Immer muss man sich ärgern

Zum Glück ist man nicht Bayern-Fan. Gähnende Langeweile bei der zwanzig plus x-ten Meisterschaft, beim 10 plus x-ten Pokalsieg und selbst beim 5 plus x-ten Champions-League-Triumph will keine rechte Stimmung aufkommen. Das Aufregendste ist stets der jährlich herausgebrachte neue Briefkopf, der ein, zwei oder auch mal drei zusätzliche Titeljahreszahlen enthält.

Wie viel aufregender ist es, Anhänger des Hauptstadt-Clubs Hertha BSC zu sein. Von Titeln keine Spur (außer „1930, 1931“, aber die übersieht man schnell). Aber die jährliche Höhe der Schulden, der jährliche neue Trainer, die jährlich verhökerten, in der Akademie ausgebildeten Talente: das macht schon was her.

Aufregung hat man aber auch im regulären Spielbetrieb. Gestern beispielsweise durfte man sich gleich dreifach aufregen: Erstens über den Schiedsrichter. Pfeift Freistoß für Darmstadt, nachdem zwei Spieler mit den Köpfen zusammenkrachen. Nun gut, der eine davon heißt Zeefuik, und wenn der in der Nähe ist, entscheidet der Schiedsrichter schon mal grundsätzlich auf Foul gegen ihn. Dabei ist Körpereinsatz im Fußball meines Wissens nicht verboten. Nun gut. Ausgleich als Folge eines Nichtfreistoßes in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit. Als Krönung wird in der zweiten Halbzeit der Führungstreffer von Hertha aberkannt, weil eventuell ein Handspiel vorgelegen haben könnte. Es gibt zwar keinerlei filmische Beweise für diese steile These, trotzdem stellt der VAR diese Behauptung in den Raum und der Schiedsrichter überprüft das nicht mal selber. Man könnte sich aufregen!

Auch wenn man sich noch so sehr über die Welt, die wie immer gegen einen ist, ärgert, man muss sich auch mal an die eigene Nase fassen. In diesem Fall bezieht sich der zweite Ärger auf den Spieler Ernst, der seine Arbeitseinstellung im Spiel gegen Darmstadt ohne selbigen (keine Namenswitze bitte, eigentlich) ausführte. Treffer zwei ( hohe Flanke zwei Meter vorm Tor) und drei (harmloser Weitschuss) gingen klar auf sein Soll-Konto. Da er sich ansonsten nicht allzu häufig auszeichnen konnte, muss man sich über die Torhüterleistung ärgern.

Damit nicht genug des Ärgers. Die ganze Mannschaft überließ dem Gegner nach einer starken halben Stunde, nach der man eigentlich höher als 1:0 hätte führen müssen, das Geschehen auf dem Platz. Folgerichtig kam der Gegner zu Möglichkeiten. Dass es ohne die zwei obigen Ärgernisse (Schiedsrichter, Torwart), doch zum Sieg gereicht hätte, spricht Bände, aber nicht für den Aufstiegswillen von Hertha. Im vorigen Spieljahr hatte man nach 12 Runden 16 Punkte, diesmal 17. Damals 8 bzw. 5 Punkte Rückstand auf 2. bzw. 3. Platz, dieses Jahr jeweils 4! Das liegt aber nicht an Herthas Stärke, sondern einzig und allein an den Schwächen aller Mitkonkurrenten. Wer mehr als zwei Schuljahre Mathematik-Unterricht genossen hat, kann sich ausrechnen, wo Hertha stünde, wenn die beiden Spiele gegen Köln und Darmstadt gewonnen worden wären. Nicht zu reden vom Spiel gegen Elversberg.

Ich könnte mich aufregen!

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