Herbergers Weisheiten

Sepp Herbergers scheinbar unumstößliche Weisheiten sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Dass ein Fußballspiel 90 Minuten dauere, weiß jeder fußballaffine Mensch allerspätestens seit seinem ersten Stadionbesuch im zarten Alter von sieben Jahren. Am Sonnabend im Dortmunder Westfalenstadion, oder wie der Fußballtempel auch gerade heißen mag, war diese Grundregel mitteleuropäischer Zivilisation nach neun Minuten außer Kraft gesetzt, weil das Spiel da praktisch vorbei war: Ausgerechnet der zuverlässigste und intelligenteste Spieler, den Hertha hat, und der seit seiner Rückkehr ins Team maßgeblich zur Stabilisierung der Abwehr in der Rückrunde beigetragen hat, Sebastian Langkamp, leistete sich einen folgenschweren Dreifachfehler. 1) Er hörte auf zu spielen und reklamierte, weil er einen Schiedsrichterpfiff erwartete. Anfängerfehler! 2) Nachdem er den Ball trotzdem vor dem ihn verfolgenden Dortmunder erreicht hatte, drosch er ihn unmotiviert zur Ecke, anstatt wenigstens zu versuchen, ihn ins Seitenaus zu schießen. 3) Die Zuordnung beim folgenden Eckball war nicht gegeben, obwohl man weiß, dass Hummels oder Subotic zum Kopfball ansetzen werden. Vielleicht tue ich Langkamp zumindest beim dritten Punkt Unrecht, eventuell war ja auch Stürmer Kalou für Subotics Bewachung vorgesehen, der es aber für unter seiner Würde hielt, durch die weiten Savannen des Stadions wenigstens in die Richtung des eigenen Strafraums zu traben!
Was danach folgte, war abzusehen und nicht Herthas relativ erfolgreiches Spiel der letzten Monate. Bei eigenem Ballbesitz konnte man sich in der Abwehr nicht so geordnet und diszipliniert aufstellen, wie gewohnt und lud den Gegner bei den häufigen Ballverlusten immer wieder zu Kontern und Torchancen ein. Das hätte auch höher werden können. Insofern: Noch mal Glück gehabt, denn vielleicht spielt das Torverhältnis noch eine Rolle, wenn Hertha mit ein oder zwei anderen Mannschaften am Ende punktgleich sein sollte.
Jetzt ist genau die Situation gegeben, die alle Herz-Kreislauf-Ärzte Berlins in jedem Fall vermeiden wollten: Hertha muss gegen Frankfurt gewinnen, dann kann man nur noch theoretisch absteigen. Verliert Hertha oder erreicht nur ein Unentschieden, heißt es zu beten oder für Atheisten, zu hoffen, dass die anderen auch verlieren. Denn wenn man am letzten Spieltag nach Hoffenheim fährt und gewinnen muss…Bloß nicht dran denken!

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