Steigt Hertha schon wieder ab?

Warum geht Götze zu Bayern? Wie hoch gewinnt München im Champions-League-Endspiel gegen Dortmund? Wo schießt Lewandowski nächstes Jahr seine Tore? Relativ unwichtig im Vergleich zur Frage, ob Hertha endlich mal wieder länger als ein Jahr erste Liga am Stück zu Stande bringt.

Klar ist eins: Die wirtschaftlichen Zwänge als Erbe der Hoeneß-Ära verbieten die Verpflichtung großer Namen. Dass dies auch gar nicht wünschenswert ist und Kontinuität als Zauberwort sich immer mehr durchsetzt, zeigt nicht nur Eintracht Braunschweig. Letztlich ist auch Bayern München hauptsächlich wegen des seit Jahren eingespielten und nur mit wenigen Spielern verbesserten Kaders zur besten Mannschaft der Welt aufgestiegen.

Blicken wir zwei bis drei Niveaustufen hinunter und checken die Mannschaftsteile Herthas auf ihre Bundesligatauglichkeit (die Noten sind kein Rückblick auf erbrachte Leistungen, sondern sollen das voraussichtliche Leistungsvermögen in der 1. Liga darstellen):

Tor:

Kraft: Mit Sicherheit guter Durchschnitt in der Liga. Hervorragendes Stellungsspiel, wenn der Stürmer alleine vor ihm auftaucht. Reaktionsschnell auf der Linie. Abschläge und Abwürfe dauern seit dieser Saison nicht mehr 12 bis 15 Sekunden. Manchmal Probleme bei Fernschüssen und in der Strafraumbeherrschung bei Eckbällen oder Freistößen aus dem Halbfeld. Note 2-3

Außenverteidiger:

Pekarik: Schnörkellos mit Offensivdrang. Könnte noch öfter zur Grundlinie vorstoßen und flanken. Gegen schnelle, trickreiche Gegner in eins-zu-eins-Situationen manchmal mit Problemen. Erstligatauglich, Note 3-4

Kobiaschwili: Der fairste Spieler seit dem zweiten Weltkrieg mit guter Rückrunde in der 2. Liga. Macht viel mit meist gutem Stellungsspiel und Routine, vom Tempo her aber in der 1. Liga sicher teilweise überfordert. Bedingt erstligatauglich, Note 4-

Holland: In der Hinrunde recht souverän, in der Rückrunde selten eingesetzt, dann aber mit großen Schwächen beim Abspiel und in der Konzentration. Entwicklungsfähig, wenn er regelmäßig spielt. Für die 1. Liga noch nicht abgezockt genug, um im Abstiegskampf erste Wahl zu sein. Noch nicht erstligareif. Note 5+

Innenverteidiger:

Brooks: Die Entdeckung der Saison. Hat aber einen Hang zur Schlampigkeit, der in der 1. Liga gnadenlos bestraft werden kann. Müsste sein Kopfballspiel im gegnerischen Strafraum bei Standards verbessern. Bei weiterer positiver Entwicklung: Erstligareif. Note 4

Lustenberger: Der spielintelligenteste Verteidiger seit langem. Hervorragendes Stellungsspiel, kann das Spiel lesen, weiß, wohin der Ball des Gegners kommen wird. Deshalb in der Defensive fast ohne Foul. Ob das in der 1. Liga reicht oder ob er besser auf der Sechs eingesetzt wird, ist eine der entscheidenden Fragen der Saisonvorbereitung. Erstligatauglich (im Mittelfeld schon bewiesen). Note 3

Franz: Musste, seit er bei Hertha spielt, viel mehr einstecken, als er austeilte. Wenn er verletzungsfrei bleibt, hat er seine Erstligareife schon bewiesen. Wird aber auch nicht jünger, im Gegenteil. Immer noch recht stark im Zweikampf, schwächer im Spielaufbau. Bedingt tauglich. Note 4-

Mittelfeld:

Niemeyer: Der nimmermüde Kämpfer hat sich in der Passgenauigkeit verbessert, verschludert aber immer noch von zehn mit großem Aufwand eroberten Bällen vier mit einem Fehlpass (voriges Jahr: sieben von zehn). Muss daran und an seinem Kopfballspiel im Mittelfeld arbeiten, weil auffällig ist, dass er in mindestens jedem zweiten Spiel mit einem Gegner zusammenrasselt. Gefährlich! Das Beispiel Usdorf warnt uns! Erstligatauglich. Note 3-4

Kluge: Wurde im Laufe der Saison immer besser, wenn auch manchmal unauffällig, wie früher Andreas Schmidt. Äußerst wertvoll für die Mannschaft, großer Einsatz, hohe Laufbereitschaft. Die großen Ideen im Aufbau gehen von ihm aber nicht aus. Besteht in der Bundesliga. Note 3-

Morales: Wenn er eingesetzt wurde, war er zuverlässig zur Stelle. Hat mit Sicherheit das Potential zum Erstligaspieler. Eher in der defensiven Rolle wie Kluge oder Niemeyer, ob es für mehr (Spielgestaltung) reicht, wird die Zukunft zeigen. Bedingt bundesligareif. Note 4-

Ronny: In der zweiten Liga überragend, wenn er gut drauf ist. Es gibt aber auch Spiele, in denen er scheinbar keine Lust hat, sich ständig festdribbelt. Wenn er direkte Pässe spielt und gut aufgelegt ist, auch in der ersten Liga eine Bank. Seine Freistöße hält auch kein Erstligakeeper. Erstligareif. Note 3+

Schulz: Oft noch zu hektisch und ohne Übersicht. Vorteile: Schnelligkeit und Dribbelstärke. Flanken müssen noch genauer kommen. Großes Potential. Vorläufig nur bedingt erstligareif. Note 4-

Ben-Hatira: Nach langer Verletzungspause noch nicht der alte. Kann aber eine Außenbahn bearbeiten, im hohen Tempo den Gegner abschütteln und auch abschließen. Wenn er sich nicht selbst überschätzt und gut arbeitet: Erstligareif. Note 3-4

Ndjeng: Der Lieblingsspieler von Luhukay. Solide, ohne immer restlos zu überzeugen. Gute Einwürfe allein reichen nicht. Aber: Erfahren und taktisch diszipliniert. Bedingt erstligareif. Note 4-

Angriff:

Wagner: Hat die Erwartungen nur teilweise erfüllt. Zwar trotz seiner Größe nicht ungeschickt im Ballabschirmen und auch mit gewissen Qualitäten im Abschluss, wirkt insgesamt aber meist wie ein Fremdkörper. Das kann aber auch an der geringen Einsatzzeit liegen. Teilweise erstligatauglich. Note 4-

Ramos: Hat seine Fähigkeit, in der ersten Liga spielen zu können, schon bewiesen. Scheint trotzdem manchmal zu sensibel und müsste mehr aus seinen überragenden Fähigkeiten bei Schnelligkeit, Kopfballspiel und Abschluss vor dem Torwart machen. Note 3

Allagui: Fiel in fast allen Einsätzen in erster Linie durch sein penetrantes Durchstarten in die Abseitsposition auf, wodurch er die Mitspieler oft am passen hinderte. Gutes technisches Potential und teilweise mit abgeklärtem Abschluss. Insgesamt kaum erstligatauglich. Note 5

Lasogga: Warum der dynamische Mittelstürmer alter Prägung nur so selten zum Einsatz kommt, nachdem er seine Verletzungsfolgen seit längerer Zeit vollständig überwunden hat, bleibt Trainer Luhukays Geheimnis. Kaum ein zweiter Stürmer in Deutschland hat ein derartiges Potential, was Schusskraft und –genauigkeit, Kopfballspiel, aber auch Abstauberqualitäten und nicht zuletzt Vorbereitungsfähigkeit angeht. Deshalb muss er unbedingt gehalten werden, was aber nur bei viel höherer Spielzeit gelingen wird. Die sieben Millionen Ablöse wären kein adäquater Ausgleich für einen möglichen Verlust. Erstligareif. Note 2-3.

Fazit? Mit wenigen punktuellen Verstärkungen in Abwehr und Mittelfeld sollte die Klasse zu halten sein, wenn das Mannschaftsgefüge stimmt. Das aber ist ja bisher als große Stärke von Trainer Luhukay (vom „Fall“ Lasogga abgesehen) ausgemacht worden. Wenn man ihn denn in Ruhe arbeiten lässt und nicht gleich in Frage stellt, falls mal vier Spiele hintereinander verloren werden, was mit Sicherheit geschehen wird…

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