Söldnertum, Kontinuität und Identifikation – Wie lange bleibt der Profi im Verein?

In meinem Fußball-Sammelalbum der ersten Bundesligasaison sind sie alle versammelt, von Egon Loy, Winfried Kohlars und  Leo Wilden bis zu Theo Redder, Uwe Seeler und Eberhard Borchert. Von Uwe Seeler mal abgesehen waren das eher Spieler aus der zweiten und dritten Reihe des Bundesligafußballs, der in seinen ersten Jahren eine Konstante hatte: Die Spieler stammten überwiegend aus der Stadt, für die sie spielten. Beim HSV liefen fast nur Hamburger Jungs auf und bei Hertha waren zum großen Teil waschechte Berliner am Ball. Ausländer wie Petar Radenkovic waren die absolute Ausnahme.

Wie wir alle wissen, änderte sich das insofern, als zuerst die deutschen Spieler dem Handgeld hinterher quer durch die Republik wanderten, bis nach dem Bosman-Urteil immer mehr Spieler durch (billigere?) Ausländer ersetzt wurden mit dem Höhe- bzw. Tiefpunkt, als Energie Cottbus ohne deutschen Spieler auflief.

Obwohl im Zahlenverhältnis Deutsche/Ausländer seit einigen Jahren eine gewisse Trendwende zu erkennen ist, muss man feststellen, dass der immer schnellere Wechsel der Spieler von Verein zu Verein (wahrscheinlich auch durch die unselige Existenz der Spielerberater, die an jedem Wechsel mitverdienen, forciert) nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel geworden ist. Undenkbar, dass ein Spieler heute ein Angebot von Real Madrid, wie einstmals Fritz Walter (Millionenangebot, umgerechnet nach heutigem Wert eine unfassbare Summe!) zugunsten lebenslanger Vereinstreue ausschlägt.

Aber zum Pferdesport gehören Ross und Reiter! Es sind natürlich nicht nur die geldgierigen Spieler, die gerne für ein Jahr im Hotel wohnen, um dann weiterzuziehen, nein, auch die Manager und Trainer sind ständig auf der Suche nach angeblichen oder tatsächlichen Verstärkungen und würfeln so ihre Mannschaften, teilweise auch von Medien und Fans auf der Jagd nach schnellem Erfolg getrieben, ständig durcheinander, den großen Vorteil einer eingespielten Truppe (aktuell: Eintracht Braunschweig!) außer Acht lassend. Im Gegensatz zur ständig beschworenen Kontinuität und dem soliden Aufbau der Mannschaft stehen die Fakten:

Im Mittel bleibt ein Bundesligaspieler nur ca. drei Jahre bei seinem Verein! Dieser Durchschnittswert (Angaben errechnet nach der Saison 2012/2013-Beilage von „11 Freunde“) wird noch durch Exoten wie Nikolov (seit 21 Jahren) oder Spielern, die kurz nach der Geburt in den Verein eintraten und ihm jetzt mit 22 schon 17 Jahre angehören, wie Diego Contento von Bayern, zum Längeren hin verfälscht.

Welcher Verein hat den schnellsten „Durchlauf“?  Nicht Magaths VfL Wolfsburg, der steht mit 2,46 Verweiljahren der Spieler auch gut im Kampf um die blecherne Anti-Kontinuitäts-Medaille da, nein, es ist Aufsteiger Fortuna Düsseldorf mit dem Wahnsinnsschnitt von 1,50 Jahren im Verein! Da wechselt ein Manager fast die ganze Mannschaft aus, die gerade erfolgreich aufgestiegen ist! Kann das gut gehen? Will der Fan das? Kann er sich mit der Söldnertruppe identifizieren? Die Zuschauerzahlen sagen zwar „ja“, nicht jedoch die Seele des Anhängers. Sollte Düsseldorf trotz des gelungenen Starts absteigen, muss sich niemand wundern.

Kontinuierlicher Aufbau heißt für mich nicht, 10 Spieler zu verhökern und 12 neue anzuheuern, sondern pro Jahr drei bis vier sorgfältig ausgesuchte zu verpflichten, von denen ein oder zwei den Sprung in die Stammelf schaffen. Dann hätte man einen Vereinszugehörigkeits-Schnitt von fünf bis sechs Jahren und der Fan müsste nicht halbjährlich Energie fürs Rückennummern-auswendig-Lernen des eigenen Vereins verbraten.

P.S.: Welcher Verein hat übrigens die höchste Kontinuität? Doch, doch: Bayern München mit 4,30 Jahren!

Übersicht über die durchschnittliche Vereinszugehörigkeits – Dauer in Jahren:

1) Bayern München 4,30
2) Bayer Leverkusen 4,03
3) Eintracht Frankfurt 4,00
4) Borussia Dortmund 3,89
5) Bor. Mönchengladbach 3,67
6) Hannover 96 3,59
7) SC Freiburg 3,03
8) Mainz 05 3,03
9) Werder Bremen 2,93
10) Schalke 04 2,79
11) VfB Stuttgart 2,67
12) HSV 2,62
13) Greuther Fürth 2,59
14) VfL Wolfsburg 2,46
15) FC Augsburg 2,13
16) 1.FC Nürnberg 2,07
17) 1899 Hoffenheim 1,86
18) Fortuna Düsseldorf 1,50

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert