Herthas Endspieltraum(a)

Seit 1985 findet das Pokalendspiel in Berlin statt. Nur einmal in diesen 41 Endspielen war Hertha BSC vertreten, und zwar 1993 durch die sensationellen Hertha Bubis. Die „erste“ Mannschaft war überhaupt nur zwei Mal, nämlich 1977 und 1979 im Endspiel ( beide Male verloren, zuerst gegen Köln im Wiederholungsspiel und dann gegen Düsseldorf, in der Verlängerung). Rekordteilnehmer seit 1985 ist natürlich der FC Bayern München mit 17 Teilnahmen. Überraschender Weise folgt dann schon Werder Bremen mit 9 Teilnahmen vor Dortmund (8). Dann folgen VfB Stuttgart (5), Eintracht Frankfurt (5), Bayer Leverkusen (5), Schalke (4), Kaiserslautern (4), RB Leipzig (4). Zwei Endspielteilnahmen hatten Mönchengladbach, Wolfsburg und der MSV Duisburg und einmal standen im Finale Bayer Uerdingen, HSV, Stuttgarter Kickers, Bochum, Köln, Hannover 96, Hertha Amateure, RW Essen, KSC, Energie Cottbus, Nürnberg, Union Berlin, Alemannia Aachen, SC Freiburg und Arminia Bielefeld.

Hertha BSC: Fehlanzeige!

In den letzten zehn Jahren scheiterte man zweimal in der 1. Runde, einmal in der 2. Runde, fünfmal im Achtelfinale, einmal im Viertelfinale und einmal schaffte man es sogar bis ins Halbfinale, um gegen Dortmund mit Angsthasenfußball auszuscheiden.

Jetzt ist Hertha nach dem famosen Sieg gegen Elversberg wieder ins Achtelfinale eingezogen und rein statistisch wäre nun Schluss mit lustig. Einiges wird vom Losglück abhängen, es sind noch fünf weitete Zweitligisten im Topf (Magdeburg, Kaiserslautern, Darmstadt, Kiel und Bochum). Dass Hertha an einem guten Tag, auch auswärts, diese schlagen kann und auch gegen den einen oder anderen Bundesligisten (St. Pauli, Gladbach, HSV) Siegchancen hätte, ist nicht zu bestreiten. Wenn Bayern München, Dortmund, Leverkusen oder Leipzig zugelost werden, dürfte das Ende der Fahnenstange erreicht sein, obwohl wir ja, laut Sepp Herberger, „zum Fußball gehen, weil wir nicht wissen, wie`s ausgeht.“

Hoffen wir also auf etwas Losglück, so dass der Endspieltraum noch etwas weiterleben kann und das Trauma vielleicht überwunden wird.

Kann man mittelmäßig aufsteigen?

Hertha hat in Bochum, dem Angstgegner aus früheren Bundesligazeiten, beileibe kein schlechtes Spiel gemacht. In allen erhobenen Daten hatte Hertha die besseren Werte, selbst bei den gewonnenen Zweikämpfen, was in Bochum schon an ein kleines Wunder grenzt. 6:1 Ecken, 63 % Ballbesitz, 20:10 Dribblings, 440 : 256 gespielte Pässe, 116:114 km Laufleistung, 13:10 Torschüsse, 1,89:1,70 Xgoals aber 2:3 Tore. Ein absurdes Eigentor und zwei verlorene Zweikämpfe von Leistner schenkten den Bochumern drei überflüssige Tore, wenn man mal davon absieht, dass Tore immer irgendwie überflüssig sind. Aber wie Hertha trotz 0:3 wiederkam und gegen taumelnde Bochumer fast noch das 3:3 erzielt hätte, war schon aller Ehren wert.

Aber reichen positive Kritiken, zu denen auch eine Leistung von Seguin gehörte, der spielte, als wäre er nie woanders gewesen, um aufzusteigen? Momentan ist Hertha Achter mit 10 Punkten Rückstand auf einen Aufstiegsplatz bei 11 erreichten Punkten. Vor einem Jahr hatte man unter dem vielgeschmähten Fiél 14 Punkte und lag in Lauerstellung zu den Aufstiegsplätzen. Hertha ist noch mittelmäßiger als in der vorigen Saison, auch wenn die Hoffnung auf eine Serie mit drei, vier Siegen in Folge, die bei den Hertha-Anhängern so alt wie der Wunsch nach sechs Richtigen im Lotto ist, bis zum viertletzten Spieltag bestehen bleiben wird.

Einen Unterschied gibt es allerdings zum vorigen Jahr: Während damals von den ersten neun Spielen nur die Partien in Hamburg (nur die 2. Hälfte), in Kaiserslautern und in Nürnberg sowie in Gelsenkirchen (nur 1. Hälfte) gut waren, also drei von neun, hat man in dieser Saison in vier Auswärtsspielen (außer dem ersten in Gelsenkirchen) und im Heimspiel gegen Münster, also in fünf Begegnungen, sehr ordentliche Leistungen gezeigt. Dazu noch ein mittelmäßiges Spiel gegen den KSC und außer dem schon genannten Eröffnungsspiel waren nur die Leistungen gegen Elversberg (jetzt souveräner Spitzenreiter) und Paderborn erbärmlich. Spielerisch also eine deutliche Verbesserung, das muss man Leitl immerhin zu Gute halten und lässt den Optimisten nicht völlig verzweifeln. Die Mannschaft ist insgesamt besser als ihr mittelmäßiger Tabellenplatz. Wenn die gezeigten Leistungen und die Ergebnisse irgendwann in Übereinstimmung gebracht werden können, ist der Aufstieg nicht völlig undenkbar.

Luxemburg ernst nehmen

Die unsinnigste Aussage zum Thema WM-Qualifikation wird Andi Möller zugeschrieben, die so absurd ist, dass er es wirklich gesagt haben könnte: “Deutschland wird sich qualifizieren, weil es sich qualifizieren muss!“ Niemand muss müssen, man frage mal Italiener und Engländer, wie es sich anfühlt, wenn man sich nicht qualifiziert hat, obwohl man es eigentlich musste.

Die vier noch ausstehenden Spiele müssen höchstwahrscheinlich alle gewonnen werden. Die erste Aufgabe heißt Luxemburg. Das könnte zu schaffen sein, denn die Länderspielbilanz Deutschlands gegen Luxemburg ist relativ eindeutig. In 13 Spielen gab es 12 Siege mit einem Torverhältnis von 60:11. Das Durchschnittsergebnis lautet also 5:1, was auch heute erreicht werden könnte, wenn…, ja wenn sich die Spieler bewusst sind, dass man gegen Luxemburg genauso schlecht aussehen kann wie gegen die Slowakei. Schließlich spielen auch Luxemburgs Spieler vielfach in europäischen ersten Ligen und dass selbst Zweitligaspieler über sich hinauswachsen können sehen wir im Pokalwettbewerb stets aufs Neue. Soweit muss es nicht kommen.

Auch viele fehlende Spieler wie Musiala, Hawertz, Kleindienst, ter Stegen und Rüdiger sollten keine Entschuldigung für ein enttäuschendes Spiel sein. Mit dem nötigen Willen plus Respekt vor dem Gegner müsste der erste von vier Siegen realisiert werden.

P.S.: Den einzigen Luxemburger Sieg gab es vor 86-einhalb Jahren, am 26.3.1939, mit 1:2 in Differdingen. Ein Grund dafür war die Vorgabe an Reichstrainer Herberger, nach dem Anschluss Österreichs vier oder fünf Österreicher in der Großdeutschen Mannschaft spielen zu lassen. Dass das nicht funktionieren konnte, war nur braunen Parteigenossen nicht klar. Außerdem: Es handelte sich um ein Auswärtsspiel…

Die Geschichte lügt nicht

Der 1.FC Nürnberg und Hertha BSC haben eine lange gemeinsame Geschichte. Erstmals traf man im Jahre 1927 aufeinander, als Hertha zum zweiten Mal im Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft stand. Nürnberg gewann 2:0 und Hertha musste noch drei Jahre warten, bis sie selber Meister wurde. 1963 trafen beide Mannschaften am 26. August am allerersten Bundesliga-Spieltag aufeinander und trennten sich 1:1. Insgesamt gab es in den fast 100 Jahren 19 Hertha-Siege, 12 Unentschieden und 22 Siege für Nürnberg, bei einem Torverhältnis von 77:80 aus Hertha-Sicht. Alles in allem eine relativ ausgeglichene Bilanz, die im vorigen Jahr durch einen 2:0-Sieg Herthas in Nürnberg und ein 0:0 in Berlin erweitert wurde.
Wenn Hertha übermorgen verliert, dürfte die Luft für Trainer Leitl sehr dünn werden, obwohl niemand weiß, ob ein anderer Übungsleiter erfolgreicher sein würde. Was auch immer die Verantwortlichen von sich geben: Man sollte es nicht allzu ernst nehmen. Weder bei Trainerentlassungen noch bei Neuverpflichtungen von Trainern oder Spielern gehen die Äußerungen über Sprechblasen hinaus. Man redet, was der Anhänger gerne hören will. Dieter Hoeneß sagte unter tosendem Jubel, dass er mit Bobic und Wichniarek 22 Tore eingekauft hätte. Der größte Irrtum der Hertha-Historie. Beide schossen zusammen nicht mehr als fünf, sechs Tore. Finanzgeschäftsführer Schiller sagte am 14.5.2018 auf der Mitgliederversammlung, dass Hertha am 25.7.2025 die Eröffnung des neuen Stadions feiern könne. Wie er auf das Datum kam, verschwieg er. Michael Preetz sagte im Mai 2019, dass Hertha ab 2025 nicht mehr im Olympiastadion spielen werde, notfalls werde man ein „temporäres Stadion“ errichten. Wie wir wissen, war das alles Blödsinn. Das neue Stadion liegt in genauso weiter Ferne wie die dritte Deutsche Meisterschaft. Die Expertise der beiden ehemaligen Geschäftsführer tendierte also beim Thema Stadion gegen Null. Warum sollte die Expertise der gegenwärtigen Geschäftsführer beim Thema Trainerwechsel eigentlich größer sein?

Hinterher ist man immer schlauer

Das konnte man ja nicht wissen, dass Stefan Leitl auch nur ein Mensch ist, der mit Wasser kocht, um zwei Redewendungen mal zu vereinen. Herr Leitl ist ein Fußballexperte, dessen Kompetenz niemand anzweifelt, aber unter dem Strich stehen in der „Aufstiegssaison“ nach sechs Spieltagen genau fünf Punkte auf der Habenseite anstatt elf, die es hätten sein sollen. Im Vorjahr hatte man zum gleichen Zeitpunkt (allerdings gegen andere Gegner) 10 Punkte und befand sich ganze zwei Zähler, also in der berühmtem Preetzschen „Schlagdistanz“, hinter dem Aufstiegs-Relegationsplatz 3. Und das mit dem angeblich so ahnungslosen Trainer Fiel. Aber Fiel verließ die relative Erfolgsspur bald und verlor nach Weihnachten alles, was man verlieren kann. Leitl, der gut gestartet war, hat aber auch nur zwei seiner neun Heimspiele gewinnen können und demnach nahtlos an die Heimschwäche Fiels angeknüpft. Alle neuen Trainer beginnen bei Hertha mittelmäßig und lassen dann stark nach, genauso wie die meisten Spieler. Die Zeiten eines Ibisevic, Friedrich, Kalou oder gar Pantelic, die konstant über Jahre Spitzenleistungen bringen, sind lange vorbei. Selbst ein Supertalent wie Maza brachte in der vorigen Rückrunde nur Durchschnittliches, glücklicherweise war er da schon für teuer Geld verkauft. Mal sehen, wann Kenny Eichhorn nachlässt. Bei Krattenmacher dauerte die Leistungskonstanz genau zwei Spiele. Nein: Hinterher ist man immer schlauer und all die Trainerwechsel des letzten Jahrzehnts hätte man sich sparen können und mit einem nur selten spektakulären, aber immer soliden Pal Dardai, würde Hertha wahrscheinlich immer noch in der 1. Liga spielen.

Nach Favre kam Wolfgang Funkel (27 Spiele), der uns auch nicht retten konnte, dann Markus Babbel 51), Michael Skibbe (4), Otto Rehhagel (12), Jos Luhukay (87), Pal Dardai (136), Ante Covic (12), Jürgen Klinsmann (9) Alexander Nouri (4), Bruno Labbadia (27), wieder Dardai (28), Tayfun Korkut (13), Felix Magath (8), Sandro Schwarz (28), wieder Dardai (42), Christian Fiel (22) und jetzt Stefan Leitl (bis jetzt 18).

Kein Trainer nach Dardais erster Amtszeit hielt eine ganze Saison durch. Also: Was hat die ständige Trainerwechselei gebracht? Bitte jetzt bloß nicht wieder einen neuen Trainer berufen, der auch nicht weniger Fehler machen wird. Mit Leitl durch dick und dünn gehen, vielleicht wird`s ja in der Rückrunde besser. Es sind momentan 8 Punkte Rückstand auf den direkten Aufstiegsplatz 2. Nur drei Siege in Folge. Wäre doch gelacht…

WM Quali und Herthas Trainingsgruppe

Irgendjemand schrieb vom Beginn der Aktion „WM-Titel“. Damit soll wohl der Weltmeistertitel 2026 gemeint sein, der in einem nochmals aufgeblasenen Turnier ausgespielt wird und dem Fan solcher Veranstaltungen alles mögliche abverlangen wird, finden die Spiele doch zu teilweise absurden Zeiten statt und man muss sich fünf statt bisher vier Wochen die Augen verderben. Egal, man guckt ja doch wieder, wird aber vielleicht den Anspruch jedes Spiel zu sehen, das nicht zeitgleich mit anderen stattfindet, etwas relativieren. Weniger ist manchmal mehr. Die Chancen der deutschen Mannschaft gute neun Monate vor Turnierbeginn schätzen wir mal realistisch entsprechend ihrem Platz in der aktuellen Weltrangliste ein: Ein guter neunter Platz wäre doch schon was, vor allem wenn man an das peinliche Vorrunden-Aus in Russland 2018 und das etwas unglückliche Vorrunden-Aus 2022 in Katar ( ein japanisches Tor, dessen Vorbereitungsflanke 12 mm NICHT im Aus war, entschied) denkt.

Ein Erreichen des Viertelfinales (letzte Acht!) kann realistisch sein, alles weitere mit Glück und den berühmten deutschen Tugenden, wenn sie denn abgerufen werden können, ist möglich aber nicht wahrscheinlich. Jetzt vom Titel zu reden, ist Wunschdenken, so wie man bei Hertha vom Aufstieg faselte und alle Experten drauf reingefallen sind.

Zurück zur Nationalelf: Die Quali-Gegner Slowakei (52. der Weltrangliste), Luxemburg (92.) und Nordirland (71.) dürfen nicht über das Ob sondern nur über das Wie der Qualifikation nachdenken lassen. Das war nicht immer so: Die WM 1970, die aus deutscher Sicht vielleicht beste WM aller Zeiten, wurde nur durch ein Tor von Stan Libuda gegen Schottland (3:2-Sieg) erreicht und wenn Icke Häßler nicht kurz vor Schluss gegen Wales den 2:1-Siegtreffer erzielt hätte, wäre die deutsche Mannschaft 1990 nicht nach Italien gefahren und Weltmeister geworden. Gegen die drei oben genannten Fußballzwerge in der Quali antreten zu dürfen bedeutet hoffentlich nicht, dass das sprichwörtliche deutsche Glück aufgebraucht wurde, es könnte noch nötig werden.
Im Spiel gegen die Slowakei könnte es durchaus sein, dass der mittlerweile 38-jährige Herthaner Peter Pekarik spielt. Herthaner? Ja, Pekarik ist wieder da und gab am Wochenende sein Debüt in Herthas U23 in der Regionalliga. Werfen wir doch mal einen kurzen Blick darauf, mit wem Trainer Leitl, der schon wieder in Frage gestellt wird, als ob Leverkusen nachzuahmen Erstligareife darstellen würde, die Elversberg-Pleite aufarbeiten darf:

Marton Dardai ist mit Ungarn unterwegs (warum auch immer nach seinen derzeitigen Leistungen) und Thorsteinsson mit Island. Gechter ist erstmals in die U21 berufen worden (mit drei Unionern!), Krattenmacher in die U20, Lum fährt zur U19 und Eichhorn zur U17. Da die Verletzten Gersbeck, Goller, Brooks, Kolbe, Klemens, Demme, Sessa, Seguin, Karbownik, Schuler und Kownacki wohl nicht auf dem Trainigsplatz stehen werden, hat Leitl mit Ernst, Heide, Eitschberger, Leistner, Zeefuik, Hoffmann, Jensen, Ajvazi, Cuisance, Reese, Grönning und Winkler eine überschaubare Zwölfer-Trainingsguppe zur Verfügung, die Spielaufbau und Standardsituationen üben kann, um demnächst den Tabellenführen Hannover vernichtend zu schlagen. Ungefähr genauso unwahrscheinlich, wie der Weltmeistertitel für Deutschland im nächsten Jahr…

Sind Trainer lernfähig?

Als Herthaner, der regelmäßig frustriert ins Wochenende geschickt wird, fragt man sich, warum die gleichen Fehler ständig aufs Neue gemacht werden müssen. Wohlgemerkt, nicht die Fehler der Spieler sind gemeint, daran haben wir uns längst gewöhnt und man kann das natürlich mit Floskeln wie „Spieler sind auch nur Menschen“ oder „Junge Spieler dürfen Fehler machen“ oder auch (sehr beliebt) „Hertha macht eben alle Spieler schlechter“ abtun. Wir meinen aber die grundsätzlich sich stets wie in einem Hamsterrad wiederholenden Szenen, die auf der Tribüne seit Jahren bemängelt werden und die trotzdem nicht abgestellt werden. Sieht man das von der Ersatzbank aus nicht? Doch, es gibt ja angeblich Videoanalysten, die den Überblick haben sollten. Warum können die Trainer, die ja doch alle viel größere Expertise als wir Amateure haben, die gröbsten Fehler nicht abstellen. In erster Linie sind es fünf Dinge, die dem Anhänger die Zornesröte ins Gesicht treiben und den Blutdruck in ungesunde Höhen schnellen lässt:

1. Warum spielen Torhüter und Innenverteidiger beim Abstoß sich im Strafraum sinnfrei den Ball hin und her, um dann doch den Außenverteidiger anzuspielen? Es dauert ewig und es ist gefährlich. Warum wird das nicht verboten?

2. Warum werden Einwürfe und Freistöße, selbst aus günstiger Position in der gegnerischen Hälfte regelmäßig zurück gespielt oder geworfen? Man beraubt sich freiwillig Chancen auf Strafraumszenen, die ja, zumindest theoretisch, gefährlich (für den Gegner) werden könnten? Ist das den Trainern egal?

3. Warum wird Reese nicht als Linksaußen, als der er in seiner ersten Saison sensationelle Leistungen geboten hat, eingesetzt, sondern als Mittelstürmer verbrannt. Hertha hat mit Schuler, Grönning und Kownacki drei Mittelstürmer (wenn auch z. T. angeschlagen bzw. verletzt), die von Reeses Flanken profitieren könnten, wie 2023/24 Tabakovic. Man kann ja alles mal probieren, aber wenn es nicht klappt, muss man die Konsequenzen ziehen. Immerhin spielte Reese nach der grausamen Demütigung im Elversberg-Spiel in der zweiten Halbzeit wieder Linksaußen und es wurde zumindest phasenweise bis zum 0:2 besser.

4. Warum beschäftigt man einen Standardtrainer, wenn Standards offensichtlich nicht trainiert werden, bzw., wenn es weder bei Ecken noch bei Freistößen, und zwar offensiv wie defensiv, irgendein System zu geben scheint. Jedenfalls hat Hertha seit undenklichen Zeiten kein Standardtor mehr erzielt, auf der anderen Seite aber jede Menge bekommen. Unklar, dass das die Verantwortlichen nicht erkennen.

5. Warum haben alle Gegner ein besseres System der Spieleröffnung im Mittelfeld, nur Hertha stümpert sich seit Jahren mit langen Bällen der Abwehrreihe über den Platz, ohne Aufbau, nur nach dem Prinzip Zufall (Sepp Herberger: „Vorne hilft der liebe Gott“)?


Vielleicht sollte sich der Trainer, der ja ein großartiger Experte ist und auch menschlich gut rüberkommt (das war aber bei Labbadia, Schwarz und Fiel, um nur einige zu nennen, auch der Fall) einmal im Monat für eine Stunde mit Fans zusammensetzen und diese Dinge besprechen. Vielleicht sind Trainer auch lernfähig. Momentan scheint das nicht der Fall zu sein. Aber nach der Länderspielpause gegen den ungeschlagenen Tabellenführer wird das ja sicher alles besser…

Hanne Sobek lebt

Der August ist nicht nur Saisonstartzeit sondern auch Urlaubszeit. Und Urlaubszeit ist Lesezeit, egal ob bei Sonne im schattigen Strandkorb oder bei Regen (soll es geben) im gemütlichen Sessel. Schön, wenn einem ein Buch ins Haus flattert, das den Ungelesen-Stapel wieder drei Zentimeter anwachsen lässt. Oder doch nicht: Es handelt sich ja um ein Buch über Leben und Schaffen von Hanne Sobek mit dem Titel „Hanne – Fußballidol. Popstar. Legende.“ Das wird natürlich sofort gelesen.

Geschrieben hat es Bernd Engel und es ist nicht vermessen zu behaupten, dass hier jemand das ganze Leben des Mannes, der Hertha zu den zwei Deutschen Meisterschaften geführt hat, unter die Lupe genommen hat. Bernd Engel hat nicht mehr und nicht weniger als ein Referenzbuch geschrieben. Alle, aber wirklich alle Aspekte des Lebens von Sobek werden beleuchtet, vom unehelichen Kind im brandenburgischen Mirow bis zu seiner Hilfe als Ehrenvorsitzender im Bundesliga-Skandal 1971. Unendlich viele Quellen werden zitiert und im Gegensatz zu den Doktorarbeiten so einiger Minister oder Senatoren werden alle historischen Quellen (vom Kicker über Tageszeitungen, die Fußballwoche bis zu bisher unveröffentlichten Fotos der Familie Sobek/Sobeck) korrekt benannt. Dass das Werk eher einer Doktorarbeit als einer Fußballer-Biographie ähnelt, stört beim Lesen keineswegs. Nun gut, es wird genau beschrieben und manchmal sind es vielleicht zu viele Einzelheiten, die den Erzählfluss beschweren. Aber wer sich ein bisschen für die Historie der Alten Dame aus dem Wedding interessiert, wird das verschmerzen können, zumal auch die vielen Fakten nie langweilig sind und gerade in dieser Zeit, in der das hundertste Jubiläum der Deutschen Meisterschaft 1930 oder, schon im nächsten Jahr, der erste Einzug ins Endspiel 1926 zu feiern (oder lieber: „zu begehen“ ist) immer noch wissenswert sind.

Auch die Beschreibung des politischen Umfelds ist nicht an den Haaren herbeigezogen, sondern passt ins Gesamtkonzept des Buchs.

Alles in allem ein großer Wurf von Bernd Engel, wenn auch (leider) zu vermuten ist, dass dem „normalen“ Fan aus der Kurve das Buch zu schwer, im doppelten Wortsinne, ist. Was schade wäre, denn jeder wahre Herthaner sollte alles über seinen größten Spieler wissen.

Ist das ein Aufstiegskader?

Kinder, wie die Zeit vergeht. Kaum ist die Saison vorbei und man freut sich auf ein paar fußballfreie Wochen (denkste: U 21 EM, Frauen EM, von der Klub-WM will man nicht reden), schon steht die neue Spielzeit vor der Tür. In drei Wochen geht es mit dem Spiel Herthas gegen unseren Lieblingsgegner los.

Und wie jedes Jahr dreht sich das Personalkarussell viel schneller als erwünscht. Bisher stehen elf Abgängen acht Zugänge gegenüber und die Transferperiode beginnt ja eigentlich gerade…

Von den Stammspielern haben mit Maza, Scherhandt und Kenny „nur“ drei Spieler den Verein verlassen. Niederlechner war ein wertvoller Ergänzungsspieler, vor allem, was die mentale Einstellung und seine Ausstrahlung auf die Mannschaft angeht. Ansonsten spielten Gustav Christensen, Bouchalakis, Prevljak, Michelbrink, Wollschläger, Palko Dardai und Nsona kaum eine Rolle, spielten nur in der U23 oder waren ausgeliehen. Unklar, wo Dudziak, Bilal Hussein und Rogel in der kommenden Saison spielen werden. Bei Hertha offenbar nicht.

Neu im Kader sind mit Grönning, Jensen, Kolbe, Ajvazi und Krattenmacher Spieler, die man nur schwer einschätzen kann. Einzig Seguin hat schon höherklassig gespielt, hat aber in der letzten Saison keine Bäume ausgerissen. Dennis Smarsch ist ein alter Bekannter und Julian Eitschberger hat in der 3. Liga bei Rot Weiß Essen eine herausragende Saison gespielt.

Unter dem Strich scheint der Kader nicht stärker als in der letzten Saison. Große Namen zu verpflichten verbietet sich aus finanziellen Gründen und den Lehren aus der Vergangenheit, als gute Einzelspieler oft keine Mannschaft bildeten (und 2023 sogar abstiegen).

Vielleicht ist die Mannschaft in der nächsten Saison der Star, ganz wie es der ehemalige Fußballweise Berti Vogts wollte und der mit dieser Einstellung 1996 immerhin Europameister wurde.

Im Tor ist Hertha mit Ernst, Smarsch, Kwasigroch, Gersbeck und Goller breit aber nicht überragend aufgestellt, obwohl Ernst ja mit der U21 Vizeeuropameister wurde.

In der Abwehr stehen mit Eitschberger, Klemens, Gechter und Hoffmann vier junge Leute um den Veteranen Leistner zusammen mit Brooks, Kolbe, Dardai und Zeefuik. Wenn das Verletzungspech nicht ganz böse zuschlägt, muss einem nicht bange sein.

Im Mittelfeld streiten sich Jensen, Demme, Sessa, Krattenmacher, Seguin und Karbownik um die drei bis vier Plätze. Dazu kommen die ganz jungen Lum, Eichhorn und Ajvazi. Nicht überragend aber viel Erfahrung.

Der Angriff ist wie immer eine Wundertüte, mit den gesetzten Reese und Cuisance, wohingegen Winkler, Grönning, Schuler und Thorsteinsson wohl die beiden nur in ausgewählten Spielen unterstützen werden. Wenn Reese gesund bleibt und Cuisance zur Form der ersten Saisonhälfte zurückfindet, könnte der Angriff ein Plus im Aufstiegsrennen werden.

Große Sensationen, was Abgänge oder Verpflichtungen im Rest der Transferperiode angeht, kann man sich kaum vorstellen. Da wäre eine Rückkehr von Ibisevic als Sportdirektor vielleicht die interessanteste Neuerung…

Der Berliner Weg lebt

Nach der Saison ist vor der Saison – und das Phrasenschwein freut sich wieder über Zuwachs.

Auch wenn man Fabian Reeses Optimismus („Wir sind mit dem Aufstieg in dieser Saison dran“) auch als Pfeifen im Walde abtun kann, müsste eine bessere Platzierung als der 11. Rang 2024/25 auf jeden Fall möglich sein. Ohne Reeses lange Verletzungspause und den unerklärlichen Einbruch am Anfang des Jahres, wäre auch in der vergangenen Saison viel mehr möglich gewesen, trotz der absurden Heimschwäche des Teams. Aber der Konjunktiv hat im Sport noch nie gezählt. Was zählt, sind Fakten.

Und die zeigen uns zum Beispiel, dass der Berliner Weg, der doch Kay Bernsteins Vermächtnis ist, weiter gilt. In der Saison nach dem Abstieg 2023/24 hatten mit Bence, Marton und Palko Dardai, Gechter, Gersbeck, Hoffmann, Klemens, Kwasigroch, Maza, Rölke, Scherhant und Winkler 12 Berliner Spieler 9918 Einsatzminuten (Quelle Fuwo Nr. 22 vom 27.5.24), was 29,4 % der Gesamteinsatzminuten ausmachte.

In der Saison 2024/25 kamen mit Marton und Palko Dardai, Gechter, Gersbeck, Klemens, Lum, Maza, Scherhant, Smarsch, Winkler und Wollschläger 11 Spieler zum Einsatz, die allerdings 12.689 Spielminuten auf dem Platz standen (Fuwo Nr. 23 vom 2.6.25). Dies machte 37,7 % der aller Spielminuten (33.644 min) aus. Eine beachtliche Steigerung.

Böse Zungen könnten sagen, dass man den „Erfolg“ ja am Tabellenplatz ablesen könne. Tatsache aber ist und bleibt, dass Hertha auch in Zukunft, schon aus finanziellen Gründen, auf den Einbau von in der Akademie ausgebildeten Spielern angewiesen sein wird. Neben dem monetären Vorteil ist natürlich die Identifikation der Anhänger mit Spielern, die seit vielen Jahren im Verein kicken, ungleich größer als mit den normalen Profi-Söldnern, die nach ein, zwei oder drei Jahren den Verein ablösefrei verlassen (wobei hier ausdrücklich nicht Jonjoe Kenny gemeint sein soll).

Durch den Vereinswechsel von Maza und Scherhant, die zusammen über 5000 Minuten auf dem Rasen standen, wird der Berliner Weg in der neuen Saison wahrscheinlich rein statistisch geringere Werte aufweisen. Nichtsdestotrotz wird der Erfolg nicht nur am Aufstieg (diesmal ausdrückliches Ziel von Trainer, Vereinsführung und Spielern), sondern auch an der Fortführung des Berliner Wegs zu messen sein. Im Idealfalle passt beides zusammen.