Archiv der Kategorie: Hertha und die Nationalmannschaft

Alles neu bei Hertha

Spielt Hertha neuerdings Eishockey? Das fragt man sich doch unwillkürlich, wenn man das Ergebnis im Pokalspiel gegen Dresden liest, nämlich 8:7. Aber natürlich waren mal wieder die Ahnungslosen am Werk, die auch Jahrzehnte nach der Einführung des Elfmeterschießens (vorher wurde gelost!) nicht verstanden haben, dass die Elfmetertore nicht zum Spiel gehören, auch in keiner Torschützenstatistik auftauchen und NUR der Ermittlung des Siegers dienen (weil man in K.o.-Spielen eine Mannschaft feststellen muss, die die nächste Runde erreicht). Sogar in Statistiken wird so ein Spiel als Unentschieden gewertet! Also muss es korrekterweise heißen:

Hertha BSC – Dynamo Dresden 3:3 n.V. (5:4 im Elfmeterschießen).

Hertha tat sich also schwer, im Pyroabgasgeschwängerten Olympiastadion. Wenn es stimmt, dass ein Beobachter die Anzahl der Pyrofeuer zählt und der entsprechende Verein Geldstrafen pro Einzelfeuer zahlen muss, ist Dynamo Dresden ab sofort insolvent.

Hertha hingegen ist alles andere als pleite, sportlich hat man sich nach den Startschwierigkeiten berappelt und das Derby gegen Union wird richtungweisend für den weiteren Verlauf der Saison sein. Ob Hertha an der Alten Försterei gewinnen kann, steht in den Sternen, ein Unentschieden ist, auch wenn man die vier Zweitligapartien zwischen beiden Teams betrachtet, das wahrscheinlichste Ergebnis. Herthas Sturm ist mit 15 Toren nach neun Partien im Soll, die Abwehr schwächelt allerdings mit bereits 16 erhaltenen Toren. Im vorigen Jahr hatte Hertha zum gleichen Zeitpunkt auch 15 Tore erzielt, aber nur 10 bekommen! Mal sehen, ob Ante Covic seinen taktischen Schachzug der letzten Spiele, einen Sechser (Skjelbred, Grujic) als zentralen „Innenverteidiger“ spielen zu lassen, beibehält. Diese interessante Maßnahme bringt zwar mehr Kompaktheit im Mittelfeld, überfordert aber die entsprechenden Sechser, die lange Laufwege haben und dadurch nicht immer rechtzeitig eingreifen können. Sowohl gegen Hoffenheim als auch gegen Dresden war vor dem jeweiligen 0:1 die Mitte nicht geschlossen und der Weg für einen Konter gähnend weit geöffnet. Jetzt, da Stark wieder fit ist und außerdem Torunarigha bereit ist, sollten, wenn mit einer Dreierkette gespielt wird, auch drei gelernte Innenverteidiger auflaufen. Aber vielleicht muss das Ganze nur besser geübt und eingespielt sein, bevor es richtig funktioniert und die Abwehr stabil steht. Wie auch immer, der Derbytipp bleibt bei einem soliden 1:1.

Hertha und die zwei Halbzeiten

1207 Spiele hat Hertha seit der Saison 1963/64 in der 1. Fußball-Bundesliga mal mehr, mal weniger erfolgreich absolviert. Davon gab es vielleicht ein Dutzend Spiele, in denen die Mannschaft von der ersten bis zur 90. Minuten begeisternden Fußball gespielt hat. Die Normalität des grauen Bundesliga-Alltags sieht anders aus: Hertha spielt eine Halbzeit grottenschlecht oder langweilig und eine Halbzeit passablen bis guten oder manchmal auch sehr guten Fußball. Nicht immer weiß man von vorneherein, ob die gerade gesehene sportliche Übung der blau-weiß-gestreiften Fußballer schon zur guten oder noch zur schlechteren Kategorie zählte. Die erste Halbzeit gegen Mainz war so ein Rätsel. Das uninspirierte Gekicke war kaum mit anzusehen, aber manchmal kommt es trotzdem noch schlimmer. Nicht so in diesem Spiel: Nach dem Eigentor unmittelbar nach der Pause ging doch noch so was wie ein Ruck durch die Mannschaft und auch ohne Weltklasseleistung gewann man noch, sodass der regelmäßig das kalte Olympiastadion Besuchende zufrieden den Heimweg antreten konnte, auch wenn er noch vor kurzem singend versprochen hatte, keinesfalls nach Hause zu gehen.

Ähnlicher Ablauf gegen Freiburg. Auch wenn die Breisgauer im Dreisamstadion schwer zu bespielen sind, ist es doch keine Übermannschaft und wenn man von vorneherein weiß, dass die Freiburger wie gedopt über den Platz rennen und pressen werden, müsste es möglich sein, dagegen ein Mittel zu entwickeln. Nichts davon in der ersten Hälfte. Dann aber, wie üblich, sah man die andere Seite von Hertha: Ansehnliches Offensivspiel, zwar kein überragendes Tempo, was auch schwer ist, wenn sich 21 Spieler in einer Spielfeldhälfte herumtreiben, aber folgerichtig das Ausgleichstor. Eigentlich hätte man nur bis zum Ende so weiterspielen müssen, um einen weiteren Auswärtssieg einzufahren, leider kam mal wieder ein Eigentor dazwischen. Pech!

In den nächsten beiden Spielen wird die Mannschaft mit nur einer guten Halbzeit nicht bestehen, denn Dortmund und Leipzig haben noch ein Ziel in dieser Saison, was man von Hertha eigentlich nicht behaupten kann. Es sei denn, der von Manager Preetz gewünschte einstellige (also neunte) Tabellenplatz wird als solches angesehen. Immerhin: Wenn man sich jedes Jahr um einen Platz steigern würde, könnten wir im Mai 2027 mit der Meisterschale durchs Brandenburger Tor flanieren…

Großzügige Hertha

Weihnachten ist schon lange vorbei und Ostern noch nicht annähernd in Sicht: Trotzdem meint man bei Hertha BSC, dass man sich Freunde schaffen kann, wenn man auch zwischendurch das eine oder andere Geschenk darreicht. Im Spiel gegen Werder Bremen waren es mal eben zwei Zähler, die in der 96. Minute verschenkt wurden. Erst ein überflüssiger Freistoß an der Strafraumlinie und dann ein Abfälschen von Lazaro, der wohl der einzige Mensch auf der Welt ist, der weiß, was er dort, fünf Meter vor dem eigenen Tor, gesucht hat. Im Interview erzählt er noch wutentbrannt, dass man beim Freistoß auch mal die Eier hinhalten muss, auch wenn’s weh tut. Was Eier auf dem Boden zu suchen hatten, wo der Ball lang flog, ist unklar, vielleicht dachte er doch schon an Ostern…

Die Geschenkeliste der Herthaner in dieser Saison ist lang:

In Wolfsburg am dritten Spieltag hat man kurz vor Schluss das 2:1 erzielt, um in der 90. Minute doch noch ein Tor mit Ansage zu kassieren: Zwei Punkte verschenkt.

In Düsseldorf hört man nach einem Platzverweis auf mitzuspielen, einen Punkt könnte man gegen einen damals so limitierten Gegner auch in Unterzahl holen.

In Stuttgart führt man und hat den Gegner so im Griff, dass beim Ringen längst abgebrochen worden wäre. Hertha verweigert die Arbeit im 2. Durchgang und verliert das Spiel noch: Drei weitere Pünktchen auf dem Silbertablett serviert. Dem Gegner hat’s geschmeckt.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, was Herthas sozial durchaus anerkennenswerte Spendierlaune angeht, sind das acht Punkte, die ohne Not weggeschenkt wurden. Bei also durchaus möglichen 40 Punkten (statt 32) stünde man einen Punkt hinter den Champions-League-Plätzen auf einem sicheren Euro-League-Platz an 5. Stelle.

Vielleicht sind die Hertha-Spieler ja von der Bibel-Losung überzeugt, dass Geben seliger denn Nehmen sei. Sehr ehrenhaft. Eventuell hoffen sie auch, dass gutes Beispiel Schule macht und sie in entscheidenden Saisonmomenten vom Gegner auch mal beschenkt werden. Und wenn einem nichts mehr einfällt, kann man immer noch Sepp Herberger selig zitieren: „Fußball ist die schönste Nebensache der Welt!“  In Zeiten des annähernd geldfreien Sports ist das sicher auch so gewesen. Toll, wie auch junge, tätowierte Hertha-Spieler mit modischen Frisuren die Traditionen der Fünfzigerjahre hochhalten…

 

 

Wie schlägt man die Bayern?

Seit Jahren gehört sie ins Pflichtenheft für jeden Erst- und Zweitligisten: Die Rasenheizung! Gut bespielbare Plätze, unabhängig von der Jahreszeit, war die Idee, die zum verpflichtenden Einbau dieses Hilfsmittels gehörte. Dass das ein frommes Wunschdenken praxisferner Funktionäre blieb, liegt natürlich daran, dass gleichzeitig eine annähernde Komplettüberdachung der Stadien verpflichtend wurde, welche wegen der Verschattung das Wachstum des Rasens beeinträchtigt und so oftmals schon nach drei Regenspielen einen schlammähnlichen, seifigen Untergrund entstehen lässt, auf dem sich eher Rugbyspieler oder Wrestlingkämpfer*Innen wohlfühlen würden, als sensible Fußballtechniker.

Nürnberg hat am vergangenen Wochenende angedeutet, dass man, wie so oft im Leben, aus der Not auch eine Tugend machen kann. Der eine Strafraum war im Spiel Nürnberg gegen Hertha, wohl durch den Ausfall der Rasenheizung in diesem Bereich, ordentlich mit Raureif überzogen, sodass alle Spieler dort Standprobleme hatten. Zwar fielen auf der grünen Seite drei von vier Toren, aber gerade das könnte ja ein Hinweis auf die Schwierigkeiten aller Spieler, also sowohl der Angreifer als auch der Abwehrspieler sein.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob ein Spiel auch stattfinden kann, wenn ein Spielfeld ganz oder teilweise nicht mehr den heute üblichen Ansprüchen genügt? Wenn die Rasenheizung einfach mal kurz vor Spielbeginn ausfällt. Z.B. am Tag vor dem Pokalspiel von Hertha gegen Bayern München? Wenn der Boden zu hart sein sollte, könnte man ja vorsichtshalber einige Schneekanonen, die in Tirol in diesem Winter wohl nicht mehr gebraucht werden, in den Katakomben des Olympiastadions deponieren, das Spielfeld am Vortag (oder besser in der Nacht, wenn niemand zusehen kann) mit einer schönen, zehn Zentimeter hohen Schneedecke verzaubern und den Bayern ihre spielerische Überlegenheit zwar beim Schneemannbauen gönnen, ansonsten aber mit Kampf und Einsatz die Roten bremsen, wenn die Schneeschicht den Ball nicht genug bremst.

Die Frage nach der Fairness solchen Handelns stellt sich insofern nicht, als Herr Hoeneß auch noch nie durch besondere Rücksichtnahme aufgefallen ist, wenn es galt, konkurrierenden Vereinen die besten Spieler wegzukaufen, um sie anschließend auf der Ersatzbank versauern zu lassen.

Vor dem Pokalspiel sollte allerdings geklärt sein, ob ein grüner Rasen, d.h., eine funktionierende Rasenheizung, heutzutage Pflicht ist. Ansonsten geht es den Herthanern mit Sicherheit so, wie im frühen Winter 1971 im Pokalspiel gegen Gelsenkirchen, als sie sich auch im Recht wähnten (und es auch vor ordentlichen Gerichten, nicht aber vor dem DFB-Sportgericht waren), und das Spiel am grünen Tisch verloren, weil sie einen angeblich nicht spielberechtigten Spieler, Zoltan Varga, einsetzten. Damals fand der 3:0-Sieg Herthas übrigens, wenn die Erinnerung nicht täuscht, auch auf Schneeboden statt. Ganz ohne Kanonen…

Die Pause geht – der Winter kommt

So sicher, wie einst das rhythmische Parteitagsklatschen nach der Rede des 1. Vorsitzenden in der DDR, nimmt auch diesmal Ende Januar, Anfang Februar mit dem Ende der Winterpause in der Fußball-Bundesliga, General Winter das Land in seinen Schwitzkasten, wobei „schwitzen“ zwar ein falsches Bild ist, die Tatsache aber trotzdem richtig beschreibt. Jeder, der sich auch nur ein kleines Bisschen in der meteorologischen Pseudowissenschaft auskennt oder auch nur das Wetter halbwegs bewusst zu verfolgen in der Lage ist, weiß, dass der Dezember in der Regel relativ mild ist (in sieben von zehn Jahren gibt es „Grüne Weihnachten“). Erst Ende Januar, Anfang Februar, wenn der Winter laut Kalender kurz vor seinem traurigen Abgesang steht, wird es so richtig kalt und eklig. Just dann, wenn wir wieder ins Stadion gehen müssen und auch dicke Socken, lange Männer und mehrere Lagen Pullover vor einem gehörigen Durchfrieren nicht schützen können, beginnt die Bundesliga mit der Rückrunde. Tendenziell hat es die 2. Liga besser gemacht: Sie beginnt eine Woche später, da sie schon ein Rückrundenspiel im Dezember absolviert hat, weil sie im schönen August bereits vor der 1. Liga gestartet ist.

Am sinnvollsten wäre es natürlich, die Saison ans Kalenderjahr anzupassen, d.h., die Saison würde im Frühjahr, Ende März beginnen, im Sommer an heißen Tagen weitgehend unter Flutlicht abends spielen und spätestens im November den Meister küren (was Bayern München ja auch mit dem aktuellen Spielplan schon fast geschafft hätte). Dieses fortschrittliche Modell hatte die verblichene DDR in den Fünfzigerjahren für einige Zeit vom großen Bruder Sowjetunion übernommen, aber nicht immer setzt sich die Vernunft durch. Das Kalendersaisonmodell würde natürlich nur funktionieren, wenn sich weltweit alle Länder anschließen würden, weil ansonsten die Wettbewerbsfähigkeit bei internationalen Meisterschaften nicht gegeben wäre. Ein Schritt in die richtige Richtung hat die FIFA aber schon vor Jahren gemacht: Die kommende Winter-WM in Katar böte geradezu an, die Saison vorher beendet zu haben und sich in aller Ruhe auf das Turnier zu freuen. Und wenn die deutsche Mannschaft ihre Leistung aus Russland wiederholen würde, könnten die Spieler trotzdem in Ruhe in der Heimat Weihnachten feiern…

Lügen mit Zahlen

Von wegen! Die vereinte Meute der Fernsehjournalisten, Zeitungsschreiber, Radiomoderatoren, selbsternannten Experten und sogar die seriöse „Fußball-Woche“ behaupten es: Das Jahr 2018 sei das schlechteste in der Länderspielgeschichte. Das stimmt jedoch höchstens nach dem Motto, dass man nur an Statistiken nicht glaubt, die man selber nicht gefälscht hat. Oder so.

Fakt ist, dass die deutsche Nationalmannschaft sechs Spiele verloren hat, was es in der 99 Jahre währenden Länderspielgeschichte ( 111 Jahre seit 1908 abzüglich 12 Jahren Pause wegen der Weltkriege 1 und 2) wirklich noch nie gab. Aber wenn man nur ein Spiel macht, wie 1950, kann man auch nicht sechs verlieren. Selbst wenn man vier Spiele bestreitet, wie noch im Jahr 1963, ist es schwierig, sich sechs Niederlagen zu erarbeiten. Grundsätzlich gibt es heutzutage viel mehr Länderspiele pro Jahr als früher. In den ersten Jahrzehnten gab es durchschnittlich unter 5 Spiele im Jahr, in den Sechziger- und Siebzigerjahren nicht mal 10 und in den letzten dreißig Jahren ist der Schnitt auf 13 bis 14 Länderspiele pro Jahr gestiegen, was auch an der Aufblähung der internationalen Meisterschaften und deren Qualifikation liegt. Beispiel: Bei der Quali zur WM 66 benötigte die deutsche Mannschaft 4 Spiele gegen Schweden und Zypern, um sich für das Turnier in England zu qualifizieren. Heute wären dafür mindestens 10 Spiele nötig.

Aber zurück zu Jogi Löws verkorkstem Jahr 2018 (denn es ist nur Löws Seuchenjahr, nicht etwa das der Spieler, die das Tor nicht mehr treffen): Um gewissenhaft sagen zu können, ob es sich um ein schlechtes oder gutes Jahr handelt, muss man also die Zahl der Spiele im Verhältnis zur Zahl der Niederlagen betrachten. Denn wenn man 100 Spiele macht und davon nur sechs verliert, handelte es sich zweifellos um eine gute Bilanz. Und siehe da: Die Journaille hat dies auf ihrer Jagd nach Superlativen „vergessen“, weil man ja ein Ziel verfolgt, nämlich dem Bundestrainer ein möglichst schlechtes Zeugnis auszustellen. Ansonsten wüssten die Fußballexperten, dass es 11 Jahre in der Länderspielgeschichte gab, die schlechter waren als das Jahr 2018, mit sechs Niederlagen in 13 Spielen, was 46 % ausmacht. Die schlechtesten Jahre reichen von 100 % Niederlagen (1908: drei von drei Spielen) bis zu 50 % (1963: zwei von vier Spielen). 1985 war das letzte Jahr mit negativer Bilanz: 45 % Niederlagen waren nur geringfügig besser als 2018.

Das beste Jahr ihrer Länderspielgeschichte war übrigens 1950 mit 100 % Siegen. Allerdings gab es als einziges Länderspiel nur den 1:0-Sieg gegen die Schweiz…

Dortmunder Polizei – Meister der Eskalation

Wie provoziert man einen spätpubertierenden, angetrunkenen Ultra? Indem man ihn eine dreckige Schwuchtel schimpft und behauptet, dass seine Mutter das älteste Gewebe der Welt ausübt. Und wenn das nicht reicht, reißt man die aufgehängten Vereinsbanner herunter, was so ziemlich das Schlimmste auf der Welt ist, kurz vor einem Atomkrieg. Genau diese Strategie, die in etwa so deeskalierend wirkt, wie die Aussagen von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge auf einer Pressekonferenz, wenn ihr Verein vier Pflichtspiele in Reihe nicht gewonnen hat, ergriff geschickter Weise die Dortmunder Polizei, die in voller Kampfmontur den Hertha-Block stürmte. Natürlich zündelten Hertha-Ultras im Dortmunder Stadion. Nicht schön, kostet den Verein Geld und riecht giftig, wenn auch nicht vor dem Fernsehapparat. Aber wann hat z.B. die Berliner Polizei zum letzten Mal einen Gästeblock wegen des Abbrennens von Pyrotechnik, was ungefähr in jedem zweiten Spiel vorkommt, gestürmt? Zumindest seit 1945 nicht mehr, weil man weiß, dass man durchgeknallte Hooligans aus einem Fanblock nicht identifizieren kann, und das müsste man, wenn man ihnen den wohlverdienten Prozess machen wollte, denn Sippenhaft für 4000 Fans gibt es nicht, auch wenn dies die Dortmunder Polizeiführung zu glauben scheint. Abgesehen davon sollte man mal, was die sogenannte Gewaltorgie angeht, auf dem Teppich bleiben. Die wild aussehenden „Knüppel“, die da angeblich geschwungen wurden, sind gummiähnliche Fahnenstangen, über die behelmte Polizisten nur müde lächeln und „mehr davon“ sagen können. Die amüsierten Ordner und Sanitäter im Vordergrund des kurzen Fernsehausschnitts sprachen für sich. Von Verletzten ist nichts bekannt.

Es scheint sich in Dortmund übrigens nicht um eine vorgezogene Strafaktion gegen Hertha zu handeln, die doch wirklich so frech war, nach großem Kampf einen Punkt mitzunehmen. Letztes Jahr ging man gegen die 12.000 mitgereisten Union-Fans genauso unverhältnismäßig vor, als diese Einlass begehrten und den chaotischen Organisationstalenten zeigten, dass man auch ohne sie ins Stadion kommen kann. Also eher ein Anti-Berlin-Problem, das man da in Dortmund hat. Mal sehen, was in der Woche beim neuerlichen Pokalspiel gegen Union passiert!

Ach ja, gespielt wurde trotzdem noch. Wenn Hertha zwei Tore schießt (und außerdem eine Reihe von Chancen kreiert) und Atletico Madrid keines und wenn Hertha nur zwei Tore kassiert und Atletico Madrid vier, dann sagt das schon einiges über den neuen Stellenwert von Hertha. Auch wenn Überkreuzvergleiche im Fußball streng verboten sind. Sie machen aber doch sooo viel Spaß. Hoffentlich hört die Hinrunde niemals auf…

Kann Bayern trotz Söder noch Meister werden?

Die CSU treidelt kurz vor der Landtagswahl um ein historisches Tief herum. Bayern München liegt derzeit auf dem sechsten Tabellenplatz, noch hinter den Sparkickern von Hertha BSC. Gibt es einen Zusammenhang? Man könnte sagen, dass der Niedergang des Abendlandes (CSU-Tief) eben alle Bereiche des öffentlichen Lebens umfasst: Japaner trinken Bier aus großen Gläsern im Hofbräuhaus, Radler benutzen den Englischen Garten als Cross-Piste und Dieselautos dürfen nicht mehr ungestört die mit eigenen Steuergeldern gebauten Straßen benutzen. Was bleibt da noch von bayerischer Lebensart? Nun gut: Die Spieler des FC Bayern kommen ja seit langem nicht mehr aus Bayern oder angrenzenden Staaten, z.B. Franken oder Tirol (Alaba ist immerhin Österreicher, aber auch kein ganz waschechter). Aber sie bekommen zum Einstand ihre Lederhose verpasst, die Ehefrau kauft sich vom ersten Monatsgehalt in Höhe von 200.000 bis 500.000 Euro ein fesches Dirndl , der Daimler wird gegen einen Ingolstädter oder Münchener Wagen umgetauscht und schon darf man sich zu den Einheimischen zählen. Und was passiert nach der kommenden Wahl? Gibt es eine Trotzreaktion der Bayern-Spieler, wenn die CSU gar unter 30 % landet? Kommen etwa die Grünen in die Regierung und heißt das, dass Werder Bremen dann neuer Titelkandidat wird? Eins steht fest: Jede Serie geht einmal zu Ende und wer sechsmal hintereinander Meister war, hat es schwer auch zum siebenten Mal den Titel zu erringen. Nur der BFC Dynamo konnte zehnmal Meister werden, aber da waren ja auch die Schiedsrichter mit Schuld, die auf Herrn Mielkes Weisung hin des Öfteren seltsame Entscheidungen trafen. Allerdings gab es in der Vergangenheit anrüchige Pro-Bayern-Entscheidungen auch in Hülle und Fülle. Ohne einen Herrn Mielke. Oder reicht Seehofers Arm als Innenminister (demnach auch Sportminister) bis in die Kölner Videozentrale? Aber so lange ist er ja noch nicht im Amt. Und ob er sich wirklich für eine Multi-Kulti-Truppe, deren Mitglieder aus aller Herren Länder zugewandert sind, starkmachen würde, sei mal dahingestellt.

Lesen wir die Tabelle also mit Genuss: Zwei Wochen lang sind die Bayern Jäger und nicht Gejagter, was Ihnen historisch als Bergvolkangehörige auch eher liegen müsste. Und bald kann das wieder anders aussehen, selbst wenn Jupp diesmal dem Ruf seines Freundes Uli nicht nachgeben wird. Taifun Korkut ist gerade auf dem Trainermarkt preiswert zu haben und Zinedin Zidane ebenfalls, aber nicht preiswert…

Jammern überflüssig…

Die nächste Bundesligasaison steht mit der spannenden Frage vor der Tür, wer hinter den Bayern Zweiter werden wird. Auch die Abstiegsfrage verspricht gewisses Herzklopfen, da der erste Kandidat für die unteren Tabellenplätze, der HSV, sich vorerst aus der Liga verabschiedet hat.

Das WM-Finale liegt schon über zwei Wochen (gefühlt zwei Jahre) zurück und das allgemeine Jammern über das schlechte Abschneiden der deutschen Mannschaft wird von Herrn Özils grandiosem Sommer-Rücktritts-Theater überlagert. Dabei gibt es auch überhaupt nicht den geringsten Grund zum Hadern und Klagen. Was ist denn passiert? Die deutsche Nationalmannschaft ist erstmals in der Vorrunde ausgeschieden!

Na und?

Was sollen denn da die anderen großen Fußballnationen sagen?  Sollen sie kollektiven Selbstmord begehen? Engländer und Argentinier sind schon jeweils dreimal in der Vorrunde gescheitert (obwohl sie nur 15- bzw- 17-Mal an einer WM teilgenommen haben, gegenüber 19 Teilnahmen des deutschen Teams). Die Spanier haben viermal eine Vorrunde nicht überstanden (15 Teilnahmen), die Franzosen fünfmal (15 Teilnahmen) und für die armen Italiener war sage und schreibe siebenmal in der Vorrunde Schluss (16 Teilnahmen). Deshalb kamen die italienischen Spieler, nachdem sie 1966 gegen Nordkorea ausgeschieden waren, auch immer auf kleinen, geheim gehaltenen Ausweichflughäfen in der Heimat an, weil sich die Airports der großen Städte außerstande sahen, die tonnenschweren Berge verfaulter Tomaten, die dort als traditionelle Begrüßungsgeschenke für ungebetene Gäste verteilt werden, ökologisch korrekt zu entsorgen. Unsere Spieler dagegen werden von kleinen Mädchen mit Stofftieren begrüßt. Und zwar zu Recht. Schließlich kann jedem mal ein Ausrutscher passieren. Und wir stehen mit unserem einen lächerlichen Vorrunden-Aus immer noch weltmeisterlich da. Stets das Positive sehen. Nur Brasilien ist einen Tick besser, auch sie schieden erst einmal in der Vorrunde aus, bei 21 Teilnahmen. Und auch die Brasilianer waren damals, 1966, amtierender Weltmeister. Die Franzosen brauchen also im Winter 2022 nur eine kurze Meisterschaftspause einzukalkulieren, wenn die deutsche Mannschaft wieder mindestens bis ins Halbfinale vorstoßen wird. Wie es sich auch gehört…

Komische Statistik

Russland gewinnt vor Japan, Saudi-Arabien und Südkorea! Was soll das denn?

Nun, aus der beliebten Serie „Statistiken, die ich selber nicht gefälscht habe, die aber trotzdem niemand braucht, weil sie die Welt nicht besser machen“ wird die Differenz zwischen FIFA-Rangliste und tatsächlich erreichtem Ergebnis bei der WM in Russland bewertet.

Beispiel gefällig?

Russland war vor der WM 66. der FIFA-Rangliste, erreichte aber bei der WM den fünften Platz. Da dieser Platz nicht offiziell vergeben wird, vergleicht man die Ergebnisse der ausgeschiedenen Mannschaften. Da Russland das knappste Ergebnis im Viertelfinale hatte, ist es logischerweise Fünfter, ein Unterschied von 61 Plätzen zur FIFA-Rangliste. Japan hat 47 Plätze besser abgeschnitten, Saudi-Arabien 44 und Südkorea 42. Man könnte die Liste jetzt durchgehen, wir picken uns aber nur einige Rosinen heraus: Kroatien schneidet 16 Plätze besser ab als eingestuft,  Belgien ist die einzige Mannschaft, die genau ihren Ranglistenplatz einnimmt, nämlich den Dritten. Die Mannschaften, die am weitesten negativ abweichen, sind Portugal (-10) und Polen (-15) und, man ahnt es schon, Deutschland belegt einen unehrenhaften letzten und 32. Platz dieser Statistik mit -21, da Die Mannschaft als Ranglistenerster ins Turnier ging (niemand weiß natürlich, warum, wenn man die Ergebnisse des letzten halben Jahres betrachtet) und 22. wurde. Man kann es also drehen und wenden, wie man will, die deutsche Mannschaft hat Historisches erreicht, leider etwas anders, als von vielen Berufsoptimisten erwartet. Ein Gutes hat die Geschichte: Bei der nächsten WM (und schon bei der nächsten EM 2020) wird Deutschland erstmals nicht als Favorit gehandelt werden. Entspannung pur also. Vorausgesetzt, Deutschland schafft die Qualifikation…