Dass die deutsche Nationalmannschaft gegen Irland in der letzten Viertelstunde um ein Unentschieden gebettelt und es letztendlich auch bekommen hat, ist bei weitem nicht das Erwähnenswerteste dieses Spieltages. Nein, es geht um das vom RTL-Moderator genüsslich angekündigte „Skandalspiel“, das später, nach drei weiteren Werbeblöcken à 20 Minuten, noch zu sehen sei. Ich weiß auch nicht warum, aber spontan, ohne groß darüber nachzudenken, schoss mir das Wort „Serbien“ in den Kopf, ohne zu wissen, ob Serbien an diesem Tag überhaupt spielte. Rassismus und Volksverhetzung liegen mir fern, gewisse Erfahrungen mit Fußballspielern, deren Namen auf –ic enden, hat man im Laufe des Lebens aber gemacht. Ein gewisser Radakovic schoss Deutschland 1962 in Chile kurz vor Schluss mit einem 18-m-Hammer, den auch der reaktionsschnelle Fahrian im deutschen Tor erst sah, als er wieder ins Feld zurücksprang, aus dem Halbfinaltraum. Ein Petar Radenkovic leistete als Torwart bei den Münchner Löwen, Schlagersänger und Slivovitz-Werbeträger in den ersten Bundesligajahren bemerkenswertes. Ein Josip Simunic kam eine Saison fast ohne Fouls aus, um im nächsten Jahr reihenweise rote Karten zu provozieren. Wenn man für dreckige Fouls gleich zwei rote Karten geben dürfte, hätte Simunic in dieser Kategorie in vorderster Front gestanden. Was hat das alles mit dem Skandal von Belgrad zu tun? Nichts, aber es ist sicher kein bösartiges Vorurteil, wenn man feststellt, dass Menschen des Balkans im Durchschnitt über ein ausgeprägteres Temperament verfügen als Herr Olafsson von den Schafsinseln.
Als ich Ende der Siebzigerjahre über Split in die Heimat reiste, war es mir vergönnt, bevor mein Zug der Heimat entgegendampfte (ich saß mit fünf ketterauchenden, um die Wette hustenden, jungen jugoslawischen Menschen in einem Abteil), ein Fußballspiel zwischen Hajduk Split und einem offenbar unterklassigen Gegner zu sehen. Wahrscheinlich war es ein Pokalspiel der ersten Runde, das Zuschauerinteresse war mäßig und das Spiel fand nicht im großen Hajduk-Stadion statt, sondern in einer innerstädtischen Arena, die den Charme eines antiken Theaters hatte. Den Sound, den die vielleicht zweitausend Menschen hervorbrachten, die Sonnenblumenkerne kauend und deren Schalen ausspuckend auf den Steinterrassen saßen, werde ich mein Lebtag nicht vergessen: Bei jeder noch so unwichtigen Aktion der eigenen Mannschaft gab es ein sirenenartig an- und abschwellendes Rufen, Schimpfen, Heulen, Vorwärtspeitschen. Ich dachte nur, was geschieht eigentlich, wenn es um etwas Wichtiges geht, hebt dann der ganze Bau ab?
Nun, in Belgrad ging es am 15.10.2014 offensichtlich um etwas Wichtiges, denn was kann es Bedeutenderes geben, als bunte Stofffetzen, die vom Himmel schweben? Die albanischen Spieler trauten sich nach der Unterbrechung angeblich nicht mehr auf den Platz, weil Zuschauer auf den Platz gestürmt waren und sie Angst hatten. Da könnte doch der DFB den weisen Herren von der UEFA bei der Beurteilung der Sachlage sicher helfen: Der Platzsturm in der Relegation von Düsseldorf ist noch gar nicht so lange her…