Niederlage gegen Polen – peinlich?

Es gibt zwei Arten von Fußballanhängern: Solche, die sich die Sportschau ansehen oder gar ins Stadion gehen, um mitreden zu können, weil der Fußball ja mittlerweile auch in der Gentrifiziererklasse als Thema angekommen ist. Und es gibt diejenigen, die aus irgendwelchen, ihnen meist selbst unverständlichen Gründen mit einem Verein ihr Leben lang verbandelt sind. Die zweite Gruppe (es gibt natürlich unendlich viele Schattierungen zwischen diesen beiden Fanlagern) ist durchaus in der Lage, ihrer Mannschaft auch nach einer Niederlage stehende Ovationen zu spenden, wenn denn die Art und Weise des Spiels, d.h., Kampf, Wille und Aufoferungsbereitschaft, gestimmt haben. Die Mitredefans wären zu einer solchen Geste niemals in der Lage, weil für sie nur das Ergebnis zählt, wie für einen Immobilienmakler auch nur der erfolgreiche Verkauf einer Wohnung etwas wert ist, und nicht der nette Plausch mit einem Kaufinteressenten.
Beim Spiel Polen gegen Deutschland hat die deutsche Mannschaft über 70 Minuten gut gespielt, den Gegner eindeutig dominiert, 27 Mal aufs Tor geschossen und mit viel Pech und etwas Konzentrationsschwäche kein Tor erzielt, während die Polen großartig effektiv zwei von vier Schüssen im Tor unterbrachten (beide nach vorangegangenen, nicht gepfiffenen Fouls) und so das Spiel gewannen. Ein völlig normaler Vorgang im Fußball, an jedem Bundesligaspieltag zu erleben. Was daran „peinlich“ sein soll, wie die Hälfte aller Medien dieses Ergebnis bezeichnet, erscheint mir völlig unklar und geradezu absurd. Selbst ein so zurückhaltender und in der Wortwahl sonst stets ausgewogener Zeitgenosse wie der FuWo-Journalist Günter Weise benutzt diese Bezeichnung. Peinlich wäre vielleicht eine zweistellige Niederlage gegen Gibraltar, peinlich wäre es auch, wenn man die Spieler am Vorabend des WM-Endspiels sturzbetrunken in einer Bar angetroffen hätte, aber eine Niederlage gegen Polen? Nichts daran ist peinlich.

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