Die Heuschrecke: Fressen und gefressen werden

 Bei der Heuschrecke (Orthoptera) unterscheidet der Entomologe zwischen Langfühler- und Kurzfühlerschrecke. Beide erlegen ihre chancenlosen Feinde mithilfe kräftiger Beißmandibeln. Andererseits kann sie aber auch selber zu schmackhafter, eiweißreicher Nahrung werden, wenn sie kurz im Wok gebraten wird.

 Ob KKR, Herthas neuer Investor („strategischer Partner“) eher frisst oder gefressen wird, wird die Zukunft zeigen. Im günstigsten Fall wird es für beide Parteien, ganz gegen die biologischen Vorgaben, eine vorteilhafte Geschäftsbeziehung.

Aus Herthasicht ist die Motivation klar: Der Verein erhält finanziellen Spielraum und ist schuldenfrei. „Schön wär’s“, war der erste Gedanke nicht weniger Anhänger und Wegbegleiter der blauweißen in den letzten fünfzig Jahren. Aber ist das wirklich der Fall?

Nachdem sich die erste Aufregung um den Einstieg von KKR bei Hertha gelegt hat, können wir geruhsam und entspannt die Fakten erörtern. Zur besseren Information wird das Angebot auf der vereinsinternen Webseite angenommen, Fragen zu dem Geschäft zu stellen. Der Verein will transparent sein, um große Transparente wie am Sonntag beim Spiel gegen Nürnberg zu vermeiden: „Partner von der Wall Street – Pakt mit dem Teufel??“  Unnötig zu erwähnen, dass die entsprechende Mail bislang mit Nichtbeantwortung gestraft wurde.

 Die bekannten Fakten sehen so aus: Hertha ist beileibe nicht schuldenfrei, sondern hat die über 30 Millionen Schulden jetzt statt bei Banken bei den Herren der KKR (erinnert mich immer an den Fleckentferner der Sechzigerjahre namens K2R). Vielleicht werden durch diese Umschuldung etwas weniger Zinsen bezahlt. Immerhin, ein, zwei Millionen im Jahr sind für Hertha kein Pappenstiel. Außerdem hat man etwas Spielraum durch zurückgekaufte oder neu verhandelte Rechte, die gegen Geld abgegeben worden waren. Dumm nur, dass sich dafür (und für den 9,7 % Anteil und einen undefinierbaren „Zuschuss“) die Amerikaner einen Platz im Aufsichtsrat erkaufen („Soll’n se haben – an den langweiligen Sitzungen nehmen die sowieso nur dreimal teil“). Anscheinend ist hier der Aufsichtsrat der Hertha BSC GmbH & Co KGaA gemeint, wobei unklar ist, welche Entscheidungen dieses Gremium zu fällen hat. Zusätzlich haben die amerikanischen Freunde mit ihrer großzügigen Spende das Recht erbeten, 33% der Anteile erwerben zu können. Das hieße dann allerdings, dass keine Entscheidung, sei sie sportlicher oder finanzieller Natur, gegen die Herren von der Wall Street getroffen werden könnte. Vielleicht verlieren dann, im Zweifelsfalle, wenn es einmal nicht gut läuft im Verein, Herr Preetz und Herr Schiller doch noch ihre Posten, die sie mit viel Herzblut und Rückhalt von Herrn Gegenbauer gegen die Vereinsopposition trotz zweimaligen Abstiegs behauptet haben. Niemand ist ja so naiv, zu glauben, dass die Heuschrecke KKR aus sportlicher Begeisterung in den Berliner Verein investiert. Wie deren Strategie aussieht, wissen wir nicht, wir können nur hoffen, dass Hertha nach Abschluss des Deals (eine lebenslange Freundschaft erscheint unwahrscheinlicher als eine tränenreiche Verbrüderung von Schalkern und Dortmundern) überhaupt noch existiert und im günstigsten Falle besser dasteht als vorher.

Vielleicht könnte es nicht schaden, wenn die Verantwortlichen bei Hertha den Wok zur Vorsicht schon mal in Bereitschaft halten und vorwärmen würden…

 P.S.: Herr Schiller sprach nach Abschluss des Vertrags mit KKR vom schönsten Tag, seit er bei Hertha ist. – Mein schönster Tag war der erste Bundesligaaufstieg 1968 beim Spiel gegen Rot-Weiß-Essen!

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