Unnötiger Pokal-k.o.

Der Bruder sagt nach der Pokal-Niederlage gegen Kaiserslautern, was er seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten sagt: In unserem Restleben werden wir es nicht mehr erleben, dass Hertha einen Titel gewinnt (Zweitligameisterschaft mal außen vor gelassen). Man soll ja nie „Nie“ sagen, aber wahrscheinlich muss man dem Bruder, auch wenn man es äußerst ungern tut, recht geben. Selten war die Chance, zumindest den Pokal zu gewinnen, oder wenigstens ins seit 1985 in Berlin stattfindende Endspiel zu kommen, so groß wie in diesem Jahr, wo die üblichen Verdächtigen, wie Dortmund, Bayern und Leipzig, bereits ausgeschieden waren.

War es wirklich so selten?

1975 war Hertha, was die meisten der Spätgeborenen gar nicht wissen, Vizemeister. Zwar lag man am Ende mit sechs Punkten recht deutlich hinter Borussia Mönchengladbach (Zwei Punkte-Regel), aber im Verlaufe der Saison war das eine knappe Kiste. Allerdings war von Euphorie damals in der Stadt nichts zu spüren. Die Nachwirkungen des Bundesliga-Skandals von 1971 waren nirgends größer als in Berlin.

Noch näher am Titel waren die Herthaner 1977 und 1979, als sie im Endspiel des DFB-Pokals jeweils knapp unterlagen: 1977 erst im Wiederholungsspiel (!) mit 0:1 gegen Köln, wo Hertha ein klarer Elfmeter verweigert und ein reguläres Tor aberkannt wurde. Der ruhige Zeitgenosse Ete Beer läuft immer noch fast Amok, wenn er von diesem Skandal berichtet. 1979 verlor man 0:1 gegen Düsseldorf, als Uwe Kliemann in der Verlängerung meinte, dem Torwart Nigbur einen Ball zuspielen zu sollen, obwohl sich ein Düsseldorfer Spieler in Torwartnähe aufhielt. Schief gegangen!

Der letzte Anlauf von Hertha auf einen Titel, der natürlich wieder nach dem Motto „Knapp daneben ist auch vorbei“ verlief, ist noch gar nicht so lange her. Wundertrainer Favre (das ist nicht mal ironisch gemeint) formte einen Titelanwärter, indem er das machte, was ein Jürgen Klinsmann immer gerne machen wollte, aber nie geschafft hat: Jeden Spieler jeden Tag ein bisschen besser zu machen! 2009 lag Hertha zwar wieder sechs Punkte hinter Wolfsburg (Drei-Punkte-Regel), wurde aber in Wolfsburg von Knut Kirchner verschoben, als er ein klares Foul vorm Wolfsburger 1:0-Siegtreffer nicht ahndete. Beim 0:0 wären es nur drei Punkte gewesen, und die hätte man im letzten Spiel gegen die schon abgestiegenen Karlsruher geholt, wenn man nicht völlig frustriert gewesen und 0:4 verloren hätte.

Im Pokal war man immerhin neben den beiden Endspielen (Hertha-Bubis natürlich 1993 nicht zu vergessen) auch 1964, 1976, 1981 und 2016 im Halbfinale und verlor jeweils. 2016 auch unter Dardai als Trainer, als nach Angsthasen-Fußball gegen Dortmund im Olympiastadion 0:3 verloren wurde.

Und 2024? Wieder nichts, trotz 20:13 Schüssen und 7:5 Torschüssen, trotz 70 % Ballbesitz, 588 : 262 Pässen und 79 % : 56 % Passgenauigkeit. Aber als Hertha nach verschlafener erster Halbzeit mit Reese munter das 1:2 ansteuerte, versetzte Bouchalakis mit seinem „Eigentor“-Fehlpass Hertha den K.o. Und Dardai hat recht, wenn er sagt, dass individuelle Fehler nicht (ab-)trainierbar sind. Aber ob Experimente wie eine Dreierkette ausgerechnet vor 74.000 Zuschauern gemacht werden müssen, ist zumindest diskutierbar…

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