Dieses Schmählied sangen Mitte der zweiten Halbzeit die freudetrunkenen Mainzer Anhänger nach den von Hertha etwas vorfristig großzügig ausgeteilten Weihnachtsgeschenken. Warum es nach den ansehnlichen Spielen gegen Stuttgart und Bielefeld zu diesem Desaster kam (Hertha hätte auch, ohne sich beschweren zu dürfen, gut und gerne 8:0 verlieren können) ist nicht erklärlich. Genauso wenig, wie ein Sieg gegen Dortmund zu erklären wäre, aber dazu wird es sicher nicht kommen.
23 :1 Flanken für die Mainzer ist die Kurzanalyse des Spiels. Wer viel flankt findet auch mal das Tor und die ersten drei Tore fielen genau auf diese Art. Aufgabe der Außenverteidiger ist es in der Regel, diese Flanken zu verhindern oder wenigstens die gegnerischen Spieler bei dessen Ausführung zu stören. Nicht so bei Hertha. Ein gewisser Herr Zeefuik, mit der Nummer 42 auf dem breiten Rücken, duckt sich vor dem 1:0, statt die Hereingabe des Balles mit irgendeinem Teil seines athletischen Körpers aufzuhalten, notfalls mit dem Kopf, was sicher wehtut, der andererseits, außer zur Nahrungsaufnahme, sowieso keine Funktion hat. Beim 2:0, von der linken Strafraumkante aus erzielt, hielt sich Zeefuik im Fünfmeterraum, also ca. 30 m von seiner theoretisch einzuhaltenden Position entfernt auf. Warum auch immer! Der Trainer hat dies offensichtlich auch bemerkt und beendete den taktisch gesehen ungenügenden Auftritt des jungen Niederländers, der ansonsten immerhin wenige Fehler machte und sogar zwei Einwürfe nach vorne warf und nicht, wie sonst grundsätzlich, nach hinten.
Eine flügellahme Seite kann eine Mannschaft vielleicht noch durch Kampf, Leidenschaft und Charakter ausgleichen, wenn die andere Seite aber noch desaströser spielt, ist der Untergang unvermeidbar. Der Mainzer Rechtsaußen, um diesen altväterlichen Ausdruck zu gebrauchen, hatte einen Abend ohne Gegenspieler, was ungefähr so einfach ist, als wenn Kinder mit Luftballons jonglieren und stolz darauf sind, dass sie den Ball unbegrenzt in der Luft halten können. Gegenspieler Plattenhardt, der mal einen ganz feinen linken Fuß hatte und sogar Freistöße direkt verwandelte (lang ist`s her), hält sich grundsätzlich 15 bis 20 Meter von seinem Gegenspieler entfernt auf. Das ist natürlich dem modernen “Verschieben” geschuldet, d.h., dass sich die ganze Mannschaft zur Ballposition hin orientiert. Wenn aber, wie vor dem 1:0 der Ball von ganz links nach ganz rechts geschlagen wird, also 60 m fliegt, dauert das gut und gerne 1,5 bis 2 Sekunden. In dieser Zeit kann sich ein nicht verletzter oder in Corona-Quarantäne befindlicher Leistungssportler zehn bis fünfzehn Meter bewegen, wenn er antizipiert und sich bewegen will. Wer hinschiebt muss auch zurückschieben. Nicht so Plattenhardt. Er sieht der Flanke hinterher, setzt sich in Bewegung und hat, wenn der Gegenspieler den Ball ungestört kontrolliert, noch 5 Meter Abstand. Dann wird`s schwer. Der Gegner flankt, in der Mitte köpft ein Spieler unbedrängt ein. Vor dem 2:0 ebenfalls: Flanke, Gegner schießt gemeiner Weise ohne gestört zu werden ein. Beim 3:0 ist Plattenhardt nicht auf seinem Posten, sondern in der Mitte des Strafraums, was ihm aber immerhin die Möglichkeit gibt, den Ball wütend in Richtung Mittellinie zu dreschen, leider nachdem er aus dem Tornetz herausprallt.
Der Rest war 40 Minuten Arbeitsverweigerung, mit Darida als Rechtsverteidiger. Warum dafür nicht die Verteidiger Mittelstädt oder Torunarigha eingesetzt wurden, kann der Trainer vielleicht beantworten. Eventuell wollte er das 0:2 aufholen und Darida sollte neben der ungewohnten Abwehrarbeit noch die lustlosen Mitspieler antreiben. Auf jeden Fall gelang dieser taktische Schachzug nicht.
Was kann man besser machen? Vielleicht eine Videoanalyse mit den Außenverteidiger-Fehlern machen! Das kann ja in den letzten Jahren nicht geschehen sein, sonst würden sie nicht regelmäßig so spielen. Oder sie sind nicht lernfähig oder -bereit. Wollte Dardai nicht neue Außenverteidiger haben? Er wusste offenbar warum. Statt dessen bekam er als Ersatz für drei gute Stürmer ohne Hertha-Fahne-Treueschwüre drei mittelmäßige Stürmer ohne Hertha-Fahne-Treueschwüre…
Man kann momentan nur hoffen, dass die Niederlage gegen Dortmund nicht allzu hoch ausfällt. Wenn Hertha aber gewinnen würde, hätten sie ihr Halbjahresziel von 22 Punkten sogar fast erreicht. Zum Totlachen, wenn es nicht so zum Heulen wäre…