Die Jagd auf Reese

Dass man Wildschweine und Rotwild im Winter, außerhalb der Schonzeit, jagen kann, war mir bekannt. Dass man die Jagd auch auf Menschen eröffnen kann, zumal wenn ihre kriminellen Aktivitäten gleich Null sind, war mir neu: Ein nicht zu benennender Sportsender geht mit der Schlagzeile an die interessierte Öffentlichkeit, dass Bremen und Köln die Jagd auf Reese eröffnet hätten. Bremen und Köln? Da lachen ja die Hühner! Wenn Bayern München mit einer 20-Millionen-Offerte winken würde, müssten sich die Verantwortlichen zusammensetzen und beraten, ob das dringend benötigte Kleingeld wichtiger als ein möglicher Aufstieg wäre. Aber Bremen und Köln, die selber kein Geld haben und gegen den Abstieg kämpfen? Reese wird doch einen Teufel tun, sich mit solchen Angeboten überhaupt zu beschäftigen, wenn er nicht vom Regen in die Traufe kommen will. Voriges Jahr unterschrieb er als Zweitligaspieler einen Vertrag bei einem Erstligisten, weil Leistung und Charakter in einer höheren Liga besser zur Geltung kommen können. Es kam wegen Herthas Abstieg anders als gedacht. Reese erfüllt aber seinen Vertrag, und zwar bis jetzt zu mehr als 100 Prozent. Wenn er jetzt wieder von einem Zweitligisten zu einem abstiegsbedrohten Noch-Erstligisten wechseln würde, müsste man an seinem Geisteszustand zweifeln. Wer Reese in Interviews hört, weiß, dass er ein wacher, intelligenter und ehrlicher Typ ist. Ein Wechsel in der Winterpause, auf jeden Fall zu Köln oder Werder, erscheint also völlig ausgeschlossen. Zumal er bei Hertha mit Sicherheit ein Erstligagehalt im Millionenbereich bezieht, irgendwo muss das Geld für den zweitteuersten Kader der 2. Liga ja schließlich bleiben.

Vor der Winterpause, bevor es Ende Januar bei Schnee, Eis und Kälte wieder losgeht (in früheren Vor-Klimawandel-Zeiten war das sehr zuverlässig so), ist noch das schwerste Spiel der Saison zu spielen („Das nächste Spiel ist immer das Schwerste.“, sagte Sepp Herberger, und der musste es schließlich wissen): Gegen den Tabellenletzten Osnabrück erwarten alle natürlich einen (hohen) Sieg. Aber abgesehen davon, dass die Osnabrücker mit neuem Trainer im letzten Spiel dem souveränen Tabellenführer St. Pauli ein 1:1 abrangen, gegen den Hertha zuhause sang und klanglos 1:2 verlor, ist es so einfach eben nicht. Und Hertha war in der Vergangenheit prädestiniert dafür, gerade solche Spiel zu vergeigen. Aber Hertha macht diese Saison ja vieles anders. Gewinnt z.B. Pokalspiele. Mit Verlängerung. Im Elfmeterschießen. Und das nächste Auswärtsspiel gleich noch dazu.

Mit derzeit 24 Punkten liegt Hertha momentan vier Punkte hinter dem Relegationsplatz und acht Punkte hinter einem direkten Aufstiegsplatz. Wenn Osnabrück besiegt werden würde, würde Hertha genau da stehen, wo sie Pal Dardai auf der Mitgliederversammlung mit Seherfähigkeiten hinzaubern wollte: „Weihnachten wollen wir noch die Möglichkeit für etwas Schönes haben…“ Besser kann man es nicht ausdrücken…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert