Trainer – der überschätzte Beruf

In der Steinzeit des Fußballspiels gab es keine Trainer. Die deutsche Nationalmannschaft hatte bis in die Zwanzigerjahre keinen Trainer, die Mannschaft wurde vom Verband berufen und aufgestellt. Später kamen Otto Nerz, Sepp Herberger und wie sie bis zu Julian Nagelsmanns Inthronisierung alle hießen.

Wenn die Mannschaft zwei Spiele nachdem ein neuer Trainer das Amt angetreten hat im alten Schlendrian spielt und gegen die Türkei und Österreich verliert (Bilanz gegen die Türkei bis dato 14 Siege – 4 Unentschieden – 3 Niederlagen und gegen Österreich 25 Siege – 6 Unentschieden – 9 Niederlagen) dann bedeutet das nur, dass die Tätigkeit des Trainers im Allgemeinen maßlos überschätzt wird. Es gibt natürlich die tägliche Arbeit auf und neben dem Fußballplatz. Die wird aber heutzutage von einem Team von Co-Trainern, jeweils speziell für Torhüter, Abwehr und Angriff, Physiotherapeuten, Sportmedizinern, Athletik- und Fitnesstrainern, Köchen und Ernährungsberatern sowie Sportpsychologen durchgeführt. Der Trainer ist nur noch die letzte Instanz, verantwortlich für die Aufstellung und die Motivation, falls diese wegen des in Aussicht stehenden Millionenverdiensts im Erfolgsfalle überhaupt nötig ist.

Wenn Spieler nicht motiviert sind, wie das bei den Länderspielen oftmals der Fall ist und immer schon war (Herberger: 1:2 gegen die Türkei, Schön: 0:1 gegen die DDR, Derwall: Algerien 1:2, Klinsmann: 1:4 gegen Italien, Völler: Island 0:0, Löw: Spanien 0:6, Flick: Japan 1:4, Nagelsmann: s.o.), kann sich der Trainer abmühen wie er will: Er erreicht die „Seelen“ der Spieler nicht, zumindest nicht immer. Deshalb sollte man auch mit dem Jammern über den Niedergang des deutschen Fußballs aufhören: Gute Spieler gibt es nach wie vor, auch wenn auf bestimmten Positionen derzeit ein gewisser Nachholbedarf zu bestehen scheint. Außenverteidiger, Innenverteidiger und Mittelstürmer sind etwas knapp besetzt. Trotzdem ist die Qualität der Einzelspieler ausreichend, um bei jedem Turnier zumindest das Viertelfinale zu erreichen. Und ab dem Halbfinale ist sowieso alles Lotterie. Also: Panik im Hinblick auf die EM ist unangebracht, vielleicht gibt es nächstes Jahr die eine oder andere positive Überraschung.

Überraschend kam das Aus für Unions Urs Fischer nicht. Das Dumme nach der Trennung von einem Übungsleiter ist, dass man meist in absehbarer Zeit einen Nachfolger finden muss. Mit Hilfe der allgegenwärtigen Künstlichen Intelligenz (oder einer handschriftlichen Liste) kann man die möglichen Kandidaten, also die arbeitslosen, bei anderen Vereinen wegen Erfolglosigkeit entlassenen Sportkameraden, schnell bestimmen. Die Liste ist natürlich global angelegt, das Sprachproblem wird seit Trappatonis Wirken sowieso als sekundär angesehen. Unions suchen in Spanien und anderswo wird früher oder später zum Erfolg führen. Ob die Ära Unions als Erfolgsmodell weitergeführt werden kann, wird sich zeigen. Sieben Punkte nach zwölf Spielen sind wenig. 33 Punkte aus noch 22 Spielen, bis zum Erreichen der legendären 40-Punkte-Marke, sind viel. 11 Siege müssten her. Eine Relegation gegen Hertha scheint nicht ausgeschlossen, wenn die Blauweißen in der Rückrunde durchstarten…

Letzter Gedanke zum Thema Trainer: Sebastian Hoeneß rettete Stuttgart in der vorigen Saison vor dem Abstieg. In dieser Saison führt er sie momentan auf einen Championsleague-Platz. Ich könnte mir gut vorstellen, dass nach einem erfolgten Einbruch der Ergebnisse in der Rückrunde (Hoeneß ist schließlich gelernter Herthaner) eine Entlassung „unvermeidlich“ sein könnte…

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