruhepol in der Mitte, hat die Abwehr extrem stabilisiert. Reese UND Scherhandt als ständig rochierendes Außenstürmer-Pärchen bringt jede Zweitliga-Abwehr durcheinander. Da fällt der fehlende Mittelstürmer gar nicht so sehr auf. Natürlich spielt Leitl in die Karten, dass Reese wieder zu früherer Form findet, mit der Ausnahme seiner Sprints entlang der Linie (Ball vorlegen und dem Verteidiger einfach weglaufen). Die absolute Sprintgeschwindigkeit scheint noch nicht wieder bei 100 Prozent zu sein. Dafür sind Dribbling und Abschluss deutlich zielführender geworden.

Leitl kann jetzt drei Siege, ein Unentschieden und zwei Niederlagen verbuchen, wobei nur eines der sechs Spiele (Elversberg) richtig schlecht war. 10 Punkte in sechs Partien ergibt einen Punkteschnitt von 1,66, was zwar für Hertha-Verhältnisse recht gut ist, nach 34 Spielen aber nur 56 Punkte ergäbe, was zum Aufstieg nicht reichen würde. Ob in der neuen Saison, die bei acht Punkten Vorsprung auf den Abstiegs-Relegationsplatz mit ziemlicher Sicherheit in der zweiten Liga stattfindet, wenn Reese und andere nicht mehr an Bord sind, dieses Niveau gehalten bzw. ausgebaut werden kann, ist zum jetzigen Zeitpunkt fraglich. Aber noch ist Reese da. Und vielleicht überwiegen ja die von Reese so benannten „weichen Faktoren“ bei seiner Entscheidung, ob er wechseln oder bleiben will, die Nullen auf dem Gehaltskonto. Passen würde es zu Reese…

Halbzeit-Weltmeister

Was die deutsche Nationalmannschaft (die sich seit einiger Zeit nicht mehr „Die Mannschaft“ nennen darf, obwohl genau das von allen Beteiligten ständig gefordert wird, nämlich dass das Team, die Mannschaft und nicht der Einzelne, im Mittelpunkt zu stehen habe) in der ersten Halbzeit im Nations-League Rückspiel gegen Italien ablieferte, war eines kommenden Weltmeisters würdig. Nicht ohne Grund wurde sie als die beste Halbzeit seit dem legendären 7:1 gegen Brasilien 2014 (Halbzeitstand 5:0) bezeichnet. Obwohl man einen Weltmeistertitel nie planen kann, weil ja z.B. nicht gegebene Handelfmeter für ein vorzeitiges, ungerechtes Aus sorgen können, wäre die deutsche Mannschaft in dieser Form ernsthafter Mitfavorit – wie früher eigentlich immer, bis die unliebsamen Erfahrungen in Russland und Katar für ein Ende des stets selbstverständlichen Halbfinaleinzugs sorgten. Aber als Außenseiter spielt es sich natürlich viel angenehmer, man frage mal die Dänen. Das hatten die deutschen Spieler wahrscheinlich auch im Hinterkopf, als sie in der zweiten Halbzeit nicht nur den Bleifuß vom Gaspedal nahmen, sondern versuchten mit gezogener Handbremse zu spielen. Das quietschte merkwürdig und man kam nicht nur nicht auf Touren, sondern fuhr sogar rückwärts und handelte sich eine 0:3-Halbzeit ein. Insgesamt also ein Warnschuss und ein Abgeben der Favoritenstellung. Und außerdem muss sich die Mannschaft (wir nennen sie ohne Anführungszeichen weiterhin so) erstmal für die WM in Mexiko, Kanada und den USA qualifizieren. Da warten, dem Einzug ins Halbfinalturnier der Nations-League sei Dank, Nordirland (nicht zu unterschätzen), die Slowakei (Kategorie: Machbar) und Luxemburg (Außenseiter) auf Deutschland. Die Qualifikation gegen diese Gegner hätte wahrscheinlich auch Erich Ribbeck hinbekommen. Der Fußballweise Loddar Matthäus lässt keine Ausrede gelten: Deutschland muss die Gruppe gewinnen. Darauf hätte man auch ohne den furiosen Sturmlauf der ersten 45 Minuten im Italien-Spiel eine recht sichere Wette abschließen können. Die Quote dürfte sich allerdings nicht lohnen…

Wird alles gut?

Hertha ist nach dem wichtigen Auswärtssieg in Braunschweig nur noch 19 Punkte hinter dem Aufstiegssoll zurück. Da Hertha in der Sollrechnung nur noch in Köln und Münster insgesamt 5 Punkte abgibt, bliebe es am Saisonende, vorausgesetzt Hertha gewänne alle acht noch ausstehenden Spiele, bei minus 14 Punkten. Wenn wir realistisch sind und höchstens vier Siege, also 12 Punkte erwarten, ergäbe das 41 Punkte, also immerhin vier weniger, als eine unbekannte KI vor wenigen Wochen vorausgesagt hat. Ein deprimierendes Ergebnis, wenn man berücksichtigt, dass Hertha in der Saison 2012/13 mit 76 Punkten unter Trainer Luhukay einen bis heute gültigen Punkterekord aufstellte.

Egal, realistisch erscheint zumindest, wenn die Braunschweiger Leistung auch nur halbwegs über die Länderspielpause transferiert wird, dass Hertha nicht absteigt, zumindest nicht direkt.

Die Mannschaft hat unter dem neuen Trainer Leitl jetzt in vier Spielen vier Punkte geholt. Der Punkteschnitt mit einem Zähler pro Spiel ist zwar der eines potenziellen Absteigers, spiegelt jedoch die Leistung nicht korrekt wider: Gegen Nürnberg, Gelsenkirchen und natürlich auch in Braunschweig war man die bessere Mannschaft, nur der unerklärliche Einbruch beim Big City Club Elversberg passt nicht ins Bild. Andererseits hat die Mannschaft auch unter Fiel viele gute Spiele gemacht ( HSV, Kaiserslautern, Düsseldorf…) und trotzdem verloren. Alles in allem nicht erklärbare Leistungsschwankungen, die Hertha ein weiteres Jahr in der 2. Liga belassen werden. Und dass Hertha im nächsten Jahr, mit nominell viel schwächerer Mannschaft nach den vorherzusehenden Abgängen von (mindestens) Maza und Reese, auch nicht um den Aufstieg mitspielen wird, dürfte klar sein. Es sei denn, man besinnt sich und kauft nicht auf Teufel komm raus neue Spieler ein, sondern legt den Focus auf die MANNSCHAFT, nicht auf individuelle Klasse (Demme, Sessa…). Damit hat Hertha schon in der ersten Liga schlechte Erfahrungen gemacht, als viele gute (und teure) Spieler trotzdem abgestiegen sind, weil das Team keins war.

Mit namenlosen Spielern viel erreichen, das ist die Kunst, die einen guten Trainer ausmacht, z.B. Christian Streich, Frank Schmidt oder auch Stefan Leitl, der mit Fürth schon mal den Aufstieg geschafft hat. Der Berliner Weg, der nicht auf große Namen, sondern auf die Mentalität setzt, könnte doch noch für die eine oder andere Überraschung in der Zukunft sorgen.

Hertha steigt nicht ab

Beruhigend zu wissen: Hertha wird nicht absteigen. Damit wäre das Saisonziel „Aufstieg in die Bundesliga“ zwar leicht verfehlt, aber man ist ja bescheiden geworden, in den letzten Jahren. Woher weiß man, dass Hertha die Klasse hält? Natürlich von einer (nicht näher benannten) KI. Danach steigen der HSV und Köln auf, wer hätte das gedacht! Und Hertha holt noch 20 Punkte und wird mit 45 Zählern sicherer Elfter.

Unklar bleibt, wie die KI errechnen kann, ob ein Spieler den Pfosten oder ins Tor trifft. Das sollte die KI dem Spieler vorher mitteilen, vielleicht könnte er seinen Kopf entsprechend anders positionieren und der Voraussage entsprechend treffen oder eben nicht treffen. Denn die KI kennt ja das Ergebnis.

Oder hat die KI etwa frühere Spiele, Tabellenplätze, Kaderwerte, aktuelle Tabellenstände etc. durcheinander gemixt und entsprechende Folgerungen gezogen? Vielleicht gar den, besonders bei Kindern bis zum 12. Lebensjahr beliebten, Überkreuzvergleich herangezogen? Nach dem Motto: Paderborn hat Elversberg besiegt, Hertha hat Paderborn geschlagen, also: Gewinnt Hertha auch in Elversberg. Das wäre zu hoffen und dem neuen Trainer auch zu wünschen, wissen kann man es nicht und voraussagen noch viel weniger. Ansonsten könnte mir die KI gerne den nächsten Tototipp voraussagen. Oder besser noch die Lottozahlen…

Das blaue Frühlingsband

„Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte…“ schrieb Eduard Mörike schon vor fast 200 Jahren, als hätte er geahnt, dass die blauweiße Hertha den Winter mit einem Trainerwechsel verabschieden und damit den Frühling einläuten würde. Etwas Neues wird erwartet, in der Natur und im Olympiastadion, nämlich endlich mal wieder drei Punkte, mit denen man sich ein wenig aus der Abstiegszone entfernen kann. Ob diese Erwartungen von Stefan Leitl erfüllt werden können, wird sich zeigen. Viel besser spielen als in den Partien dieses Jahres (Ausnahme Regensburg) muss man nicht, nur der Ertrag müsste sich vervielfachen. Ob das ein neuer Trainer kann ist nicht garantiert. Aber wie es mit dem Frühling so ist: Man hat Hoffnungen, die in der Zeit erfüllt werden sollen.

Leitl hat ja schon gezeigt, dass er`s kann. In Ingolstadt hat er sich Stück für Stück von der U17 bis zur Profimannschaft vorgearbeitet, anschließend ist er mit Fürth als Außenseiter mit schmalem Budget aufgestiegen (121 Spiele mit 1,24 Punkten im Durchschnitt) und zuletzt coachte er 89 Spiele bei Hannover 96 mit dem beachtlichen Durchschnitt von 1,42 Punkten. Bei Hertha war in den letzten zehn Jahren nur Pal Dardai in seiner letzten Amtszeit mit 1,45 Punkten etwas besser. Allerdings: Mit diesem Schnitt erspielt man sich auch nur 48 Punkte in einer Saison, was zum Aufstieg nicht reicht. Immerhin würde man auf diese Weise 17 Punkte aus den verbleibenden 12 Spielen dieser Grottensaison holen, was mit dann 42 Punkten zumindest ein Abrutschen unter den Strich verhindern würde. Das kann natürlich nicht Herthas Anspruch sein. 1,8 Punkte müssten es in der nächsten Saison schon pro Spiel werden, um wenigstens 60 Punkte zu erzielen, d.h., ein Wörtchen um den Aufstieg mitreden zu können. Wie das mit einem dann wahrscheinlich schwächeren Kader gelingen soll, steht in den Sternen. Aber lasst uns erst mal diese Saison anständig zu Ende bringen. Ein einstelliger Tabellenplatz wäre ja aus heutiger Sicht schon das höchste der Gefühle. Aber dazu müsste am Freitagabend gegen Nürnberg das blaue Hertha-Frühlingsband zu einem Sieg flattern…

Später ist man immer schlauer…

Mit dem Aufstieg könnte es nach der (unverdienten) Niederlage gegen Düsseldorf schwer werden. Also: In der nächsten Saison. In dieser Spielzeit können wir froh sein, wenn das Schlimmste vermieden werden wird, nämlich der Abstieg in die Traditionsliga 3. Und wenn nach der Saison Reese, Maza und einige andere Leistungsträger aller Voraussicht nach gehen werden und schon wieder ein Totalumbruch die Folge sein wird, muss es nicht unbedingt leichter werden oben mitzuspielen.

Nach drei ordentlichen bis guten Spielen gegen Hamburg, Kaiserslautern und vor allem Düsseldorf (nur die Partie in Regensburg passt nicht in dieses Schema), die trotzdem allesamt verloren wurden, greifen die sogenannten Mechanismen des Geschäfts eiskalt zu: Trainer Fiél wird „freigesetzt“, d.h., er bezieht weiter sein bestimmt nicht gerade niedriges Gehalt, ohne dafür zu arbeiten. Das FDP-Motto „Leistung muss sich wieder lohnen“ wird hier sozusagen auf den Kopf gestellt: Nichtleistung (zumindest was die Ergebnisse der harten Arbeit angeht) wird durch verfrühten Winterurlaub belohnt. Schafft nicht jeder!

Aber mal im Ernst: Kann der Trainer was dafür, dass Schuler fünf Minuten vor Schluss an den Pfosten köpft? Natürlich nicht. Schon Pal Dardai, der alte Fußballphilosoph, sagte ja mal, dass man bestimmte Dinge (Stichwort „individuelle Fehler“) nicht coachen kann.

Die meisten Fans stimmen der Entscheidung des Präsidiums sicher zu. Und nun? Macht es der nächste besser? Wir werden es an den Ergebnissen sehen. Auf jeden Fall ist der Trainerwechsel das leider viel zu späte Eingeständnis des Vorstands (vor allem von Geschäftsführer Tom Herrich, vielleicht auch von Zecke Neuendorf), dass das Abservieren von Pal Dardai ein großer Fehler war, wie nicht wenige immer wieder behauptet hatten. Natürlich kann man nicht sicher sein, dass die Saison unter einem Dardai als Übungsleiter besser verlaufen wäre, auf jeden Fall wäre sie billiger gewesen, weil man Ablöse und Weiterzahlung nach der Freisetzung gespart hätte.

Tatsache bleibt: Mit „langweiligem“ Dardai-Konter-Fußball wurde Elversberg mit 5:1 aus dem Stadion geschossen, mit „attraktivem“ Fiél-Ballbesitz-Fußball wurde 1:4 verloren. Anscheinend haben einige Herren aus der Führungsetage den Sinn des Spiels noch nicht verstanden.

Hertha und die Mathematik

Dass Hertha sich um die Bildung der jungen Generation kümmert, wussten die meisten von uns noch nicht. Zur Bildung gehört zwar nicht nur, aber auch die Mathematik, und wer es mit Hertha hält, muss seit Jahren rechnen, rechnen, rechnen.

Dabei ist ausnahmsweise nicht von der materiellen Misere die Rede, die sowieso nicht überblickt werden kann. Es geht um die Punkte, die die Mannschaft erspielt hat oder die eben meistens fehlen.

2020 musste man unter Labbadia bis zum Schluss rechnen, bis ein scheinbar solider 10. Platz erreicht wurde (wir reden von Liga 1, wohlgemerkt!). Unter Dardai wurde 2021 erst am vorletzten Spieltag die Rettung gesichert (14. Platz). Nach Dardais Ablösung durch Bobic, der seinem Kumpel Korkut eine Million zuschanzen wollte, konnte Magath 2022 mit Hilfe von Kevin Prince das Rechnen auch erst in der Relegation gegen den HSV beenden. Als der nette aber glücklose Sandro Schwarz übernahm, half alles Schönrechnen von wieder geholten Dardai („4 Spiele-4 Siege“) nichts mehr und die Mannschaft stieg 2023 als 18. ab.

Als man 2023 mit null Punkten aus drei Spielen in die zweite Liga startete, begann die Rechnerei erst richtig und hörte bis vor dem Spiel gegen Regensburg nicht mehr auf: Wie viele Punkte Rückstand haben wir auf Platz 2, wie viele auf den Relegationsplatz…? Und wenn Hertha fast oder wirklich in Schlagdistanz war (nur noch drei Punkte Rückstand), verloren sie mit Sicherheit gegen einen Gegner, der aus den letzten sieben Spielen nur einen mickrigen Punkt geholt hatte.

Das ist alles Schnee von gestern. Seit der Niederlage in Regensburg hat sich das mit dem Rechnen erübrigt. 10 Punkte Rückstand auf Platz 2 oder 3 sind nicht mehr aufzuholen! In 14 Spielen werden zwar noch 42 Punkte verteilt, aber Hertha müsste schon 30 (also 10 Siege!) Punkte holen, um noch eine Chance zu haben. Und das hieße, dass die zehn anderen Vereine, die vor Hertha stehen, nur noch 20-24 Punkte holen dürften, damit Hertha näherkommen könnte. Gegen einen oder zwei oder drei Vereine könnte man theoretisch einen solchen Rückstand aufholen, wenn man selber konstant spielte, was bei Hertha nicht der Fall ist. Gegen 10 Vereine diesen Rückstand aufzuholen, ist praktisch unmöglich. Deshalb können wir das Mathebuch beruhigt zuklappen, es ist sinnlos.

…es sei denn, Hertha startet heute gegen Kaiserslautern eine kleine Serie mit drei, vier Siegen. Wer weiß: Hat nicht mal jemand gesagt, alles ist möglich… ?

Offenbarungseid

Zwei Niederlagen in Folge können auch der Beginn einer Serie sein. Diese endet dann allerdings mit dem Abstieg in die dritte Liga. Auch dort sind mit 1860 München, Dynamo Dresden, 1.FC Saarbrücken, Arminia Bielefeld, Hansa Rostock, Alemannia Aachen und Rot Weiß Essen genug Traditionsmannschaften vertreten, um keine Langeweile aufkommen zu lassen. Und das Durchreichen in untere Gefilde haben schon so einige Mannschaften am eigenen Leibe erfahren müssen.

Gegen den HSV, einen Aufstiegsaspiranten, hatte man immerhin 40 Minuten (die ersten 15 und die späten 25) ansehnlichen Fußball gespielt. Gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten Regensburg wurden daraus streng genommen null Minuten. Statt um den Aufstieg spielt Hertha plötzlich um den Klassenerhalt.

Auch wenn Kontinuität das eigentliche Zauberwort für den Erfolg ist (Heidenheim, Freiburg, Bremen…), wenn man nicht gerade 100 Millionen auf dem Festgeldkonto hat (Hertha hatte mal 345 Millionen auf dem Konto!) scheint ein Nachdenken über den Verbleib des Trainers doch angebracht. Wer auch immer auf die schwachsinnige Idee kam, einen Trainer, der bis dato noch keinerlei Meriten errungen hatte, zu verpflichten, und dessen einzige Idee die des Ballbesitzes war, wird jetzt zugeben müssen, dass es so nicht mehr weitergeht. Eine Mannschaft, die beharrlich den Berliner Weg fortsetzt (Gersbeck, Maza, Gechter, Klemens, Scherhandt und Winkler in der Startelf!) und durch gute Spieler ergänzt wird (Cuisance, Leistner, Kenny, Zeefuik und Prevljak) muss erfolgreicher sein, als nach 20 Saisonspielen mittlerweile 12 Punkte hinter dem Aufstiegssoll hinterherzuhecheln.

Herr Fiél ist ein netter Mensch, ohne Frage, aber wenn ein spielerisch so starkes Mittelfeld mit Cuisance und Maza das Spiel nicht dominieren kann, wenn kein einziger der über 10 Eckbälle so etwas wie Gefahr für das Gegnertor schafft und wenn kaum ein Angriff den Weg zum Tor sucht, dann muss im Training etwas falsch laufen, ja, man fragt sich, was eigentlich im Training gemacht wird?

Mit Armin Reutershahn wurde vor einigen Tagen ein erfahrener Assistenztrainer vorgestellt. Was spricht eigentlich dagegen, dass ein Mann mit seiner Erfahrung das Training hauptamtlich übernimmt? Weniger Erfolg als jetzt mit Fiel würde er auch nicht haben.