Wen die Götter lieben…

Wenn ich ins Stadion gehe, bin ich neunzig Minuten lang konzentriert bei der Sache. Ich beteilige mich nur halbherzig an Laolas, komme nicht zwölf Minuten nach Beginn der zweiten Halbzeit vom Bierstand und verlasse das Stadion auch nicht vor dem Abpfiff (seit ich 1980 drei Tore in den letzten fünf Minuten verpasst habe, das ist aber ein anderes Thema…).

Ich gebe aber zu, dass ich von dem Tor von Alex Alves nur die letzten drei Meter der 52m langen Flugbahn gesehen habe, weil ich durch ein anschwellendes Raunen im Stadion aus einer Diskussion über das unnötige 0:2 des 1.FC Köln gegen Hertha gerissen wurde. In unzähligen Wiederholungen habe ich aber später das Tor des Monats und des Jahres, unverschämter Weise direkt vom Anstoß aus erzielt, in voller Schönheit sehen dürfen.

Alex Alves befindet sich jetzt im brasilianischen Fußballhimmel, gemeinsam mit Garrincha und Socrates und kann sich mit den beiden ebenfalls viel zu früh gestorbenen, gescheiterten Fußballhelden über verprasstes Geld, die Probleme des Ruhms und Brasiliens Chancen bei der WM 2014 unterhalten.

Alex Alves wird von den meisten als ein besonders bizarres Element der scheinbar unendlichen Reihe teurer Fehleinkäufe von Herthas Ex-Manager Dieter Hoeneß angesehen. Er war jedoch alles andere als das. Er hat in 81 Spielen innerhalb von dreieinhalb Spielzeiten immerhin 25 Tore geschossen, womit er den 11. Rang in der Hertha-Bundesligatorschützenliste belegt. Seine Schusstechnik, bei der er das Schussbein kurz nach dem Ballkontakt stoppte, wodurch er auf merkwürdige Weise einen unglaublich starken Impuls auf den Ball übertrug, war einmalig und sensationell. Ebenso einmalig war sein weißer Fellmantel, mit dem er sich bei der stets verspäteten Rückkehr aus der Winterpause zu zeigen pflegte, sowie sein Copoeira-Tänzchen nach dem Torjubel, den er allerdings meist alleine zelebrierte, weil die Mannschaftskollegen Angst vor Kopfverletzungen hatten.

Alex Alves hatte das Potential zum Weltklassespieler. Dass er jetzt mit nur 37 Jahren an Krebs gestorben ist, passt ins traurige Bild dieses Lebens, nachdem die Millionen, die er im kalten Deutschland verdient hatte, genauso schnell wieder weg waren, wie der deutsche Schnee in brasilianischer Sonne schmilzt. Die Goldmünze, die er für das Tor des Monats erhielt, sollte versteigert werden, um Behandlungskosten, die er selbst nicht aufbringen konnte, zu übernehmen. Wenn ihm sein reicher Bruder keinen Grabstein spendiert, könnte das Geld vielleicht dafür angelegt werden…

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