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Nationalmannschaft – wieder erfolglos?

Deutschland ist im Achtelfinale der Europameisterschaft ausgeschieden! Eine nationale Tragödie? Sind das alles Deppen? Ist der Trainer ein ahnungsloser Scharlatan?

Bleiben wir mal auf dem Teppich und analysieren in Ruhe, was passiert ist: Die deutsche Mannschaft hat die sogenannte Todesgruppe als Tabellenzweiter überstanden. Das war zwar knapp, aber immerhin mehr, als ihr viele der 80 Millionen Bundestrainer zugetraut hatten. Im Achtelfinale ist man gegen einen Mitfavoriten auswärts ausgeschieden, das kann doch passieren. Wo steht eigentlich geschrieben, dass Deutschland IMMER mindestens ins Halbfinale eines internationalen Wettbewerbs kommen muss? In meiner gar nicht mal so kurzen Anwesenheit auf diesem Fußballplaneten Erde habe ich Deutschland 19 mal das Halbfinale einer Welt- oder Europameisterschaft erreichen sehen, 13 mal wurde das Finale erreicht (zwei Drittel der Halbfinals wurden also gewonnen) und sechs mal das Finale gewonnen: Je drei Welt- und Europameisterschaften (1954 war es aus bestimmten anatomischen Gründen schwierig für mich am Wunder von Bern zu partizipieren). Es gibt auch ein paar andere Länder, in denen man Fußballspielen kann und wenn man gegen solche Gegner verliert, ist man nicht automatisch Versager oder die EM ist verkorkst, wie gerne jetzt schon wieder von Möchtegern-Besserwissern behauptet wird. Selbstverständlich hätte es gern ein Achtel mehr sein dürfen. Aber Deutschland steht momentan eben nicht zu Unrecht auf Platz 12 der FIFA-Weltrangliste (so umstritten diese auch sein mag).

In der Bundesliga-Torjägerliste liegen sechs ausländische Spieler vor dem besten deutschen Torschützen: Lars Stindl mit 14 Toren auf Platz 7. Danach kommen Max Kruse und Thomas Müller mit je 11 Treffern. Vielleicht erklärt das den nicht mehr treffsicheren Angriff: Die Zeiten von deutschen Weltklasse-Mittelstürmern wie Seeler, Müller, Völler, Klinsmann und Klose sind vorerst vorbei und ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Die Abwehr war zwar im Vergleich zu 2018 stabilisiert, aber nach wie vor konteranfällig. Ob sich das mit Hansi Flick als Trainer ändern wird, der mit den Bayern extrem hoch stand und deshalb dutzende Male, auch von Zweitligisten (Kiel als das deutsche Mazedonien) ausgekontert wurde, erscheint fraglich. Immerhin gibt es im Mittelfeld eine Fülle von jungen, hervorragenden Spielern, so dass man für die Zukunft nicht schwarz sehen muss.

Pal Dardai sagt, dass im Fußball zu 30 % das Glück entscheidet. Wenn vor Thomas Müllers Fehlschuss kurz vor dem Ende vielleicht drei Grashalme anders gelegen hätten…

So what? Die deutsche Nationalmannschaft ist mit Weltmeister Frankreich, Vizeweltmeister Kroatien, Noch-Europameister Portugal und Möchtegernmeister Holland jedenfalls in guter Gesellschaft. Grund zum Heulen bitterer Tränen besteht nicht.